Stressed out: Wie CFOs mit Stress umgehen können

Mit schwitzigen Händen steht CFO Christopher Horn vor der Tür im Konferenzraum im vierten Stock der Firmenzentrale und macht sich bereit für die Investorenkonferenz. Gleich wird er den Aktionären die Quartalszahlen des Autozulieferers Knudsen präsentieren – und die sind aufgrund der Branchenkrise deutlich schlechter ausgefallen als prognostiziert. Horns Gedanken kreisen: Kann ich alle kritischen Fragen beantworten? Wie stehe ich als CFO da? Ich muss jetzt performen, das kann sonst meine Karriere negativ beeinflussen. Horns Herz fängt schneller an zu schlagen, er hat das Gefühl, kaum Luft zu kriegen. Er atmet noch einmal tief durch, öffnet die Tür und betritt den Raum. Christopher Horn gibt es in Wirklichkeit nicht. Doch das Stressproblem von Finanzchefinnen und -chefs ist Realität. CFOs sind so gestresst wie nie, das hat das FINANCE CFO Panel aus dem Frühjahr 2024 gezeigt. Demnach war der Stresslevel der Finanzchefinnen und -chefs bereits zum Jahresanfang hoch und erreichte einen neuen Höchstwert. Gefährlicher Stress für die Gesundheit Dass zu viel Stress gesundheitliche Auswirkungen haben kann, ist kein Geheimnis. „Es gibt Manager, da zeigt es sich vor allem körperlich durch eine Verengung in der Brust, durchgehende Kopfschmerzen oder Nackenverspannungen“, berichtet Jens Alsleben, Business Buddy & Sparringspartner für Positive und Modern Leadership. Die Symptome variieren stark, so kann sich hoher Druck auch in Schlaflosigkeit und in erhöhter Reizbarkeit äußern. Langfristig erhöhen sich durch Stress die Entzündungswerte im Körper und es kann zu Allergien und Stoffwechselstörungen kommen. Jens Alsleben ist Business Buddy & Sparringspartner für Positive und Modern Leadership. Foto: Jens Alsleben Übermäßiger Stress zeigt sich aber auch äußerlich und kann dazu führen, dass Manager schneller altern. Das hat zumindest die Studie „CEO Stress, Aging, and Death“ gezeigt. Dafür hatten vier Ökonomen Bilder von Top-Managern mithilfe einer Künstlichen Intelligenz vor und nach der Finanzkrise 2007/2008 analysiert. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass Manager aus Branchen, die von der Finanzkrise maßgeblich betroffen und einem hohen Stresspensum ausgesetzt waren, im Schnitt ein Jahr älter aussahen als CEOs, die in keiner Krisenbranche agierten. Mit vier Jahren Abstand zur Finanzkrise wirkten die CEOs der Studie zufolge sogar um fast 1,2 Jahre vorzeitig gealtert. In früheren Jahren galt der nimmermüde Manager als Ideal. Lange Arbeitstage, kurze Nächte, immer erreichbar. Das Bild des unablässig arbeitenden Managers verliert jedoch immer mehr Anhänger unter den nachrückenden Finanzchefs. Die jüngere Generation propagiert über soziale Medien vermehrt einen gesünderen Lifestyle mit einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. Doch Führungskräfte und Entscheider stehen unter besonderem Druck und werden noch mehr als andere an ihren Ergebnissen gemessen. Vorstände beispielsweise erhalten wie Fußballprofis Verträge, die nur einige Jahre laufen. Wer nicht liefert, fliegt. CFOs sollten große Stressresilienz aufbauen Stress bedeutet indes nicht immer, dass er ungesund und gesundheitsschädigend sein muss. „Wichtig zu wissen ist, dass nichts und niemand dich stressen kann“, sagt Experte Alsleben. Stress werde subjektiv wahrgenommen und entstehe meist in einem selbst, indem man sich selbst unter Druck setze. Auch Christian Terlinde, CFO des Spezialisten für mechanische Antriebstechnik Flender, empfindet nicht jeden Stress als negativ. „Jeder, der diesen Job macht, erlebt auch positiven Stress.