Der Pharma- und Chemiekonzern Bayer vollzieht einen strategischen Wechsel an der Finanzspitze: Judith Hartmann wird zum Juni 2026 neue Chief Financial Officer und tritt damit die Nachfolge von Wolfgang Nickl an, der nach mehr als sieben Jahren im Amt planmäßig in den Ruhestand geht. Die 56-jährige Österreicherin bringt umfassende Erfahrung aus der Transformation großer internationaler Konzerne mit.
Die neue CFO wird ihre Position offiziell am 1. März 2026 im Vorstand antreten und drei Monate später die volle Verantwortung für das Finanzressort übernehmen. Diese Übergangsphase soll einen reibungslosen Wechsel von Wolfgang Nickl zu seiner Nachfolgerin gewährleisten.
Hartmann wechselt vom Energiesektor
Hartmann kommt von Sandbrook Capital, einer auf Klima-Infrastruktur spezialisierten Investmentfirma, wo sie derzeit als Operating Partner tätig ist. Ihre Karriere führte sie durch verschiedene Branchen und Kontinente.
Die gebürtige Österreicherin studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschafts-Universität Wien und promovierte dort 1997 mit Auszeichnung. Ihre Karriere begann sie bei The Walt Disney Company als Finance Manager in Paris, bevor sie 2000 zu General Electric wechselte – dem Startpunkt einer beeindruckenden Laufbahn, die sie durch drei Kontinente und verschiedene Industrien führte. Sie verantwortete die Finanzen in diversen Bereichen bei GE Healthcare und durchlief Führungspositionen in den USA, Europa und Brasilien.
2012 wechselte sie als CFO zum Medien- und Bildungsunternehmen Bertelsmann. Drei Jahre später zog es sie zum französischen Energiekonzern Engie, wo sie zwischen 2015 und 2023 tätig war und zeitweise sogar die Rolle der Interim-Co-CEO übernahm. Hartmann verantwortete neben ihrer globalen Funktion auch das operative Nordamerika-Geschäft sowie die Aktivitäten in Großbritannien und Irland. 2023 zog es sie schließlich aus der Industrie zur Investmentfirma Sandbrook Capital.
Bayer-Aufsichtsrat setzt auf transformative Führungskraft
„Mit Judith Hartmann gewinnt Bayer eine international erfahrene Führungspersönlichkeit“, erklärte Norbert Winkeljohann, Vorsitzender des Aufsichtsrats. Er hob besonders ihre „strategische Weitsicht und operative Umsetzungsstärke“ hervor. Der Aufsichtsrat traut ihr zu, das Unternehmen in einer herausfordernden Phase „maßgeblich voranzubringen“.
Der scheidende CFO Wolfgang Nickl hinterlässt nach Einschätzung des Aufsichtsrats nach sieben Jahren seiner CFO-Tätigkeit ein „starkes Fundament“: Unter seiner Führung seien Strukturen drastisch vereinfacht, die Organisation schlagkräftiger gemacht und umfangreiche Effizienzsteigerungen erzielt worden.
Hartmann hat breite Governance-Erfahrung
Neben ihrer operativen Expertise verfügt Hartmann über ein beeindruckendes Portfolio an Aufsichtsratsmandaten. Von 2015 bis 2024 saß sie im Board of Directors des Konsumgütergiganten Unilever. Aktuell ist sie Mitglied der Kontrollgremien von Marsh McLennan, dem Offshore-Windenergie-Marktführer Ørsted und dem französischen Ver- und Entsorgungsunternehmen Suez.
Zu ihrer neuen Aufgaben schreibt sie auf der Karriereplattform „Linkedin“, sie freue sich bei Bayer auf das nächste Kapitel mit „fokussierten Investitionen, einer disziplinierten Umsetzung und Innovationen in großem Maßstab“.
Bayer vor wichtigen Weichenstellungen
Für Bayer kommt der Führungswechsel zu einem entscheidenden Zeitpunkt. Das Unternehmen steht vor der Herausforderung, seine Life-Science-Bereiche Gesundheit und Ernährung weiterzuentwickeln und gleichzeitig seine Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Hartmanns Erfahrung im Energiesektor und bei der Transformation großer Organisationen könnte sich dabei als wertvoll erweisen – insbesondere in Zeiten, in denen auch Pharma- und Chemiekonzerne ihre Geschäftsmodelle klimafreundlicher ausrichten müssen.
Eine ihrer Herausforderungen wird sein, den Aktienkurs des Chemieriesens wieder zu alten Höhen zurückzuführen. Seit Januar kämpft sich die Aktie aus einem Allzeittief mit 18,8 Euro je Aktie nur schleppend zurück. Am heutigen Freitagvormittag notiert die Aktie bei 26,54 Euro – und ist damit noch meilenweit von ihrem Allzeithoch im Jahr 2015 von 146,44 Euro je Aktie entfernt.
Der Konzern mit rund 93.000 Mitarbeitern erzielte Unternehmensangaben zufolge 2024 einen Umsatz von 46,6 Milliarden Euro und investierte 6,2 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung.
Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den Juve Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.
