Wie das Vonovia-Controlling mit einem digitalen Zwilling das Geschäft steuert

Fast 480.000 Wohnungen in Deutschland gehören zum Portfolio von Vonovia. Dementsprechend gibt es viel zu tun für VTS, den technischen Service des größten deutschen Wohnungsunternehmens. Als konzerninterner Dienstleister kümmert sich die Handwerkerorganisation mit insgesamt fast 5.000 Mitarbeitenden um die Instandhaltung und Sanierung der Bestandsimmobilien von Vonovia. Etwa 800.000 Reparaturaufträge und 12.000 Wohnungsmodernisierungen fallen dabei jährlich an. Die Leistung summiert sich auf etwa 900 Millionen Euro. Damit ist auch klar: Wenn die Mitarbeiter in den 20 VTS-Standorten Kundenanfragen und Aufträge von der kaputten Heizung bis zur umfangreichen Modernisierung abwickeln, hinterlassen sie dabei reichlich Daten im ERP-System. Doch diese haben die Bochumer lange Zeit wenig konsequent für die Steuerung des operativen Geschäfts und die Führung der Handwerkerteams genutzt. Das Vonovia-Controlling baut einen digitalen Zwilling Das hat sich mittlerweile geändert: Die Vonovia-Controller um Controlling-Bereichsleiter Torsten Akelbein haben vor etwa fünf Jahren damit angefangen, die Daten zu heben und einen digitalen Gebäudezwilling zu schaffen. Dieser bündelt tagesaktuell finanzielle und operative Daten, darunter Gebäude-Stammdaten, Erlöse, Stückkosten sowie alles rund um die Auftragsbearbeitung inklusive Zeitwirtschaft. Info Vonovia Der Konzern ist mit 535.000 Wohnungseinheiten in Deutschland, Schweden und Österreich ein führendes europäisches Wohnungsunternehmen. Die Bochumer sind seit 2013 börsennotiert und seit 2015 im Dax gelistet. Aufbauend auf den Daten werden sogenannte User Stories erstellt, die die reale Wertschöpfung vom Eingang bis zur Fertigstellung eines Auftrags abbilden. Das Ziel: die Prozesse verstehen, Wirtschaftlichkeit, Produktivität und Qualität nachverfolgen sowie letztlich die Handwerkerteams bundesweit mit den richtigen KPIs an der Hand faktenbasiert steuern und führen. Durch neue, digital gestützte Planungs- und Forecasting-Prozesse wurden zudem der Planungsaufwand deutlich reduziert und die Qualität der Forecasts verbessert. „Ziel war es, die großen Hebel im Operativen umzulegen, um so letztlich die Servicequalität zu verbessern und die Stückkosten zu senken“. Timo Langemann, kaufmännischer Geschäftsführer von VTS Vonovias Handwerker sollen effizienter arbeiten Ein wesentlicher Grund, das Projekt digitaler Zwilling anzugehen, war, das Asset Management mit neu zugänglichen Daten zu verbessern. Ein Beispiel hierfür ist die langfristige Planung für das Net-Zero-Ziel für den Gebäudebestand von Vonovia. Über 2045 hinaus will das Unternehmen die noch bestehenden unvermeidbaren Restemissionen ausgleichen. „Wir nutzen den digitalen Zwilling, um unseren Klimapfad zu Netto-Null herzuleiten. Wir haben aber erkannt, dass wir die Daten auch stärker für die Steuerung des Unternehmens nutzen können“, berichtet Torsten Akelbein. Die Idee: Durch die neu gewonnenen, täglich aktualisierten Daten soll die Handwerkerorganisation effizienter arbeiten. „Ziel war es, die großen Hebel im Operativen umzulegen, um so letztlich die Servicequalität zu verbessern und die Stückkosten zu senken“, erläuterte der kaufmännische VTS-Geschäftsführer Timo Langemann bei der Preisverleihung des „Albrecht Deyhle Award for Controlling Excellence“, den das Vonovia-Team in diesem Jahr für seine Lösung zur Steuerung und Führung der Handwerkerorganisation gewonnen hat. „Wir laufen im Handwerk in diesem Jahr spürbar besser und konnten die Kosten pro Auftrag trotz Inflation konstant halten.“ Torsten Akelbein, Controlling-Bereichsleiter Vonovia „Vom Vorstand bis zum Monteur – weniger Anekdoten und Bauchgefühl, mehr faktenbasierte Steuerung“, lobte der Jury-Vorsitzende Utz Schäffer bei der Preisverleihung im Rahmen des 49. „Congress der Controller“ in München. Der Erfolg ist dabei laut Akelbein auch messbar: „Wir laufen im Handwerk in diesem Jahr spürbar besser und konnten die Kosten pro Auftrag trotz Inflation konstant halten. Das macht sich auch in der GuV-Rechnung des ersten Quartals positiv bemerkbar.