Christoph Junge blickt am liebsten nach vorne: Er liebt es, wenn er sich mit Aufbau, Wachstum und Entwicklung von Unternehmen beschäftigen kann. Doch in seiner Karriere musste er auch unliebsame Restrukturierungen hinter sich bringen.
Wenn man Christoph Junge nach Meilensteinen seiner Karriere fragt, fängt er nicht an, die üblichen Meilensteine vorzutragen: große Finanzierungen, spannende M&A-Deals. Stattdessen berichtet er von seinem Jahr an der High School in Richmond, USA: „Das hat mir unglaublich viel gebracht. Wenn man als 16-Jähriger zum ersten Mal alleine in einem fremden Land ist, gewinnt man enorm an Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit.” Eigenschaften, die er für den Grundstein seiner späteren Karriere hält.
Schon während seines Aufenthalts im Ursprungsland des Kapitalismus interessierte sich Junge für Wirtschaft, doch ein Finanzer durch und durch zu werden, wie sein Vater einer war, konnte er sich damals nicht vorstellen. Dafür hat er sich „einfach zu gerne mit Technik beschäftigt und an der Stereoanlage rumgefummelt, wenn irgendetwas kaputt war”. Da hat das Studium zum Wirtschaftsingenieur genau gepasst. Ein kurzer Abstecher in die Wirtschaftsprüfung macht ihm endgültig deutlich, dass der rein vergangenheitsorientierte Ansatz nichts für ihn ist. Lieber denkt er nach vorne, baut auf, entwickelt – und fängt schon im Studium damit an.
Gemeinsam mit Kommilitonen gründet er eine studentische Unternehmensberatung, die inzwischen schon seit mehr als zwanzig Jahren erfolgreich arbeitet. Der Verdacht liegt nahe: Damit sich die Beratung so lange halten konnte, müssen die Gründer neben all dem persönlichen Einsatz auch die richtigen Strukturen eingezogen haben – eine Aufgabe, für die Junge Zeit seines Berufslebens Feuer gefangen hat. Dies kann er nach seinem Studium auch bei dem M&A-Beratungshaus Angermann ausleben, wo er die IT/Technology Group des internationalen M&A-Netzwerks M&A International aufbaut.
2000 dann der nächste Karriereschritt, aber wieder der gleiche Schwerpunkt. Junge wechselt zur BOV AG nach Essen, einem börsennotierten IT-Dienstleister, und leitet fortan das Corporate Development. Doch er bleibt nicht lange. Das Angebot, schon sechs Jahre nach seinem Berufsstart CFO zu werden, kann er nicht ablehnen, er wechselt in den Vorstand des SAP-Beraters Plan business in Hamburg. Dort lernt er schnell, dass auch in einem Wachstumsunternehmen die CFO-Arbeit nicht nur aus Aussähen und Aufbauarbeit besteht. Junge macht „erste harte Erfahrungen” mit Massenentlassungen, als er das Unternehmen mitsanieren muss.
Nach dem Abschluss der Sanierung ertönt wieder der Ruf von BOV aus Essen. Auch dieses Unternehmen muss nach dem Platzen der New-Economy-Bubble zunächst einmal restrukturiert werden, was Junge als CFO zusammen mit den Firmengründern und seinem Kollegen nach einer langen Wegstrecke gelingt. Mit der anschließenden Verschmelzung von BOV und Adesso wird Junge CFO von Adesso und ist sich sicher: das hat sich gelohnt. Mit adesso steht das Entwickeln wieder im Vordergrund, von der Equity Story und dem Recruiting über das Controlling, Firmenzukäufe und Internationalisierung. So wächst die Gesellschaft zwischen 2006 und 2019 von 110 auf über 3.700 Mitarbeiter und der Umsatz von 11 auf über 400 Millionen Euro.
Dabei betont Junge mehrmals, dass er die enorme Entwicklung von Adesso nicht im Alleingang gestemmt hat: Insbesondere das langjährige Führungsteam habe sie operativ und organisch erarbeitet – er als CFO und Personalvorstand helfe, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen. Er klingt wie ein Teamplayer, der im richtigen Team spielt.
Und was kommt als nächstes? Junge will Adesso mit zu einem der größten IT-Dienstleister im deutschsprachigen Raum ausbauen und Akquisitionen vorantreiben. Und auch international hat Adesso seine Fühler ausgestreckt: Weitere Standorte befinden sich in der Türkei, in England und in den Vereinigten Staaten, einem Standort, mit dem sich der im Ruhrgebiet heimisch gewordene Hamburger bis heute verbunden fühlt.
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