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Deloitte-Chef Martin Plendl: „Wir brauchen die besten Teams“

Die Branche klagt über Fachkräftemangel. Deloitte-CEO Martin Plendl zeigt sich aber optimistisch.
Deloitte

Die Wirtschaftsprüferbranche steht vor dem größten Umbruch ihrer Geschichte. Mit der Abschlussprüferreform will der Gesetzgeber Prüfung und Beratung stärker voneinander trennen, außerdem sollen durch eine Rotationspflicht die seit Jahrzehnten zementierten Prüfmandate aufgebrochen und neu verteilt werden. Die WP-Gesellschaften werden dadurch alte Mandate verlieren, können aber gleichzeitig neue dazugewinnen – die Marktanteile werden neu verteilt.

Herr Plendl, vor einigen Wochen haben Sie eine klare Kampfansage gemacht: Sie wollen die Rotationspflicht dazu nutzen, die Prüfmandate Ihrer Konkurrenten KMPG, PwC und EY zu ergattern. Sie sprachen sogar von einer „Jahrhundertchance“. Doch gleichzeitig hört man aus der Branche, dass die WP-Gesellschaften nur noch schwer an die Top-Talente rankommen – auch Deloitte. Wie wollen Sie Ihre Offensive denn stemmen?

Von diesem Fachkräftemangel, über den in der Branche gesprochen wird, haben wir bei Deloitte ehrlich gesagt bisher kaum etwas gemerkt. Unsere Bewerberzahlen sind im vergangenen Jahr sogar um 20 Prozent auf 53.000 gestiegen, am stärksten im Beratungsbereich. Insofern sehe ich – was die Anzahl der Bewerbungen angeht – keine Gefahr für die Zusammenstellung unserer Prüfungsteams. Ein Problem bekommen eher die mittelständischen Prüfer, die der Nachwuchs nicht so attraktiv findet.

Masse ist nicht gleich Klasse.

Dieser Einwand ist nicht ganz falsch. In der Tat hat die Anzahl der Bewerber, die eine klassische Ausbildung im Bereich Accounting mitbringen, in den vergangenen Jahren abgenommen. Dafür bewerben sich jetzt mehr Bachelor-Studenten mit einer breiter aufgestellten BWL-Ausbildung. Das ist nicht per se schlecht, denn auch Generalisten sind Bestandteil unserer Teams. Doch wir brauchen unbedingt auch die Spezialisten, um den Herausforderungen einer immer komplexer und wegen der Datenanalytik immer anspruchsvoller werdenden Abschlussprüfung zu entsprechen. Gleiches gilt für Beratungsprojekte. Unsere Spezialisten müssen wir weitgehend selbst ausbilden und deshalb viel mehr in die Aus- und Fortbildung investieren als früher. So ist die Rechnungslegung nach HGB heute häufig nicht mehr Bestandteil der Hochschulausbildung in BWL.

Das kostet Zeit. Laut der Abschlussprüferreform, die die Unternehmen zur Rotation zwingt, müssen bis spätestens 2020 alle Mandate neu verteilt werden. Sie müssen geeignete Teams aber schon jetzt rekrutieren und  auf Ihre Neukunden zugehen. Warten, bis der Nachwuchs fit ist, wird kaum dazu führen, dass Deloitte Marktanteile gewinnt.

Einspruch! Unsere Teams setzen sich ja hauptsächlich nicht aus dem Nachwuchs zusammen, sondern aus erfahrenen Prüfern. Außerdem haben wir uns in den vergangenen Jahren systematisch darauf vorbereitet und begonnen, Kapazitäten aufzubauen. Aber richtig ist natürlich auch: Wir brauchen zum Zeitpunkt der Ausschreibung und Übernahme der Prüfung die besten Teams, nicht erst in fünf Jahren. Entscheidend ist das richtige Timing.

Deloitte: IT-Spezialisten sind auch rar

Noch ein Thema: Ihnen und Ihren Wettbewerbern fehlen nicht nur Kandidaten mit dem klassischen Wirtschaftsprüferprofil, sondern zunehmend auch IT-Spezialisten.

Ja, wir suchen aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung immer mehr nach IT’lern, Datenanalysten oder Naturwissenschaftlern, die analytisch denken, sich mit Algorithmen auskennen und Software durchdringen können. Denn das erwarten auch die CFOs, vor allem der größeren Unternehmen: Sie wollen Prüfungsteams, die sowohl ihre neuen digitalen Geschäftsmodelle verstehen als auch die inzwischen hochkomplexen ERP-Landschaften. Bei der Anwerbung exzellenter IT-und Daten-Spezialisten stehen wir aber nicht nur mit den anderen Big Four  in einem harten Konkurrenzkampf, sondern auch mit vielen anderen Unternehmen, die diese Qualifikationen jetzt suchen.

Wie genau wollen Sie die Top-Talente denn zu Deloitte locken?

Meiner Meinung nach resultiert das immer wieder beklagte Nachwuchsproblem der WP-Branche vor allem aus einer falschen Vorstellung des Wirtschaftsprüferjobs. Viele denken, dass der Wirtschaftsprüfer den ganzen Tag im Kämmerchen sitzt, Excel-Tabellen vergleicht und Häkchen macht. Das ist Unsinn, zumindest bei uns. Deshalb versuchen wir an Hochschulen und auf Karrieremessen darzustellen, dass der WP-Job sehr abwechslungsreich ist, dass man die Chance hat, tiefe Einblicke in große internationale Unternehmen zu bekommen, und dazu auch noch beratend tätig sein kann. Die Digitalisierung macht den Job zwar anspruchsvoller, aber gleichzeitig noch spannender. Wir müssen die talentierten jungen Menschen noch mehr von unserer interessanten Tätigkeit begeistern.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.