“ Dazu zählt er etwa Projekte, die zwar anstrengend seien, jedoch auch motivierend und erfüllend sein könnten. Negativer Stress komme bei ihm hoch, wenn sich ein Termin an den anderen reihe und er keine Zeit habe, über Themen oder Inhalte nachzudenken oder diese zu reflektieren. Generell hilft es CFOs auf ihrem Karriereweg, früh eine große Stressresilienz aufzubauen. „Ich habe sehr schnell gelernt, dass ich mich nicht darüber ärgern sollte, dass die Dinge so sind, wie sie sind“, sagt etwa Sebastian Bielski, Finanzchef des Lotterieanbieters Zeal, jüngst im FINANCE-Podcast „Future CFO“. Doch auch er gerät manchmal unter Druck: „In sehr stressigen Situationen kann es durchaus auch mal lauter bei mir werden.“ Das bedeute jedoch nicht, dass er nicht versuche, einen kühlen Kopf zu bewahren. Um kurzfristig mit hohem Stress umgehen zu können, helfen Alsleben zufolge stressmindernde Sofortmaßnahmen. „Eine kontrollierte Atmung wirkt sofort auf das Beruhigungszentrum im Hirn ein“, so der Business-Coach. „Auch die Veränderung der Körperhaltung hilft, blockierte Energieflüsse wieder in Gang zu bringen und den Stresslevel kurzfristig zu senken.“ Mehr zum Thema „Ich bin definitiv kein Zen-Buddhist“ Sebastian Bielski ist seit rund zwei Jahren CFO des Online-Lotterievermittlers Zeal Network. Im FINANCE-Podcast „Future CFO“ hat er über seinen Karriereweg gesprochen. Mehr lesen Selbstreflexion in den Fokus Doch wie können CFOs mit dem langfristigen Stress umgehen, den eine Führungsposition mit sich bringt? Wie können sie ihre Gesundheit schonen und gleichzeitig im Job Höchstleistungen abrufen? Alsleben zufolge entwickeln sich Stresssituationen durch vorherige Erfahrungen und Glaubenssätze, die teils über Jahre gewachsen sind. Diese gelte es zunächst zu hinterfragen und zu reflektieren. „In einer Innenschau sollten sich CFOs zunächst bewusst machen, welche Situationen sie bedrohlich finden, woher die Bedrohung kommt und wie sie dagegen arbeiten können.“ Denn: „Resilienz ist ein Muskel, den man trainieren kann“, ist Alsleben überzeugt. In diesem Punkt stimmen auch die bei den CFOs zu. „Mit zunehmender Erfahrung weiß man irgendwann, welche Situationen besonders stressig werden und wann man konzentrierter arbeiten muss“, sagt Terlinde. Doch was tun, wenn einem alles über den Kopf wächst? In solchen Phasen sei es wichtig, dass CFOs sich bewusst Zeit für sich und ihre Psychohygiene nehmen, sagt Business-Berater Alsleben. „Bevor CFOs in den Tag starten, sollten sie zunächst reflektieren, was kommt auf mich zu und welche Aufgaben machen mir im Laufe des Tages eventuell Sorgen“, empfiehlt er. Daran anknüpfend könnten sie dann Lösungen bereitlegen, um erst gar nicht in den Stressmodus zu verfallen. Genauso wie der Tag gestartet sei, sollten CFOs ihren Tag auch beenden: mit einer Reflexion des Arbeitstages. Auf diese Weise werde ein scheinbar überwältigendes Projekt zum Scheinriesen. CFOs und Stress: Auf die Gesundheit achten Finanzchefs sollten auch auf Ressourcen zurückgreifen, die sie stärken, so Alsleben. „Das bedeutet auch: Was sind die Stärken meines Teams, was können wir besonders gut, und worauf können die Manager sich verlassen, egal, wie stürmisch es da draußen ist?“ Darüber hinaus geht dem Experten jedoch nichts ohne Pausen. „Schlaf ist für eine hohe Leistung essentiell, weil sich während des Schlafs unser Körper repariert“, sagt er. Alsleben empfiehlt zwischen sieben und acht Stunden Schlaf nachts. Insgesamt sollten die Finanzmanager dem Business-Coach zufolge auf sich und ihre Gesundheit achten. „Es ist am Ende eine Mischung aus ausgewogener Ernährung, gesundem Schlaf sowie einem gehörigen Maß an achtsamem Handeln und Ausgleich.“ „Es ist am Ende eine Mischung aus ausgewogener Ernährung, gesundem Schlaf sowie einem gehörigen Maß an achtsamem Handeln und Ausgleich.