Währungskrieg, Wechselkursmanipulation – die Rhetorik, mit der einige Ökonomen und Medien nach der plötzlichen Abwertung des Renminbi gegen China geschossen haben, war scharf. Sicher: Die Abwertung stützt den schwächelnden chinesischen Export, und die chinesischen Behörden haben mit ihrer unglücklichen Kommunikationspolitik – in den ersten Tagen war zunächst von einem einmaligen Schritt die Rede – nicht gerade für Klarheit gesorgt. Doch schaut man sich das Vorgehen der chinesischen Zentralbank People’s Bank of China (PBoC) genauer an, erkennt man: Seit vergangener Woche übt sie tatsächlich nicht mehr, sondern weniger Einfluss auf den Renminbi aus als zuvor.
„Bislang hat die PBoC die tägliche 2-Prozent-Spanne, in welcher der Renminbi gegenüber dem US-Dollar in beide Richtungen schwanken kann, immer unabhängig vom Vortagskurs festgesetzt“, sagt Sven Jürgensen, Head of Corporate FX Sales bei der HSBC in Deutschland. „Jetzt orientiert sich das Fixing am Schlusskurs des Vortages. Damit überlasst China den Renminbi stärker den Marktkräften.“ Nach der neuen Methode könnte die chinesische Währung nun um bis zu 10 Prozent innerhalb einer Woche schwanken – eine durchaus große Spannbreite.
Renminbi-Abwertung: Korrektur statt Manipulation
Das rückt auch die Kursbewegungen des Renminbi in ein anderes Licht. Demnach handelt es sich um eine Korrektur und nicht um eine Manipulation: Die chinesische Währung hatte innerhalb von vier Tagen 3,1 Prozent an Wert gegenüber dem US-Dollar und 4,8 Prozent gegenüber dem Euro verloren. Inzwischen hat sich der Kurs bei 6,39 US-Dollar aber wieder stabilisiert.
Seit der begrenzten Freigabe vor rund zehn Jahren hatte der Renminbi nahezu kontinuierlich aufgewertet und mehr als 25 Prozent an Wert gegenüber dem US-Dollar gewonnen, der wiederum seinerseits gegenüber vielen anderen Weltwährungen wie Euro oder Yen zulegte. Als unterbewertet galt die chinesische Währung vielen Experten daher schon lange nicht mehr, einige attestierten gar eine Überbewertung.
IWF lobt China für neues Wechselkursregime
Inzwischen hat auch der Internationale Währungsfonds (IWF) China für den Schritt gelobt. Mit der Reform nähere sich der Renminbi einer frei schwankenden Währung an, sagte der IWF-Vertreter für China, Markus Rodlauer. China darf sich damit Hoffnung machen, dass seine Währung in einem Jahr in den Korb der Sonderziehungsrechte (SDR) des IWF aufgenommen wird. Der IWF hatte Anfang August seine Entscheidung über die künftige Zusammensetzung des Währungskorbs um neun Monate auf September 2016 verschoben.
Dieser Aspekt ist wichtig, um das neue Wechselkursregime Chinas zu verstehen. Schließlich ist es seit Jahren Ziel der Regierung, den Renminbi als Reservewährung für internationale Zentralbanken zu etablieren. Dafür ist die Aufnahme in den IWF-Korb essentiell. Dies wäre die logische Folge einer seit langem andauernden Entwicklung: Mit zahlreichen Liberalisierungen hat es China geschafft, dass der Renminbi inzwischen unter den Top-5-Währungen im weltweiten Zahlungsverkehr angekommen ist. Jetzt scheint die Zeit reif für den nächsten Schritt.
Renminbi-Volatilität wird steigen
Überraschend kam daher eigentlich nur der Zeitpunkt der Reform, denn in der Regel kündigt China seine Liberalisierungsschritte zuvor an. Unvorbereitet traf der Schritt die meisten CFOs und Treasury-Chefs aber dennoch nicht: Seit die PBoC im März 2014 die tägliche Handelsspanne der chinesischen Währung auf 2 Prozent verdoppelt hat, ist die Renminbi-Absicherung in den Fokus deutscher Finanzabteilungen gerückt.
FINANCE-Recherchen zufolge haben viele deutsche Unternehmen den Renminbi inzwischen in ihr FX-Management integriert. Sie sichern das Kursänderungsrisiko mit klassischen Forwards oder sogenannten Non deliverable Forwards (NDF) ab. „Dank der Liberalisierung ist inzwischen ausreichend Liquidität auf den Märkten vorhanden. Treasurern stehen die verschiedensten Instrumente und Laufzeiten zur Kurssicherung zur Verfügung“, sagt FX-Experte Jürgensen.
Renminbi-Hedging auf den Prüfstand stellen
Die großen deutschen Auto-Konzerne – die als Exporteure nach China ein besonders großes Renminbi-Exposure haben – ließen daher auch sofort mitteilen, die Abwertung habe kaum Auswirkungen auf das operative Geschäft. BMW ist nach Angaben eines Sprechers für das laufende Jahr in den Hauptwährungen, zu denen auch der Renminbi gehört, bereits zum größten Teil gegen Schwankungen geschützt. Auch Daimler ist nach Konzernangaben für 2015 „nahezu vollständig gesichert“, für das kommende Jahr seien bereits 60 Prozent der geplanten Zahlungsströme in Renminbi gehedgt.
Doch einige Treasury-Chefs werden umdenken müssen: „Spätestens jetzt sollten Unternehmen den Renminbi als eigenständige, weitgehend frei schwankende Währung betrachten“, sagt HSBC-Banker Jürgensen. Das heißt vor allem: Sogenannte Proxy-Hedges funktionieren nicht mehr. In diesem Fall wird das Renminbi-Exposure wie das US-Dollar-Exposure behandelt und in diesem Rahmen mitabgesichert. Doch die Kopplung des Renminbi an den Dollar ist endgültig Geschichte.
Trotzdem nutzen einige deutsche Großkonzerne noch immer diese Strategie. Indes: Je unabhängiger der Renminbi wird, umso weniger adäquat ist dieser Ansatz. Künftig könnte das Proxy-Hedging des Renminbi deutsche Unternehmen teuer zu stehen kommen.