“ Für 2024 beziffert er den Ergebniseffekt auf etwa 5 Millionen Euro – eine Größenordnung, die sich demnach auch im angelaufenen Geschäftsjahr fortsetzt. Info Albrecht Deyhle Award for Controlling Excellence Der „Albrecht Deyhle Award for Controlling Excellence“ (vormals: „Controlling Excellence Award“) wird jährlich beim „Congress der Controller“ des Internationalen Controller Vereins (ICV) vergeben. Unternehmen können ihre Projekte für die nächste Runde bis zum 31. Januar 2026 einreichen. Weitere Informationen: www.icv-controlling.com Controlling musste praxisnahe Kennzahlen definieren Kern des Datenprojekts war die Entwicklung des KPI-Systems Tivo. Es läuft in der SAP Analytics Cloud (SAC) und ist damit mit der bestehenden SAP-Landschaft des Wohnungsbaukonzerns verbunden. Erfasst werden darin Kennzahlen wie die Anzahl der fertiggestellten Aufträge pro Tag und je Monteur oder die Kosten pro Auftrag, differenziert etwa nach Gewerk und Schadenscode. Damit lässt sich die Performance der Handwerkerteams und der Standorte nachverfolgen und mit den richtigen Stellschrauben deren Effizienz und Leistung verbessern. Auch ein Vergleich mit den Teams anderer Standorte ist möglich. Wichtig sei es gewesen, KPIs zu entwickeln, die nah am Arbeitsalltag der Monteure, Disponenten und Bauleiter sind, betonte Langemann. Dazu habe man die Komplexität reduzieren und wenige wesentliche Kennzahlen und deren Treiber identifizieren müssen. Nutzer der Analyse-Dashboards schulen Dabei habe man schnell gemerkt, wie wichtig die Datenqualität sei. „Es bringt nichts, KPIs zu definieren, die man am Ende nicht richtig messen kann.“ Daher hat das Vonovia-Team zunächst in Excel Dummies gebaut und Kennzahlen mit Echtdaten getestet, um auf dieser Basis gemeinsam mit den operativen Verantwortlichen zu diskutieren, welche Erkenntnisse sich tatsächlich daraus ableiten lassen und wo eventuell noch nachgebessert werden muss, etwa beim Filtern der Daten. Um die Mitarbeiter bei den neuen Analysemöglichkeiten zu schulen, wurden unter anderem Online-Klicktrainings durchgeführt. Entscheidender waren für Langemann aber Workshops, in denen die mehr als 500 Nutzer, die täglich mit den SAC-Dashboards arbeiten – Leitende vor Ort, Sachbearbeiter und Disponenten –, aber auch Betriebsräte praxisnahe Fallstudien durchgearbeitet haben. Der ICV-Vorsitzende Matthias von Daacke (links) und der Jury-Vorsitzende Utz Schäffer (rechts) zusammen mit dem Team von Vonovia (von links): Dustin Joest, Torsten Akelbein, Frédérique Stiemerling und Timo Langemann. Foto: Flo Huber Predictive Forecasting: 50 Prozent weniger Budgetgespräche Neben dem Steuern der Handwerkerteams werden die Daten sukzessive auch in Verbindung mit Predictive-Lösungen genutzt. So gibt es derzeit einen rollierenden Forecast auf 18 Monate von Personal- und Sachkosten. „Eine Predictive-Lösung ist ehrlicherweise nichts, womit man einen Preis gewinnt, aber wir konnten damit unsere bisherigen Forecasting-Prozesse ersetzen“, so beschreibt Controller Akelbein die hohe Praxisrelevanz für Vonovia. Die neuen Methoden und Tools haben dabei laut Akelbein nicht nur die Qualität verbessert, sondern auch den Aufwand deutlich reduziert: Die Zeit für die Forecast-Erstellung hat sich demnach in etwa halbiert. Zudem habe man fast die Hälfte der Budgetgespräche ersatzlos streichen können. Investitionen mit Predictive-Methoden steuern Ein weiterer Bereich, in dem das Unternehmen überlegt, Predictive-Methoden zu nutzen, ist die Steuerung der Investitionen, die in die Modernisierung des Immobilienbestands fließen. Diese will Vonovia auf eine Größenordnung von mehr als 1 Milliarde Euro hochfahren. „Hier stehen wir aber noch relativ am Anfang“, sagt Akelbein, der bei seinem Vorhaben auf ein eigenes kleines Datenteam zurückgreifen kann. Auch das ist etwas, das den Controlling-Bereichsleiter freut: Insgesamt stärke die zunehmend datengetriebene Steuerung des Unternehmens die Rolle des Controllings im Konzern, weil dort die Datenexpertise liege und die Methoden verantwortet würden, so sein Fazit, als er den Controlling-Preis entgegennahm.

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