“ Eine schwierige Balance in einem hektischen Alltag. Da ist es wichtig, trotz vollem Terminkalender und langen Arbeitstagen einen Ausgleich zu finden. Flender-Finanzchef Terlinde hat seinen Weg gefunden: „Ich versuche, neben der Arbeit ausreichend Sport zu machen“, so der CFO. Und das ohne erreichbar zu sein, das sei für ihn ein guter Ausgleich. Nach Wochen mit einem hohen Arbeitspensum achte er außerdem bewusst darauf, eine Pause von der Arbeit und dem Alltag zu machen. „Es hilft mir, aus dem Alltagstrott auszubrechen und ganz bewusst schöne Urlaube zu machen. Das bedeutet auch: raus aus Deutschland und mit der Familie rein in die Sonne“, berichtet Terlinde. Generell seien seine Familie sowie ein Freundeskreis, der bereits seit Jahrzehnten bestehe und nichts mit dem Beruf zu tun habe, für Terlinde eine große Unterstützung in stressigen Situationen. Gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit Genauso wie Terlinde setzt auch Zeal-Finanzvorstand Bielski auf die Unterstützung von außen. „Was mir immer hilft, ist meine Familie“, so Bielski. „Es hilft in Stresssituationen, von anderen Menschen geerdet zu werden, die einem liebevoll sagen, dass man auch mal durchatmen muss.“ Bielski wandert und klettert zudem gern. Generell empfiehlt Experte Alsleben für den Erhalt der eigenen inneren Stärke, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und seinen sozialen Beziehungen sowie seine Werte und Ideale im Auge zu behalten. „Ich arbeite nicht sonderlich gern im Homeoffice, die räumliche Trennung zwischen meiner Arbeit und meinem Privatleben hilft mir, Stress abzubauen“, sagt Flender-CFO Terlinde. Als Führungskraft müsse man aus Terlindes Sicht für die Mitarbeiter erreichbar sein und das ginge am besten persönlich vor Ort. Vertrauen in die Finanzabteilung CFOs können auch ihr Team nutzen, um eine möglichst stressfreie Umgebung aufzubauen, die hochfunktional auf einem hohen Vertrauensniveau zusammenarbeitet. „Teambuilding spielt dabei eine wichtige Rolle. Dabei kann man Prozesse, Strukturen und auch Tools nutzen, um die Kommunikation innerhalb des Teams zu vereinfachen“, so Alsleben. Dafür müssen die Finanzer als Führungskraft die Fähigkeit besitzen, Aufgaben effektiv und effizient an ihre Mitarbeiter zu delegieren, beobachtet der Business-Coach. Wenn CFOs ihrem Team vertrauen und wichtige Aufgaben an dieses abgeben, könnten die Manager zum einen Stress und Druck reduzieren und zum anderen ihre eigene Leistungsfähigkeit signifikant steigern. Ein gutes Team kann dem CFO außerdem helfen, mit Rückschlägen und Misserfolgen umzugehen. Dafür müssen die Finanzer eine offene Fehlerkultur etablieren, die wiederum ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen den Mitarbeitern in der Finanzabteilung und ihrem CFO voraussetzt – und Stress reduziert. „Vor allem Mitarbeiter, die sich am Anfang ihrer Karriere befinden, wollen möglichst alles perfekt machen“, beobachtet Terlinde. „Wir müssen als Finanzvorstand unseren Mitarbeitern bereits früh klarmachen, dass es nicht schlimm ist, Fehler zu machen, solange man daraus lernt.“ Dazu gehöre es auch, als CFO Prozesse und Handlungen intensiv zu reflektieren und von den Fehlern anderer zu lernen. Sicher ist: Ein stressfreier CFO-Job ist eher die Seltenheit. Ein Umfeld, das den CFO entlastet und zu Höchstleistungen verhilft, können und müssen die Finanzexperten selbst gestalten. „Das kann auch bedeuten, dass die Manager Konflikte austragen und sich gegebenenfalls von einem Umfeld, das ihnen nicht guttut, trennen müssen“, sagt Business Coach Alsleben. Dafür müssen sich die Finanzvorstände öffnen und auch ihren Arbeitsalltag sowie ihre Arbeit kritisch hinterfragen. Das ist zunächst ein Kraftakt, legt aber den Grundstein für ihren künftigen Stresslevel.

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