Irina Hemmers: plötzlich Dealmakerin

Ob Tierarztpraxis, Streifenwagen oder im Cockpit eines Flugzeugs – wenn es um den späteren Traumberuf aus Kinderzeiten geht, dürften sich die meisten Erwachsenen noch gut an den ihren erinnern. Dass wohl die überwiegende Mehrheit im Laufe der Jahre ihre Meinung ändert und letztlich einen gänzlich anderen Karriereweg einschlägt, ist nicht verwunderlich. Und nicht selten sorgt auch der Zufall für eine überraschende Wendung, die sich später als großer Gewinn herausstellt – sowohl für die Betreffenden als auch für deren Arbeitgeber. Ein solches Beispiel dürfte auch jene Entscheidung gewesen sein, die Irina Hemmers im Jahr 2001 in die Private-Equity-Branche geführt hat. Heute, rund 25 Jahre später, ist Hemmers Partnerin beim US-amerikanischen Private-Equity-Investor Thoma Bravo, leitete dessen europäisches Büro in London und zählt auch hierzulande zur Riege der Top-Dealmaker. Neugier zog Hemmers ins Private-Equity-Geschäft Der Einstieg in die Branche war seinerzeit jedoch eher der Neugier geschuldet, wie die gebürtige Österreicherin im Gespräch mit FINANCE verrät. Nach dem Studium an der Universität Innsbruck und der Tulane University in New Orleans zog es sie 1996 zunächst für drei Jahre in die Unternehmensberatung bei McKinsey, eine Tätigkeit, die ihr zwar Spaß machte, jedoch am Ende in der Regel mit einer Powerpoint-Präsentation für den Vorstand endete, wie Hemmers beschreibt. Allerdings bot sich ihr bei McKinsey damals die Möglichkeit, den Master in Public Administration an der Harvard Kennedy School zu absolvieren. Damit einher ging der Wunsch nach einer beruflichen Veränderung: Hemmers wollte den Fokus auf internationale Wirtschaft legen. In ihrem letzten Studienjahr wurden gleich mehrere Private-Equity-Häuser auf sie aufmerksam und sie bekam Angebote. „Damals war der Weg in die Branche noch nicht so der Mainstream“, sagt die Dealmakerin. „Die Beratung bereitet einen zu etwa 50 Prozent vor.“ Irina Hemmers, Thoma Bravo Aus Neugier zog es Hemmers schließlich zu Apax Partners, wo sie im Global Media Investment Team einstieg, dem sie bis 2014 treu blieb. Bald stellte sie fest, dass die Entscheidung für Private Equity die richtige war. Natürlich waren die ersten ein, zwei Jahre, in denen Hemmers zunächst als Generalistin unterwegs war, anstrengend. „Die Beratung bereitet einen zu etwa 50 Prozent vor, den Rest machen die Erfahrung im Job und die intensive Beschäftigung mit den Themen aus – und das auch am Wochenende“, sagt sie. Spannend war schon damals für Hemmers zudem der tiefere Blick in das Tagesgeschäft der Unternehmen. Denn statt sich wie zuvor in der Beratung vornehmlich auf Finanzdaten und die Berechnung von Modellen zu konzentrieren, rückte mit dem Wechsel in die Investmentgesellschaft das operative Geschäft der jeweiligen Unternehmen in den Fokus. Info Dieser Artikel ist der siebte Teil der neuen Staffel unserer Serie „Deutschlands Top-Dealmaker“, in der wir Ihnen die Macherinnen und Macher hinter den spannendsten Deals in der Bundesrepublik vorstellen. Seien Sie gespannt! Hier finden Sie die Teile der vergangenen Staffeln sowie alle künftigen Top-Dealmaker. Due Diligence im Müllwagen So erinnert sich die erfahrene Dealmakerin noch sehr gut an ihren ersten Deal – die Akquisition eines Entsorgungsunternehmens. „Als Teil unserer Due Diligence sind wir damals mit Müllwagen rausgefahren und haben gemeinsam mit den Mitarbeitern die Tonnen geleert“, erzählt sie. Der Grund für die ungewöhnliche Aktion: „Um mit Überzeugung in ein Target investieren zu können, braucht es ein tiefes Verständnis für das Geschäft des jeweiligen Unternehmens und die Menschen, die es vorantreiben“, betont Hemmers. Genau diese Leidenschaft ist es, die einen guten Investor ausmacht, ist Hemmers überzeugt. Und dieser Überzeugung ist die Dealmakerin stets treu geblieben. „Das ist bei Software natürlich nicht ganz so einfach“, sagt sie. Dennoch investiert die erfahrene Dealmakerin auch heute noch etwa 70 bis 80 Prozent der Zeit zur Vorbereitung eines Deals darauf, das Management und die Produkte ihrer Targets genau kennenzulernen. Dazu gehört für den PE-Profi auch ein festes Ritual vor jedem Abschluss. „Das ist für mich eine ,Cold-Towel-Exercise‘, die man vor jedem Signing machen sollte“, beschreibt sie. Dabei gelte es, sich von den Emotionen, die