Spekuliert wurde schon länger, nun ist es offiziell: Der Kunststoffhersteller Covestro führt Gespräche über eine mögliche Übernahme durch die Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc). Am vergangenen Freitag kurz nach Börsenschluss haben die Leverkusener die „Aufnahme von ergebnisoffenen Gesprächen mit Adnoc“ bestätigt. Ob, in welcher Form und gegebenenfalls zu welchen Konditionen eine Vereinbarung zwischen den Gesprächspartnern zustande kommt, sei offen und werde vom Verlauf der bevorstehenden Gespräche abhängen, heißt es dazu in der Mitteilung des Konzerns.
Der Kunststoffhersteller litt im ersten Halbjahr 2023 unter geringer Nachfrage. So sank der Konzernumsatz in den ersten sechs Monaten um 20,5 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro. Das Ebitda auf Konzernebene ging im selben Zeitraum gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 50,4 Prozent von 1,4 Milliarden Euro auf 671 Millionen Euro zurück. Das Konzernergebnis sank um 96,7 Prozent auf 20 Millionen Euro. Im Vorjahr hatte es noch 615 Millionen Euro betragen. Zeitgleich war es Covestro gelungen, das Minus beim Free Operating Cash Flow im ersten Halbjahr 2023 um 66,5 Prozent auf 149 Millionen Euro zu verringern (Vorjahr: –445 Millionen Euro).
Beide Seiten im informellen Austausch
Im Juni hatte zuerst Bloomberg über das Interesse Adnocs an einer möglichen Übernahme berichtet, die Covestro bislang jedoch nicht bestätigt hatte. Demnach war der staatliche Ölkonzern im Frühjahr mit einem Übernahmevorschlag an Covestro herangetreten, wobei Preise zwischen 55 und 57 Euro je Aktie im Raum gestanden haben sollen. Seitens Covestro war dieses Angebot jedoch zunächst nicht auf Interesse gestoßen. Allerdings tauschen sich dem Vernehmen nach jedoch beide Seiten zunächst über externe Berater informell aus.
Details zu einem aktuellen Angebot des arabischen Ölkonzerns sind derzeit nicht bekannt. Covestro gibt an, in den Gesprächen mit den möglichen Käufern die Absicherung der weiteren Umsetzung seiner zukunfts- und nachhaltigkeitsorientierten Unternehmensstrategie einschließlich entsprechender Regelungen zur Corporate Governance thematisieren zu wollen. Wie das Handelsblatt unter Berufung auf Finanzkreise berichtet, könnte Adnoc bereit sein, rund 60 Euro pro Aktie zu bezahlen, was im Falle einer Komplettübernahme einen Kaufpreis von 11,5 Milliarden Euro bedeuten würde.
Covestro-Aktie im Höhenflug
Zuständig für die Gespräche ist derzeit der Vorstandsvorsitzende Markus Steilemann, der bis Ende September als Interims-CFO agiert, nachdem Thomas Toepfer das Unternehmen Ende August verlassen hatte. Anfang Oktober soll der Noch-Metro-CFO Christian Baier die Finanzgeschicke des Leverkusener Konzerns übernehmen.
An der Börse sorgte die Mitteilung von Covestro für einen Höhenflug der Aktie, die bereits in Folge der Berichte im Juni profitiert hatte. Seither stieg der Aktienkurs des Dax-Konzerns von rund 36 Euro pro Aktie auf knapp unter 50 Euro Ende Juni. Dort hielt er sich mit leichten Schwankungen. Nach der Mitteilung von Covestro am Freitag sprang der Kurs von 47,77 Euro auf 53,46 Euro.
Erika von Bassewitz ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Philosophie und Französisch an der Humboldt-Universität in Berlin sowie an der Université de Genève studiert und mit einem Magister Artium abgeschlossen. Vor FINANCE war sie mehr als acht Jahre Redakteurin in der Multimediaredaktion des Medienhauses der EKHN. Davor war sie unter anderem Redakteurin beim HR-Magazin von monster, freie Autorin bei Deutsche Welle TV und freie Mitarbeiterin bei der Westdeutschen Zeitung.
