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Mifid 2: Muss der CFO zum Aktienverkäufer werden?

Was können CFOs kleinerer und mittelständischer Unternehmen tun, um bei Investoren weiterhin auf dem Schirm zu bleiben?
Hemera Technologies/iStock/Thinkstock/Getty Images

Die Einführung der neuen europäischen Finanzmarktrichtlinie Mifid 2 hat Emittenten wie Broker schwer gebeutelt. Zahlreiche Unternehmen sind vom Radar der Investoren verschwunden, während Broker schwere Umsatzeinbußen in ihren Research-Bereichen verzeichnen. In der Folge haben viele von ihnen hauseigene Investorenkonferenzen gestrichen – für viele CFOs in der Vergangenheit eine der wenigen Gelegenheiten, neuen Investoren ihre Unternehmen zu präsentieren.

Aggressives Marketing keine Option für Investor Relations

Müssen die CFOs und Investor-Relations-Manager kleiner und mittelständischer Unternehmen die Equity Story hinter ihrer Aktie nun stärker „pushen“, um wieder Gehör zu finden? „Der IR-Manager ist zuvorderst Erklärer, nicht Verkäufer“, warnt Kay Bommer, Geschäftsführer des Deutschen Investor Relations Verbands DIRK, vor einer Überreaktion. „Er muss das Geschäftsmodell glaubhaft erklären können und die Investoren gleichzeitig mit den damit verbundenen Risiken vertraut machen.“

Die Besonderheit: Die fest angestellten IR-Profis in den Unternehmen haben viele regulatorische Pflichten zu erfüllen. Sie haben oft überhaupt keine Zeit dafür, zum „Aktienverkäufer“ zu werden. Für diese Rolle theoretisch besser geeignet wären externe IR-Berater, getreu der Devise: Das IR-Team informiert, die IR-Agentur trommelt.

Doch auch Axel Mühlhaus, Chef des Kommunikations- und Investor-Relations-Beraters Edicto, sieht das „Trommeln“ für die eigene Aktie nicht als geeignet an, um dem Unternehmen nachhaltig zu nutzen. Er sieht seinen Mehrwert eher darin, die Informationen gegenüber den verschiedenen Stakeholdern nicht nur pflichtgemäß zur Verfügung zu stellen, sondern sie so aufzubereiten, dass sie auch verstanden werden. „Aktienmarketing ist in meinen Augen ein unpassender Begriff“, findet der IR-Experte.

„Aktienmarketing ist in meinen Augen ein unpassender Begriff.“

Axel Mühlhaus, Geschäftsführer Edicto

CFOs machen zu wenig strategische IR-Arbeit

Dies liegt auch daran, dass lautes Aktienmarketing nicht nur eine Frage schlechten Stils, sondern mitunter auch eine juristische Falltür ist. Die Grenzen in der Unternehmenskommunikation sind etwa mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht, dem Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oder der Marktmissbrauchsrichtlinie der EU klar definiert. Zu blumige Zukunftsversprechen gegenüber dem Kapitalmarkt können einen CFO die Glaubwürdigkeit kosten, bewusst falsch dargestellte Informationen darüber hinaus den Job.

Doch innerhalb dieses regulatorischen Korsetts sollten die Emittenten ihren Spielraum durchaus besser ausnutzen, als viele von ihnen es aktuell tun, meint Michael Diegelmann, Gründer und Chef der Kommunikationsberatung Cometis, die wie Edicto insbesondere mittelständische Emittenten bei der aktiven Kapitalmarktkommunikation unterstützt. „Die große Mehrheit der notierten Unternehmen schöpft die großen Chancen von strategischer IR-Arbeit nicht aus“, bewertet er den Status Quo in Deutschland und Europa. Die gleiche Position vertreten auch die beiden Partner der internationalen IR-Agentur CNC, Harald Kinzler und Matthew Tomlinson, die eher größere Unternehmen betreuen.

Diegelmann rät CFOs, bei der Investorenansprache nicht exklusiv auf die Broker zu setzen. „Ich rate CFOs dringend dazu, eigenständig Beziehungen zu Investoren aufzubauen – und dabei auch über die deutschen Grenzen hinaus zu schauen.“ Der Vorteil: Sich selbst die eigene Roadshow zu organisieren, kostet zwar wesentlich mehr Zeit, als die Arbeit dem Broker zu überlassen. Dafür sind die direkten Investorenzugänge aber auch deutlich weniger stark von Mifid 2 beeinträchtigt als der konventionelle Weg.

Online-Targeting hat sich nicht durchgesetzt

Als Türöffner hilfreich könnte Research sein, das die Unternehmen bei darauf spezialisierten Auftrags-Analysten selbst bestellen können. Doch nach wie vor haftet diesen Papieren der Ruch von Gefälligkeitsgutachten an. „Ob von den Unternehmen bezahltes Research sich ein Ansehen bei Investoren erarbeiten kann, ist noch ungewiss“, meint Verbandschef Bommer.

Ein anderer Weg, über den die Investor-Relations-Szene spricht: Online-Targeting. Dies lässt sich mit virtuellen Investorenkonferenzen vergleichen. Unternehmensvertreter schalten sich in einer Art Webinar über ein Kommunikations-Tool mit Investoren zusammen – ortsunabhängig, direkt, zeiteffizient. Doch auch dies funktioniert nur, wenn schon belastbare Beziehungen zwischen Investoren und dem CFO bestehen. „In Deutschland hat sich Online-Targeting bisher noch nicht durchgesetzt“, sagt Mühlhaus.

Wie man es also dreht und wendet: Die Investorenkommunikation ist für viele Unternehmen in diesem Jahr deutlich schwieriger und zeitraubender geworden. Die Leistungsfähigkeit und Bewegungsfreiheit der Broker ist durch Mifid 2 deutlich eingeschränkt worden. Lautstark Fantasie in der Aktie zu wecken, die nur im absoluten Erfolgsfall besteht, ist vor diesem Hintergrund eine Verlockung, der CFOs nach Meinung der Investor-Relations-Experten widerstehen sollten. Stattdessen gewinnen geschicktes Networking und die intensive Pflege bestehender Investorenkontakte erheblich an Relevanz.

redaktion[at]finance-magazin.de