Die Zahlen erregen die Gemüter der Nation: Der Topverdiener unter den deutschen Dax-CFOs, VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch, strich im vergangenen Jahr 5,2 Millionen Euro ein. Siemens-CFO Joe Kaeser belegte mit 4,3 Millionen Euro den zweiten Platz. Auf den Gehaltszetteln der CEOs finden sich noch höhere Summen. Ist diese Vergütung noch angemessen und wo beginnt der Exzess? Diese Frage sollen nach dem Schweizer Vorbild künftig auch in Deutschland die Aktionäre des Unternehmens beantworten. Die Logik: Eigentümer können kein Interesse an einer exorbitant hohen Vergütung haben. Bisher war das Votum der Hauptversammlung nur eine Orientierung für den Aufsichtsrat, nun wird diese Say on Pay-Klausel verpflichtend. Der Bundestag hat in der vergangenen Woche ein entsprechendes Gesetz verabschiedet.
„Ich habe persönlich nichts dagegen, weil die Aktionäre als Eigentümer des Unternehmens dazu im Grunde ein Recht haben", sagt Siemens-CFO Joe Kaeser gegenüber FINANCE. Er geht allerdings auch hart ins Gericht mit der Politik: „Allerdings haben die Aktionäre ja eigentlich die Aufsichtsrechte auf den Aufsichtsrat übertragen. Insoweit gibt es hier ein systemische Überbestimmung, die aus dem Politikumfeld kommt und populistisch motiviert ist." Er rechnet allerdings nicht damit, dass die Entscheidung Einfluss auf seine Vergütung haben wird.
Auch Bernd Hirsch, Finanzvorstand des MDax-Unternehmens Symrise und Arnd Zinnhardt, CFO des TecDax-Konzerns Software AG machen sich keine Sorgen um ihr Gehalt. „Bei genauerer Betrachtung findet keine wirkliche Neuerung statt“, sagt Zinnhardt. Hirsch stimmt ihm zu: „Wir haben bereits in den vergangenen Jahren das Vergütungssystem auf freiwilliger Basis den Aktionären auf der Hauptversammlung zur Billigung vorgelegt und stets die entsprechende Zustimmung erhalten.“ Das gleiche gilt bei der Software AG.
Say on Pay ist seit 2009 in fast allen großen Unternehmen üblich. Tatsächlich ist aber nur ein Fall bekannt, in dem die Aktionäre ihrem Vorstand das vorgeschlagene Gehalt verweigern wollten: 2010 votierten 54 Prozent der Anteilseigner bei der Hauptversammlung von HeidelbergCement gegen das Vergütungssystem des Unternehmens. Immerhin: Der Aufsichtsrat überarbeitete das System damals für die folgenden Jahre. 2012 lag CFO Lorenz Näger mit 2,3 Millionen Euro laut einer aktuellen Studie der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) im unteren Mittelfeld der Dax-CFOs.
Say on Pay-Rechte der Hauptversammlung bleiben begrenzt
Einige Kritiker fürchten, dass durch die Neuregelung die Stellung des Aufsichtsrates geschwächt wird. Doch auch künftig wird das Kontrollgremium das entscheidende Organ bleiben, denn der Bundestag hat den Einfluss der Hauptversammlung auf ein Minimum beschränkt: Sie darf dem Vergütungssystem und dem maximalen Gehalt nur zustimmen oder es ablehnen – ein Vorschlagsrecht erhalten die Aktionäre nach allgemeiner Interpretation von Rechtsexperten aber nicht, sagt Matthias Heisse, Partner bei der Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds: „Hinzu kommt, dass ein ablehnendes Votum keinen Einfluss auf bereits bestehende Vorstandsverträge haben soll.“ Wenn Vorstände auf ihre vereinbarten Bezüge bestehen, greifen die Veränderungen also frühestens mit einem neuen Kontrakt – in der Regel also erst nach 5 Jahren. Der Verdacht eines vordergründigen Wahlkampfmanövers liegt nahe.
Auch die Logik, dass Aktionäre sich notwendigerweise für eine niedrigere Vergütung einsetzen, bezweifeln einige. Aktionäre hätten Interesse an guten Vorständen und die seien im internationalen Wettbewerb nun einmal hauptsächlich über das Gehalt zu locken, sagt Matthias Heisse: „Bei Aktionären zählt das Gerechtigkeits- oder das Neidargument wenig und der Unternehmensgewinn und die Dividende werden durch ein hohes Vorstandsgehalt kaum negativ beeinflusst."
MDax und TecDax-CFOs ärgern sich über Extremfälle
Die von FINANCE befragten Vorstände rechnen sogar mit dem Gegenteil: „Ich könnte mir vorstellen, dass die Entscheidung der Hauptversammlung stark von dem jeweils abgelaufenen Geschäftsjahr beeinflusst wird“, sagt Ingo Bretthauer, CEO des TecDax-Unternehmens LPKF. Zinnhardt teilt diese Befürchtung: „Nehmen Sie beispielsweise Investoren mit einem kurzen Anlagehorizont, die sich auf kurzfristige Ergebnismaximierung fokussieren, während sich der Vorstand auf Investitionen in nachhaltiges Wachstum im Sinne des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und seiner Kunden konzentriert. Hier klaffen unterschiedliche Denkansätze stark auseinander.“
Prinzipiell halten alle drei Vorstände die Vermeidung von Gehaltsexzessen für wünschenswert – sie verweisen jedoch alle auf „wenige Extremfälle“, die die Diskussion ausgelöst hätten. „In der Breite sehe ich das Problem nicht“, sagt Symrise-CFO Hirsch. Er verdiente laut Geschäftsbericht im vergangenen Jahr 816.000 Euro, Bretthauer strich 657.000 Euro ein, Zinnhardt brachte es auf stattliche 2,4 Millionen Euro. Allerdings sind die Summen in den Geschäftsberichten nicht immer vergleichbar, da zum Teil auch Pensionsansprüche hinzugezählt werden, während andere Unternehmen dies herauslassen.
Von den „Extremfällen“ wollte sich nur Siemens-CFO Kaeser gegenüber FINANCE äußern: „Am Ende liegt es an uns selbst, die Gesellschaft und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu überzeugen, dass wir „verdienen", was wir bekommen", sagt er. "Durch verantwortungsvolles Handeln, einen ehrlichen und offenen Dialog über Führung und Verantwortung." Die anderen vier Spitzenverdiener unter den Dax-CFOs beantworteten die Anfrage von FINANCE nicht.
desiree.backhaus[at]finance-magazin.de