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Bilfinger-CFO Joachim Müller: Der Projektmanager

Bilfinger-CFO Joachim Müller:
Bilfinger

Als er zu Bilfinger kam, fragte ihn der damalige CEO Herbert Bodner: „Wo sehen Sie sich? Auf dem Beifahrersitz oder dem Rücksitz?“, erinnert sich Müller. Keine Sekunde dürfte Müller gezögert haben, denn: „Wer hinten sitzt, kann nichts entscheiden.“ Co-Pilot gefällt Joachim Müller als Jobprofil viel besser. Der Finanzvorstand, so wie Müller die Rolle versteht, ist auch operativ tätig. Man trifft ihn ebenso oft in der Zentrale an wie unterwegs. Müller ist bei Bilfinger auch für Einkauf, IT und Corporate Projects zuständig, dazu für Investor Relations. Das ist weit mehr als Innendienst.

Dass er CFO wurde, ist weder Zufall noch das Ergebnis eines ausgefeilten Kalküls. „Ich hatte keinen Karriereplan“, gibt  Joachim Müller zu. Er wollte einen Beruf, der ihn fordert, etwas mit einem breiten Aufgabenspektrum. Pilot – auch das hätte sich der 53-Jährige vorstellen können, wäre die Sache mit den Augen für den Brillenträger nicht schwierig gewesen. Mediziner wurde sein Bruder, der Vater war in der Autoindustrie. Dann also Volkswirtschaft. Nach dem Studium beginnt er in der Wirtschaftsprüfung bei Arthur Andersen, „um sich breit aufzustellen.“ An seinem damaligen Chef Christoph Groß, später Managing Partner, lernt er die Arbeitsintensität und Souveränität schätzen. Doch bald schon werden ihm die Testate und Due-Diligence-Bewertungen zu speziell. Er beginnt einer Karriere in der Software-Industrie.

Akribischer Arbeiter bei Bilfinger

Viel Arbeit ist für Müller die Basis von Erfolg. Doch versucht er,  gewisse Grenzen einzuhalten: „70-Stunden-Wochen hält man auf Dauer nicht durch“, ist Müller überzeugt – selbst wenn diese phasenweise dazugehören. So wie 1999, als sein damaliger Chef Volker Dawedeit, CFO der Software AG, ihn mit den Vorbereitungen des IPOs beauftragte: „Das ist jetzt Ihr Thema. Bauen Sie mal ein konzernweites Reporting auf““ Der erfolgreiche Börsengang war Müllers  erster großer Erfolg.

Damals sagt sich der Leiter Finanzen: Den Sprung zum CFO schaffe ich auch. Dieser Schritt gelingt ihm dann bei SAP SI. Als der Mutterkonzern SAP  die Tochter integriert, fehlt ihm die Gestaltungsfreiheit: „Ich wollte gern wieder CFO werden.“ Bei Bilfinger, einem Konzern, der sich verwandeln will – vom biederen, margenschwachen Baukonzern in ein  modernes, deutlich ertragsstärkeres Dienstleistungsunternehmen ergreift er 2008 die Chance. Und bereitet sich selbst das Feld für seine nächste Herausforderung: Durch den Verkauf des australischen Baugeschäfts Valemus im Jahr 2011 ist Bilfingers Kriegskasse gut genug gefüllt, um den Konzernumbau durch eine Reihe von Zukäufen deutlich zu forcieren.