nach den wochenlangen Prüfungen und Verhandlungen kurz vor dem Abschluss unweigerlich aufkommen, noch einmal freizumachen und die gewählte Strategie ein letztes Mal zu hinterfragen. „Wir hatten vor einigen Jahren mal einen Fall im Medienbereich, bei dem der Deal dadurch tatsächlich kurz vor dem Signing noch abgeblasen wurde – zurecht, wie sich damals gezeigt hat“, verrät Hemmers. Mehr zum Thema US-Finanzinvestor kauft Mitteilungsdienst EQS Der Software-Investor Thoma Bravo hat sich 60 Prozent der EQS-Aktien gesichert und greift nun nach dem Rest. Anschließend winkt eine Kapitalerhöhung, mit der weiteres Wachstum von EQS finanziert soll. Mehr lesen 2023 wechselt Hemmers zu Thoma Bravo Nach 13 Jahren bei Apax zog es sie im Dezember 2014 weiter. Nach Zwischenspielen unter anderem bei Eight Roads, Tele2 und Waterhouse Capital stieß sie im Juni 2018 als Partnerin zu Inflexion. Bei dem Midmarket-Growth-Investor leitete sie das Team für Technologie-Investments. Zu dem vor allem auf die Software-Branche spezialisierten US-Investor Thoma Bravo wechselte Hemmers mit der Eröffnung des Londoner Büros im Frühjahr 2023. Bereits im November, nur wenige Monate nach ihrem Einstieg, konnte Hemmers ihren ersten Deal für den Software-Investor eintüten. Für den Kauf des Münchener Investor-Relation-Dienstleisters EQS legte Thoma Bravo 341 Millionen britische Pfund auf den Tisch. Der Deal war der erste Zukauf des US-Investors in Deutschland. Seit der Eröffnung des Londoner Standorts hat Thoma Bravo unter der Leitung von Irina Hemmers in Europa bereits mehrfach investiert, unter anderem in das deutsche Software-Haus Usu und den schwedischen Software-Anbieter Hypergene. Mehr zum Thema Thoma Bravo wirbt 1,8 Milliarden Euro für ersten Europa-Fonds ein Thoma Bravo hat den ersten europäischen Fonds bei 1,8 Milliarden Euro geschlossen. Das Kapital soll in innovative Mittelständler fließen – auch im deutschen Markt. Mehr lesen Thoma Bravo auf Target-Suche im europäischen Mittelstand Darüber hinaus hat die Dealmakerin mit ihrem Team Anfang dieses Jahres den ersten europäischen Fonds geclosed – für den US-Investor ein Meilenstein. Zwar investiert Thoma Bravo nach eigener Auskunft bereits seit rund 14 Jahren in Europa und hat seitdem 16 Transaktionen mit einem Eigenkapitalanteil von insgesamt 14 Milliarden Euro abgeschlossen, einen expliziten Fonds für die Region gab es bislang dafür nicht. Mit diesem will Thoma Bravo nun seine Präsenz in Europa weiter ausbauen und Software-Unternehmen gezielt mit Expertise und Investitionen in ihre Wachstumsstrategien unterstützen. „Wir haben etwa ein Drittel des Kapitals bereits in vier Unternehmen investiert.“ Irina Hemmers, Thoma Bravo Mit einem Volumen von 1,8 Milliarden Euro hat Thoma Bravo mit dem „Europe Fund“ nach eigenen Angaben die selbstgesteckte Zielsumme übertroffen. Inwieweit, wollte der Software-Investor damals zwar nicht verraten, hatte gegenüber FINANCE jedoch betont, die Überzeichnung belege das „große Interesse internationaler Investoren an deutschen und europäischen Tech-Unternehmen“. In Letztere – vornehmlich aus dem Mittelstand – soll das eingeworbene Kapital nämlich investiert werden. Hemmers hat mit neuem Fonds bereits erste Deals geclosed Die ersten Deals dazu haben Hemmers und ihr Team bereits geclosed. „Wir haben etwa ein Drittel des Kapitals bereits in vier Unternehmen investiert“, berichtet die Thoma-Bravo-Partnerin. Geflossen ist das Geld in zwei deutsche Unternehmen sowie zwei weitere in den Niederlanden und Skandinavien. Kraft für die tägliche Jagd nach dem perfekten Deal zieht Irina Hemmers vor allem aus dem Privatleben. Eine gute Work-Life-Balance ist ihr dabei wichtig, um Energie für den Berufsalltag zu sammeln. Diese Balance in einem hoch kompetitiven Umfeld wie Private Equity zu finden, ist keine leichte Aufgabe. „Natürlich ist das nicht immer einfach, Zeit für Sport oder persönliche Ruhe zu finden. Das weiß man aber, wenn man in der Private-Equity-Branche arbeiten möchte, und nimmt es bewusst in Kauf“, sagt sie. Ihre Erkenntnis: Es bleibt immer ein Stretch, Privat- und Berufsleben zu vereinbaren. Vom Job abschalten kann die vierfache Mutter dennoch. „Dafür sorgen abends meine Kinder mit ihren Themen, das holt einen sehr schnell runter“, sagt sie und lacht.

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