Bei Distressed-M&A-Deals lauern Risiken, die oft unterschätzt werden – insbesondere dann, wenn nach der Transaktion die Insolvenz eines Unternehmens eintritt. Die Erfahrung zeigt, dass insolvenzrechtliche Anfechtungsrisiken bei der Due Diligence viel mehr im Fokus stehen sollten.
Denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail: Bei Distressed-M&A-Transaktionen bestehen nicht selten erhebliche Unwägbarkeiten bei der Bestimmung des zu erwerbenden Aktivvermögens oder bestimmter Dauerschuldverhältnisse. Eine meist unklare Finanzierungshistorie und -struktur des Zielunternehmens bergen erhebliche Folgerisiken für den Erwerber. Käufer als auch Verkäufer können den Risiken unter Berücksichtigung folgender Punkte gewappnet entgegenstehen.
Gesellschafterfinanzierung kann Risiken bergen
Werden im Falle einer Insolvenz des Zielunternehmens Gesellschafterdarlehen abgelöst oder übertragen, sind sowohl der bisherige Gesellschafter als auch der Erwerber für die Dauer von 12 Monaten dem Risiko eines Nachrangs und einer gesamtschuldnerischen Insolvenzanfechtung ausgesetzt.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens können demnach sowohl gegenüber dem Erwerber als auch gegenüber dem bisherigen Gesellschafter Anfechtungsansprüche vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Selbst wenn ein Bankdarlehen durch den Gesellschafter besichert wurde, kann der Insolvenzanfechtungstatbestand erfüllt sein – sofern im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag oder danach Rückzahlungen darauf erfolgt sind.
Anfechtungsrisiko hat sich deutlich erhöht
Insolvenzrechtlich werden dem Anspruch auf Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens Forderungen gleichgestellt, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen und letztlich eine Finanzierungsfunktion haben. In der Praxis drehen sich Auseinandersetzungen des Gesellschafters mit dem Insolvenzverwalter oftmals um die Frage, ob für eine Forderung des Gesellschafters eine mit einer Darlehensgewährung gleichzusetzende Wirkung besteht.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich dazu bereits positioniert: Laut BGH kann jede Form der Kreditierung durch einen Gesellschafter unter eine vergleichbare Darlehensgewährung fallen. Damit können Forderungen des Gesellschafters aus Lieferung und Leistung betroffen sein, da eine Stundung oder Nichtgeltendmachung – das sogenannte Stehenlassen – einer fälligen Forderung wegen der Kreditierungswirkung mit einer Darlehensgewährung wirtschaftlich vergleichbar ist.
Ausnahmen gelten für Darlehen, die durch den Gesellschafter im Rahmen eines Sanierungskonzepts vergeben wurden. Zudem sind nach dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsungsgesetz (COVInsAG) bis zum 30. September 2023 erfolgte Rückzahlungen auf ein im Aussetzungszeitraum neu gewährtes Gesellschafterdarlehen grundsätzlich als nicht gläubigerbenachteiligend von einer Anfechtung ausgenommen.
Transaktionsstruktur kann Anfechtung entgegenwirken
Verkäufer und Erwerber sollten sich bei einer Transaktion in einer Krisensituation über das Insolvenzrisiko und damit einer potentiellen Anfechtung bewusst sein. Demnach muss die Struktur der Transaktion entsprechend angepasst werden. Auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens bietet sich an, die Transaktion als Asset- statt Share-Deal zu strukturieren. Damit kann der Erwerber das Risiko einer Gesellschafteranfechtung möglichst vermeiden.
Vollständig ausgeschlossen ist das Risiko jedoch nicht. Dritte können in den Anwendungsbereich fallen. Diese treffen dann die gleichen Risiken eines Nachrangs und einer Anfechtung. Als gesellschaftergleich kommen insbesondere Dritte in Betracht, die mit dem Unternehmen gesellschaftsrechtlich verbunden sind oder waren oder anderweitig Einfluss nehmen können. So wurde durch den BGH etwa eine finanzierende Bank einem Gesellschafter mit allen Folgen gleichgestellt.
Darüber hinaus können Gesellschaftersicherheiten in einer Distressed-M&A-Transaktion relevant sein, wenn im Rahmen der Transaktion die besicherten Kredite abgelöst werden sollen.
Anfechtungsrisiken schwer vorhersehbar
Bei einem Distressed-M&A-Deal können also Ausschüttungen oder Rückzahlungen für den Erwerber über 12 Monate risikobehaftet sein. Werden die Forderungen allerdings stehengelassen, kann dies selbst ein Anfechtungsrisiko bedeuten. Gerade wenn Unternehmensteile auf eine rechtlich selbstständige Einheit übertragen oder ein Tochterunternehmen aus einer Unternehmensgruppe herausgelöst wird, sind Leistungsbeziehungen, die zu einer Anfechtung führen können, nahezu allgegenwärtig.
Denn häufig sind die zum Verkauf stehenden Betriebsteile oder Unternehmen nicht nur operativ, sondern auch finanziell mit weiteren Unternehmen verbunden, sei es über einen Cash Pool oder in Form einer gemeinsamen Banklinie oder über Ergebnisabführungsverträge.
Im Falle einer Insolvenz des Zielunternehmens wertet der Insolvenzverwalter sämtliche Rechtsverhältnisse und insbesondere die Leistungsbeziehungen mit Gesellschaftern oder verbundenen Unternehmen auf insolvenzrechtliche Anfechtungsansprüche hin aus. Der Erwerber kann das Risiko nur durch eine umfassende Prüfung der Finanzierungshistorie und Finanzierungsstruktur des Zielunternehmens und einer anschließenden rechtlichen Bewertung eingrenzen.
Die Erfahrung zeigt, zahlreiche Risiken verbergen sich hinter vermeintlich risikoarmen Leistungen zwischen Gesellschafter, finanzierendem Dritten und dem Zielunternehmen, die gerade deswegen eine Prüfung der Finanzierungsstruktur erforderlich machen.
Distressed-Due-Diligence bei Distressed-M&A
Während Prüfungen bei einer „Schönwetter“-Due Diligence schematisch umfassend sein dürfen, muss die Prüfung „im Auge des Sturms“ individuell und laufend dem Zeitrahmen angepasst durchgeführt werden. Dabei gilt es, die Balance zwischen dem Informationsinteresse des Erwerbers und der tatsächlichen Informationslage vor dem Hintergrund des kurzen Zeitraums zu finden.
Gerade wegen des engen zeitlichen Rahmens beim Unternehmenskauf bzw. -verkauf mit einem reellen Insolvenzszenario, müssen potentielle Anfechtungsrisiken bereits im Prüfungsumfang einer der Situation angepassten Distressed-Due-Diligence berücksichtigt werden. Wichtig ist, dass anfechtbare Sachverhalte sicher identifiziert und richtig bewertet werden.