CFO Müller: Konzerntransformation durch M&A

Anderthalb Jahre später sind nun knapp 30 Zukäufe geschafft – ohne im M&A-Bereich ein „stehendes Heer“ mit Inhouse-Professionals aufzubauen. „Die M&A-Agenda ist eine Hauptbelastungsachse des Managements“, sagte CEO Roland Koch unlängst. Müller ergänzt: „Das Management geht tief rein in die Transaktionen.“

Praktisch heißt das, dass ständig zwei bis drei Themen in der Due Diligence parallel laufen, denn mittlere und größere Transaktionen müssen über die Zentrale laufen. Wer seine Detailliebe kennt, ahnt, was das bedeutet. „Das ist ein Stretch“, kommentiert Müller. 1,7 Milliarden Euro an Goodwill stehen nun in der Konzernbilanz, annähernd so viel wie Eigenkapital vorhanden ist – und das noch vor der Halbzeit der M&A-Agenda. Bislang deutet zwar nichts auf Wertberichtigungen hin, aber einen Fehlschlag im M&A können sich Müller und Koch nicht erlauben, wenn sie die definierten Ziele schaffen wollen.

Ein Leben in der Kurpfalz

Diesem Druck versucht der Finanzchef in seiner Freizeit zu entfliehen. „Man muss Schwerpunkte setzen können“, sagt Müller. Meetings nach 18 Uhr müssten nicht sein, denn „man muss sich auch Freiheitsräume nehmen.“ Die sucht er bei Ausflügen und gemeinsamen Urlauben mit den erwachsenen Kindern. Müller liebt die Rheinebene und den Odenwald für Radtouren und zum Laufen. Dort dürfte er fast jedes Astloch kennen, immerhin hat er sein ganzes Leben in der Rhein-Main-Neckar-Region zugebracht, was sein leicht kurpfälzisch gefärbtes Idiom verrät. Frankfurt war sein weitester Ausflug in den Norden.

Diese Beständigkeit passt zu einem CFO, der in einem Traditionskonzern den Kulturwandel vorantreibt. Müller, der sich selbst als „zuverlässig, durchsetzungsstark“ beschreibt, setzt auf persönliche Treffen statt Emails und hat sich dadurch die neue Konzernkultur so akribisch angeeignet wie kaum ein zweiter Manager im Bilfinger-Konzern.

Seine eigene Abteilung hat Müller nicht vergrößert. Aber obwohl er noch regelmäßigen Kontakt zu seinem Vorgänger Jürgen Schneider hält, der 19 Jahre lang das Finanzressort bei Bilfinger geleitet hatte, hat Müller den Fokus der Finanzabteilung  stark verändert. Neu aufgebaut hat er eine kleine M&A-Abteilung, das Beteiligungscontrolling und das Ressort Corporate Projects, in dem IT-Projekte angesiedelt sind. Das neue konzernweite Reportingsystem ist am Monatsanfang scharf gestellt werden – Müllers zweites Schlüsselprojekt neben den zahllosen Zukäufen.
 
Im persönlichen Gespräch ist zu spüren, wie viel Müller daran liegt, dass ihm in einigen Jahren ein erfolgreiches Transformations- und M&A-Projekt bei Bilfinger bescheinigt wird. Das wäre auch eine gute Referenz für einen möglichen nächsten Schritt in den Jahren nach 2016, wenn die M&A-Pipeline abgearbeitet ist. Dieser könnte auch ganz nach oben führen. Müller hätte dann wohl nichts gegen ein neues Projekt einzuwenden. Aber gemach, bremst Müller: „Ein CFO denkt immer an die Machbarkeit mit.“ 

marc-christian.ollrog[at]finance-magazin.de

Info

Joachim Müller begann seine Karriere als Wirtschaftsprüfer bei Arthur Andersen. 1997 wechselte der 53-jährige Volkswirt zur Software AG, wo er als Leiter Finanzen den IPO betreute. Von dort ging er 2002 als CFO und COO zu SAP SI. Dort besetzteer zugleich internationale kaufmännische Führungspositionen der SAP AG, zuletzt als Vizepräsident des Corporate Finance der SAP Group.  Im November 2008 wurde er in den Vorstand von Bilfinger berufen, wo er 2011 den Verkauf von Valemus Australia durchführte und seitdem knapp 30 M&A-Deals abgewickelt hat. Ende des 1. Quartals wurde das konzernweite Reportingsystem scharf geschaltet worden. Müller ist geschieden und Vater von zwei erwachsenen Kindern.

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