Tage der Entscheidung bei ProSiebenSat.1: In der Nacht auf den heutigen Donnerstag ist das Übernahmeangebot des Großaktionärs Media for Europe (MFE) abgelaufen. Auch das konkurrierende Angebot des zweitgrößten Aktionärs, der tschechischen PPF-Gruppe, endete zum gleichen Zeitpunkt.
Wer den Übernahmekampf um die Sendergruppe mit Sitz in Unterföhring gewinnt und ob speziell MFE über die 50-Prozent-Schwelle kommt, ist derzeit noch unklar. Am gestrigen Mittwoch kam die Holding, hinter der die Berlusconi-Familie steht und die auf eine Komplettübernahme schielt, laut Pflichtmitteilung auf insgesamt 40,38 Prozent des Grundkapitals und 40,42 Prozent der ausübbaren Stimmrechte. Das heißt: Über das Angebot hat sie sich bislang 7,08 Prozent des Grundkapitals und der Stimmrechte gesichert. Daran könnte sich allerdings noch etwas ändern, denn es gibt eine weitere zweiwöchige Annahmefrist, innerhalb derer die Aktionäre ihre Aktien noch in das geänderte MFE-Angebot einreichen können. Diese soll laut Plan am 19. August beginnen.
Das Angebot des zweiten Bieters PPF kann dagegen nicht mehr angenommen werden. Die Tschechen waren bislang mit insgesamt knapp 15 Prozent direkt sowie über Finanzinstrumente an ProSiebenSat.1 beteiligt. Bis zum gestrigen Mittwoch konnte der strategische Investor seine Anteile nur um wenige Prozentpunkte ausbauen – auf 18,39 Prozent des Grundkapitals und der Stimmrechte. Den größten Schritt haben die Tschechen dabei kurz vor Ende der Angebotsfrist gemacht. Laut Medienberichten soll es der Investor General Atlantic gewesen sein, der PPF 2,4 Prozent angedient hat.
MFE will ProSiebenSat.1 für europäischen Senderverbund
MFE liebäugelt seit Jahren mit einer Übernahme von ProSiebenSat.1, um einen größeren europäischen Senderverbund zu schmieden. Mit Mediaset gehört die Gruppe bereits zu den großen Playern im Privatfernsehen in Italien und Spanien.
2019 haben die Italiener die ersten Anteile an ProSiebenSat.1 erworben und sukzessive auf knapp unter 30 Prozent aufgestockt. Im März erfolgte dann das freiwillige Übernahmeangebot, das für die Aktionäre finanziell jedoch unattraktiv war. Zuletzt besserte MFE nochmal nach auf 1,3 MFE-A-Aktien und 4,48 in bar pro ProSieben-Aktie, sodass ProSiebenSat.1 schließlich die Annahme des Angebots empfohlen hat.
PPF reagiert mit Konkurrenzangebot auf MFE-Offerte
PPF hatte nach dem Übernahmeangebot von MFE ein Konkurrenzangebot von 7 Euro in bar je Aktie gemacht, um den Einfluss der Italiener zu begrenzen – und den eigenen zu wahren. Allerdings wollte PPF von Beginn an unter der wichtigen Kontrollschwelle von 30 Prozent bleiben. Ab dieser schreibt das deutsche Übernahmegesetz (WpÜG) bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft ein verpflichtendes Übernahmeangebot vor.
Für die diversifizierte PPF-Gruppe ist das Mediengeschäft ebenfalls eine zentrale Säule. Mit CME haben die Tschechen 46 Fernsehsender in sechs europäischen Ländern im Besitz. Neben ProSiebenSat.1 hält die Gruppe auch eine Beteiligung an der skandinavischen Streamingplattform Viaplay.
Strategische Differenzen zwischen MFE und PPF bleiben
Das künftige Machtgefüge zwischen den beiden Großaktionären wird bestimmen, wie es für ProSiebenSat.1 weitergeht. Selbst wenn MFE die 50-Prozent-Schwelle nicht überschreitet, haben die Italiener weiteren Einfluss bei ProSiebenSat.1 gewonnen und werden weiter offensiv versuchen, ihre Agenda durchzusetzen. Dazu gehört vor allem auch der schnelle Verkauf der Nebengeschäfte, darunter die ParshipMeet-Gruppe und die Onlineparfümerie Flaconi, und das konsequente Fokussieren aufs mediale Kerngeschäft. In einem weiteren Schritt könnte dann die Zusammenführung des Mediengeschäfts unter der Flagge von MFE stehen.
PPF ist als Stratege ebenfalls ein aktiver Investor und will auch verstärkt bei ProSiebenSat.1 mitmischen – eine Kombination, die weiteres Konfliktpotential verspricht. Denn PPF hat sich zuletzt offensiv hinter die Strategie des ProSieben-Vorstands gestellt: Auch diese sieht zwar den Fokus aufs Kerngeschäft vor, allerdings haben Vorstandschef Bert Habets und Finanzchef Martin Mildner wiederholt betont, bei den Verkäufen auf den richtigen Zeitpunkt warten zu wollen.
Das sieht auch PPF so: „Es braucht faire Bewertungen und einen vernünftigen Zeitpunkt. Es gibt aktuell keinen derart großen Handlungsdruck, dass diese Unternehmen übereilt oder gar verschleudert werden müssten“, betonte PPFs Investment Director Kasper Taczek gerade erst im Gespräch mit der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.
Ob PPF allerdings auf lange Sicht an seinem Engagement bei ProSiebenSat.1 festhalten wird, sollte MFE künftig den Ton angeben, ist fraglich. Ruhe wird in Unterföhring also absehbar erst einmal nicht einkehren.
Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wurde am 14.08.2025, 18 Uhr, um Informationen zu der weiteren Annahmefrist für das MFE-Angebot ergänzt.
Lena Scherer ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Publizistik, Anglistik und Komparatistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz studiert und nebenbei für verschiedene Redaktionen gearbeitet. Bevor sie zu FINANCE kam, war sie mehr als acht Jahre lang beim Branchen-Fachdienst buchreport aktiv, zuletzt als Co-Chefredakteurin. Dort hat sie unter anderem Marktanalysen vorgenommen sowie die Bereiche Fachinformation, Recht/Wirtschaft/Steuern und Digitales betreut.
