Wissen ist Trumpf, Unwissen oft teuer: Deutsche Small-Cap-Unternehmen kennen ihre eigene Aktionärsstruktur im Vergleich zu ihrer Peer-Group nicht ausreichend, sagt Cometis-Vorstand Michael Diegelmann. Gerade dies jedoch sei essentiell für die zielgerichtete Ansprache von Investoren. Er argumentiert: Wer die eigene Investorenstruktur besser kennt, kann seine Aktie attraktiver machen, die eigene institutionelle Aktionärsbasis diversifizieren und – damit einhergehend – auch Risiken minimieren.
So weit so gut: Doch wie börsennotierte Mittelständler angesichts begrenzter eigener Ressourcen tatsächlich zu ihren Investoren finden und was diese erwarten, war gestern gleich mehrfach Gegenstand der Diskussion bei der von Cometis und dem IR-Club ausgerichteten Investor-Relations-Konferenz in Frankfurt.
Auf unterschiedlichen Wegen können IR-Abteilungen und der CFO ihre Zeiteffizienz erhöhen. Online Targeting verstärke die Beziehung und das Verständnis zwischen Emittent und Investor, argumentierte Brendan Fitzpatrick von MD Analytics & Targeting eindringlich und rief IR-Abteilungen zu: „Lagert dies nicht an Banken aus.“
Online Investor Targeting ohne Broker?
Die Welt wird digital: Investor Relation-Abteilungen müssen zukünftig womöglich einen geringeren Teil ihrer Arbeitszeit für physisch durchgeführte Roadshows und Marketingevents einplanen – ein offener Marktstandard für Videokonferenzen etabliert sich global, berichtete Fitzpatrick. Er lobt den Effizienzgewinn: So habe der S&P 500-Konzern Johnson & Johnson etwa unlängst an einem Tag sechs Onlinemeetings mit potentiellen Investoren durchgeführt, ganz ohne sich in den Flieger setzen zu müssen. Dies erhöhe auch die Möglichkeit, das Topmanagement um CFO und CEO in die Investorenansprache zu integrieren.
Online Targeting schaffe durch die unmittelbare Beziehung zwischen Emittent und Investor Transparenz und biete die Möglichkeit, von den Investoren zu lernen. „Es ist wichtig, dass das Geschäftsmodell in ein oder zwei Sätzen erklärt werden kann“, so Fitzpatrick.
Online Targeting werde physische Treffen nicht verdrängen, erhöhe aber die Effizienz des Investorenmarketings, erlaube die Identifizierung neuer Potentialinvestoren und ein besseres Verständnis der Bestandsaktionäre, glaubt Fitzpatrick. Insbesondere eigne sich das Verfahren für Second-Tier-Investors und anderweitig schwer zu erreichende Investorengruppen.
Kampfansage an Broker
Bei genauem Hinschauen dürfte es manchen Brokern doch etwas mulmig werden, zielen die Vorschläge doch eine unvermittelte Beziehung zwischen Unternehmen und Investor und gefährden zumindest potentiell die Stellung der Broker.
In Großbritannien hat die regulierende Aufsichtsbehörde Financial Conduct Authority (FCA) unlängst Missständen in der Londoner City den Kampf angesagt: Im Fokus steht der Brauch, dass Asset Manager Brokern oder Investmentmanagern Rechnungen für Treffen mit Topmanagern von Emittenten zahlen. Bis zu 12.000 Pfund stellten Banken den Fonds in Rechnung, die wiederum – nicht ersichtlich für Investoren – aus dem verwalteten Kundenvermögen entnommen wurden. Dies hat die FCA nun untersagt, nicht indes die Zahlungen für den „Corporate Access“ in Gänze. Nur sollen diese Zahlungen zukünftig nicht mehr unsichtbar für Investoren durch Client Commissions erfolgen dürfen und die Rendite der Investoren schmälern, sondern durch separate offene Rechnungen an die Asset Manager.
Roadshows in Frankfurt ohne DWS-Termin „ein Problem“
Noch sind die Folgen des Verbots offen, jedoch könnte das traditionelle Geschäft der Broker nicht zuletzt durch technische Entwicklungen bedroht sein. Michael Hufton, Geschäftsführer der Targeting Plattform Ingage rechnet mit einem hohen Veränderungsdruck, von dem er profitieren will.
In Deutschland sei die Lage dagegen ganz anders, relativierte Nils Wittenhagen, der bei Close Brothers Seydler im Institutional Sales von Aktien tätig ist. Deutschland kenne das System des Corporate Broker ohnehin nicht in dieser Form, auch sei hierzulande die Preisstellung für das Arrangieren von Terminen mit CFO und CEO nicht üblich, sagte er. Zudem werde für Research weniger bezahlt.Ein wichtiger Asset Manager habe die Marge von 20 auf 15 Basispunkte gesenkt, ein weiterer von 16 auf 10 Basispunkte. Wittenhagen wies auf die unterschiedlichen Marktstrukturen hin. Während es in London darum gehe, eine Vielzahl von Investoren zu treffen, sei eine Roadshow in Frankfurt auf eine Handvoll Adressen beschränkt:„Wenn in Frankfurt ein Roadshow-Termin mit der DWS platzt, wird dies ein Problem“, sagte Wittenhagen. Auch zukünftig sieht er eine Funktion der Broker in der „Strukturierung der Roadshows.“ Ein normaler CFO habe keine Idee, wie Broker arbeiten.
Info
Lesen Sie in Teil I unseres IR-Features, wie sich die Investorenstruktur des börsennotierten Deutschen Mittelstands verändert hat.