Auch Finanzinvestoren müssen sich in Zukunft auf empfindliche Bußgelder einstellen, wenn eines ihrer Portfoliounternehmen an einem Kartell beteiligt ist. Zwar mussten Muttergesellschaften schon bisher mit einer gesamtschuldnerischen Haftung für Geldbußen bei einer Kartellbeteiligung ihrer Töchter rechnen. Finanzinvestoren waren von dieser Entscheidungspraxis jedoch kaum betroffen. Mit Ausnahme von Arques Industries, einem PE-Investor, der 2009 für das Kartell eines Beteiligungsunternehmens sanktioniert wurde, standen Finanzinvestoren als mithaftende Muttergesellschaften bislang nicht im Fokus der europäischen Kartellbehörden.
An dieser Entscheidungspraxis hat die Europäische Kommission nun gerüttelt. Sie hat vor kurzem gegen die Bank Goldman Sachs eine Kartellgeldbuße verhängt. Anlass war ein Kartell zwischen mehreren Kabelherstellern, an dem unter anderem das italienische Unternehmen Prysmian beteiligt war. Die Firmen hatten nach Ansicht der Kartellbehörde zwischen 1999 und 2009 illegal Kunden und Märkte aufgeteilt. PE-Investor Goldman hatte über seinen Fonds GS Capital Partners 2005 eine Mehrheitsbeteiligung an Prysmian übernommen, 2007 den Anteil dann auf 43 Prozent reduziert. Von den Kartellabsprachen wusste Goldman Sachs nach eigenem Bekunden nichts.
Keine Ausnahme für PE-Investoren
Für die Kommission war das unerheblich – für sie zählte allein, dass Goldman als Investor Einfluss auf Entscheidungen bei Prysmian genommen hat. Goldman und Prysmian wurden als „wirtschaftliche Einheit“ und damit als ein einziges Unternehmen im Sinne des Kartellrechts angesehen. „Bei einer Beteiligung von nahezu 100 Prozent vermutet die Kommission einen solchen Einfluss, liegt der Anteil darunter, muss die Einflussnahme nachgewiesen werden“, erklärt der Kartellrechtler Christian Heinichen, Partner der Kanzlei Beiten Burkhardt. Entscheidend sei eine Gesamtbetrachtung aller wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Verbindungen. Das Bußgeld gegen Goldman bestätige, dass dies aus Sicht der Kommission uneingeschränkt auch für PE-Investoren gelte.
PE-Investoren hatten sich bislang damit verteidigt, als reine Finanzinvestoren einer Bußgeldhaftung für Kartellverstöße ihrer Portfoliounternehmen nicht zugänglich zu sein. Dieser Verteidigung hat die Kommission eine klare Absage erteilt. „Bereits Vetorechte bei strategischen Fragen, der Austausch einzelner Mitglieder des Managements oder regelmäßige Berichtslinien können ausreichen, um nicht mehr als reiner Finanzinvestor, sondern als ein Investor angesehen zu werden, der einen bestimmenden Einfluss ausübt“, sagt Heinichen. Für die Haftung von Goldman soll entscheidend gewesen sein, dass Goldman Board-Mitglieder entsandt und damit strategische Entscheidungen von Prysmian beeinflusst hat sowie regelmäßig über deren Geschäftsaktivitäten informiert wurde.
Kartellrechts-Due-Diligence und Compliance-Überwachung
Gerade für PE-Investoren könnte die Kartellhaftung damit auch in der Höhe nahezu uferlos werden. Das Bußgeld darf laut Gesetz bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes betragen – „das bezieht sich allerdings auf den Umsatz der gesamten wirtschaftlichen Einheit, der des Investors wird also dazu gerechnet“, sagt Heinichen. Dies erhöhe den Spielraum immens, den die Behörden bei der Festsetzung einer Geldbuße ohnehin haben.
„Diese Gefahren übersehen Investoren oft, wenn sie Beteiligungen kaufen“, warnt Heinichen. „Die Risiken sind nicht mit der Aufnahme von Garantieklauseln in den Kaufvertrag erledigt.“ Stattdessen müsse der Investor eine gründliche kartellrechtliche Due-Diligence-Prüfung beim Kauf durchführen und später auch nachhalten, dass sein Portfoliounternehmen über geeignete Compliance-Strukturen zur Vermeidung von Kartellverstößen verfügt. Heinichen: „Und das ist eine Aufgabe, die viele Investoren bislang nicht auf dem Schirm haben.“