Andere mögen in seinem Alter vielleicht schon den Rückzug vorbereiten. Für Jürg Fedier, Jahrgang 1955, ist dies kein Thema: „Ich möchte weiter operativ tätig sein“, stellt der seit 2009 amtierende CFO von OC Oerlikon klar.
Jürg Fedier macht das Management Spaß: Deutlich zu viel Spaß, als dass er sich aus dem Topmanagement schon wieder zurückziehen wollte: „Ich fühle mich viel jünger“, sagt Fedier – Jahrgang 1955 – und lacht dabei ein bisschen lausbübisch, so als hätte die bisherige Zeit in Finanzpositionen keine Kraft gekostet. Dabei dürfte das Gegenteil der Fall sein. Fedier hat den Schweizer Technologiekonzern OC Oerlikon, eine nationale Ikone, vor dem Exitus bewahrt.
Als er 2009 zu Oerlikon kommt, sieht es noch ganz anders aus. Nach fast 28 für Fedier erfüllenden und lehrreichen Jahren im Treasury von Dow Chemical (Fedier: „In dem Bereich macht mir so schnell niemand etwas vor“), wo ihm indes der letzte Sprung an die Spitze der globalen Finanzfunktion verwehrt bleibt, entschließt sich Fedier zur Rückkehr nach Europa und wird 2007 Ciba-CFO. Man muss die Komfortzone irgendwann verlassen, ist er heute nun überzeugt.
Schon 2008 jedoch kauft der Dow-Erzrivale BASF den Spezialchemiehersteller. Dort zu bleiben ist für Fedier dann unvorstellbar: „Das ging nicht.“ Es folgt ein Branchenwechsel zum Maschinenbauer Oerlikon, wo er die Finanzfunktion zum Jahreswechsel 2009 übernimmt. Doch was man dem Schweizer zum Amtsantritt als eine „kleine Restrukturierung“ ankündigt, entpuppt sich schon bald als ein Kampf auf Biegen und Brechen.
OC Oerlikon hat sich unter der Ägide des österreichischen Finanzinvestors Victory zu einer wahnwitzigen Strategie hinreißen lassen. OC Oerlikon sollte dem Willen von Victory nach zu einer Art Schweizer GE werden. Dazu hatte der Konzern den Naturfaserhersteller Sauer übernommen, zudem noch den Antriebshersteller Graziano – und dafür einen neue Kredit von über 2,5 Milliarden Franken aufgenommen, der schon bald zum Mühlstein wird. Der Umsatz des Konzerns von gut 2 Milliarden Franken vor den M&A-Deals wächst auf über 5 Milliarden Euro na an – eine Ausgangssituation, die von der Proportion und dem Ehrgeiz ein wenig an den Conti-Schaeffler-Deal erinnert.
Die Zyklizität der Branche deckte sich jedoch nicht mit Finanzierungsstruktur des Konzerns, erzählt Fedier. Als OC Oerlikon dann nicht nur von der Finanz-, sondern auch von der Textilkrise erfasst wird, steht der Konzern Ende 2009, Anfang 2010 kurz vor dem Aus.
In letzter Sekunde gelingt Fedier die Refinanzierung. Einem Kapitalschnitt folgt die Rekapitalisierung des Konzerns auf der Eigen- und Fremdkapitalseite der Bilanz. Fedier gelingt auf Basis der starken operativen Erholung Oerlikons auch finanziell ein Comeback. Schon 2012 kann er 1 Milliarde Franken an Fremdkapital aufnehmen – ganz ohne Besicherung.
Inzwischen verfügt Oerlikon über eine Nettoliquidität von fast 1 Milliarde Franken. Selbst nach dem Abschluss der Akquisition des Beschichtungssparte MetCo. von Sulzer, der ersten Großakquisition nach einer Serie von Desinvestitionen, soll noch ordentlich Puffer für weitere M&A-Deals sein, die auf die Segmente Coating und Vacuum entfallen könnten.
Privat findet der Vater von zwei erwachsenen Kindern, die er mit seiner deutschen Ehefrau hat, nun wieder mehr Zeit für eigene Hobbies. Fedier fotografiert, liest gerne Belletristik „kreuz und quer“, wie er sagt, sammelt moderne Kunst. Seine Sammlung chinesischer Kunst nebst weiteren Werken stellt neben dem Kunstschaffenden auch die Renditeansprüche des privaten Asset Managers Fedier zufrieden: „Ein gutes Investment“, freut sich der Finanzchef.
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