Deutsche Großkonzerne begehren gegen den Entwurf der EU-Aktionärsrechterichtlinie auf. Vertreter von 13 Dax-Unternehmen äußerten sich kürzlich bei einer Veranstaltung des Emittentenberatungsunternehmens Computershare besorgt über die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Änderungen an der Richtlinie.
Besonders zu schaffen machte ihnen der Plan, dass künftig die Aktionäre verbindlich über die Vergütungsmodelle von Vorständen abstimmen sollen (Say on Pay). Das letzte Wort obliegt bislang dem Aufsichtsrat. „Die Unternehmen rechnen damit, dass durch eine solche Regel ihre Suche nach qualifizierten Kandidaten für den Aufsichtsrat weiter erschwert wird“, gibt Thomas Licharz von Computershare den Tenor der Veranstaltung wider. Der ohnehin hohe Rechtfertigungsdruck des Kontrollgremiums würde weiter steigen – mit der Folge, dass der mögliche Kreis der Personen, die das Amt ausüben wollen, weiter sinke.
Die Bundesregierung will Say on Pay – oder sie wird dazu gezwungen
Die Unternehmen werden Say on Pay jedoch kaum verhindern können. Zwar war ein entsprechendes Gesetz kurz vor der Bundestagswahl im vergangenen September gescheitert, SPD und Grüne hatten im Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen, der dann aber wegen der Wahl nicht mehr tagen konnte. Doch die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, eine solche Regelung grundsätzlich einzuführen – trotz massiver Kritik von allen Seiten.
Spätestens 2017 würde Deutschland von der EU dazu aber wohl auch gezwungen. So sieht es der aktuelle Zeitplan der im April vorgelegten Änderung der Aktionärsrechterichtlinie vor. Ab der Berichtssaison 2018 müsste die Hauptversammlung dann über das Vergütungssystem von CEO, CFO und Co. abstimmen. Dabei soll auch das Verhältnis der Vorstandsgehälter zum durchschnittlichen Einkommen der übrigen Belegschaft eine Rolle spielen. Das Unternehmen soll angeben wie dieses Verhältnis aussieht – und warum es dies für verhältnismäßig hält. Eine ähnliche Regelung hat kürzlich auch der Corporate-Governance-Kodex in seine Richtlinien eingebaut.
Die EU erschwert bestimmte M&A-Deals
Doch die Neuregelung der EU-Richtlinie geht noch deutlich weiter als die Pläne der Bundesregierung: Die Aktionäre sollen auch mehr Einfluss auf Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen (related party) erhalten – das gilt beispielsweise für Abspaltungen von Konzernteilen oder Joint-Venture-Gründungen.
Um Minderheitsaktionäre zu schützen, sollen derartige Transaktionen, die mehr als 5 Prozent des Vermögens des Unternehmens betreffen, den Aktionären künftig im Rahmen einer Hauptversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Die Transaktion darf erst nach dem HV-Beschluss vollzogen werden. „Das würde unter Umständen dazu führen, dass Hauptversammlungen entweder deutlich länger werden – oder dass die Zahl der außerordentlichen HVs steigt, wenn es besonders dringend ist“, schildert Licharz die Bedenken der Dax-Unternehmen – die das Geschäft von Computershare wiederum durchaus begünstigen: Die Arbeit für Hauptversammlungsdienstleister steigt. Manche M&A-Deals könnten für CFOs schwieriger zu handhaben werden – insbesondere für Großkonzerne mit vielen Tochtergesellschaften und Beteiligungen.
Auch Aktionäre werden die Pflicht genommen
Zwei weitere Bereiche der Regulierung dürften CFOs dagegen grundsätzlich entgegenkommen. Denn die EU will nicht nur die Mitbestimmungsrechte der Aktionäre stärken, sondern diese auch mehr in die Pflicht nehmen. So soll transparent gemacht werden, wer die Aktionäre des Unternehmens sind. „Bei Inhaberaktien können Unternehmen aufgrund der Verwahrketten oft kaum identifizieren, wer tatsächlich dahinter steht“, sagt Licharz. „Das gilt jedoch auch bei Namensaktien im Auslandsbesitz: Denn hier ist es weit verbreitet, dass die Aktionäre so genannte Nominees im Aktienregister eintragen.“ Das soll sich nun durch Offenlegungspflichten der Zentralverwahrer – in Deutschland wäre es Clearstream – ändern.
Außerdem müssten Investoren künftig nach dem Willen der EU mitteilen, ob und wie sie bei der Hauptversammlung abgestimmt haben. Das Verhalten ihrer Anleger besser einschätzen zu können, dürfte die Arbeit der CFOs und Investor-Relations-Verantwortlichen begünstigen. Ob sich diese Transparenzpflichten aber rechtlich durchsetzen lassen, ist noch offen.
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