Die deutsche Zuliefererbranche befindet sich weiter im Umbruch. Nun hat Schaeffler dem Continental-Spin-Off Vitesco ein Übernahmeangebot unterbreitet. 91 Euro je Aktie bieten die Mittelfranken für das Regensburger Unternehmen. Das entspricht einem Aufschlag von 21 Prozent auf den Vitesco-Kurs vom Freitag und einer Kursbewertung von 3,64 Milliarden Euro. Die Eigentümerfamilie Schaeffler hält bereits knapp 50 Prozent an Vitesco. Auch deswegen spricht CEO Klaus Rosenfeld von einer „gut finanzierbaren Übernahme“.
Übernahme kostet 665 Millionen Euro
Schaeffler, die im Sommer vergangenen Jahres bereits den Antriebshersteller Ewellix kauften, setzt seinen M&A-Kurs weiter fort. Konkret hofft Schaeffler-CEO Klaus Rosenfeld auf sich ergänzende „Synergieeffekte“. Insgesamt rechne man durch die Übernahme mit einem Ebit-Potential von 600 Millionen Euro jährlich, das bis zum Jahr 2029 realisiert werden könne. Schaeffler erwartet Integrationskosten in Höhe von rund 665 Millionen Euro.
Schaeffler will mit der Übernahme ein führendes Unternehmen für Antriebstechnologien in der Elektromobilität werden. Beide Unternehmen würden sich gut ergänzen und nach der Verschmelzung eine lückenlose Produktpalette aufweisen. Schaeffler und Vitesco würden gemeinsam die Profitabilität von konventionellen Antriebstechnologien mit einem weiterhin attraktiven Margen- und Cash-Profil verbessern können. Gleiches gilt für Fahrwerksysteme und im Automotive-Aftermarket-Geschäft. „Schaeffler und Vitesco sind zusammen stärker. Das bringt deutliche Vorteile für Kunden, Beschäftigte, Aktionäre und Geschäftspartner“, ist Rosenfeld überzeugt.
Familie Schaeffler gibt Stimmrechte ab
Das Übernahmeverfahren sieht konkret drei Schritte vor, an dessen Ende eine vereinfachte Aktionärsstruktur von Schaeffler stehen soll. Denn nach dem erfolgreichen Vollzug des Erwerbsangebots, sollen die nicht-stimmberechtigten Vorzugsaktien im Verhältnis von 1:1 in stimmberechtigte Stammaktien umgewandelt werden.
Bisher lagen diese Wertpapiere einzig auf Seiten der Eigentümerfamilie Schaeffler. „Für meine Mutter und mich als Familiengesellschafter ist die Abgabe von Stimmrechten ein einschneidender Schritt, den wir im Interesse des Unternehmens sorgfältig abgewogen haben“, sagte Aufsichtsratschef Georg Schaeffler.
Damit dieser abgesegnet wird, benötigt es eine 75-prozentige Zustimmung der Vorzugsaktieninhaber im Zuge einer außerordentlichen Hauptversammlung. Diese peilt Schaeffler im Februar an. Am Ende sollen sich so 30 Prozent der Wertpapiere im Free Float befinden, bisher sind es knapp 25 Prozent. Die übrigen 70 Prozent der Stammaktien an Schaeffler liegen bei der Schaeffler Holding IHO, bisher sind es knapp 75 Prozent. Schaeffler erhofft sich davon eine verbesserte Liquidität bei erhöhten Streubesitz.
Schaeffler plant Transaktionsabschluss Ende 2024
Zur endgültigen Verschmelzung der Unternehmen soll es dann im April oder Mai nächsten Jahres kommen. Dafür benötigt es die Zustimmung auf den Hauptversammlungen der beiden Unternehmen. „Ich will nicht sagen es ist eine Formsache, aber sehr wahrscheinlich“, zeigt sich Rosenfeld optimistisch.
Im Gespräch mit dem Vitesco-CEO Andreas Wolf habe dieser die Schaeffler Pläne „sehr professionell“ aufgenommen. Ein baldiges Zusammenkommen sei geplant. Vorbehaltlich der Zustimmung der Aktionäre wird der Abschluss der Gesamttransaktion laut Schaeffler im vierten Quartal 2024 erwartet.
Vitesco bestätigte, dass Schaeffler ein öffentliches Erwerbsangebot vorgelegt hat. Der Vorstand und der Aufsichtsrat von Vitesco Technologies würden alle Informationen sorgfältig prüfen und über die nächsten Schritte entscheiden, hieß es weiter in der Mitteilung.
Brückenfinanzierung erfolgt ohne deutsche Banken
Schaeffler plant mit einer Brückenfinanzierung für das Angebot durch die Bank of America, BNP Paribas und der Citigroup. Darin, dass keine inländische Bank beteiligt sei, sieht Klaus Rosenfeld auf Nachfrage von FINANCE „kein Signal gegen den Bankenstandort Deutschland“. So stünde man auch in Gesprächen mit der Deutschen Bank, habe sich aber zunächst auf seinen „Kernbankenkreis“ konzentriert.
Rosenfeld hält eine Kapitalerhöhung seitens Schaeffler für nicht notwendig und das Vorhaben gut finanzierbar. Nicht zuletzt, weil die Beteiligungsgesellschaft von Schaeffler, die IHO Holding, bereits rund die Hälfte der 40 Millionen Vitesco-Wertpapiere hält. Selbst wenn man alle übrigen Anteile erwerben müsste, wären das 1,8 Milliarden Euro, bei der Hälfte lediglich 900 Millionen Euro, zeigt Rosenfeld auf. Doch Vitesco-Anteilseigner haben auch die Möglichkeit, auf das Kaufangebot zu verzichten und das Wertpapier in eine Schaeffler-Aktie umzuwandeln.
Das kombinierte Unternehmen würde über 120.000 Mitarbeitende beschäftigen und 44 Forschungs- und Entwicklungszentren sowie mehr als 100 Produktionswerke besitzen. Auf Basis der Jahreszahlen 2022 ergebe sich ein Jahresumsatz von 25 Milliarden Euro.