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Eine neue Zeitrechnung

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Die Unternehmenszentrale der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH in München ist - als erster Bürokomplex in Europa - nach den Prinzipien des Feng Shui errichtet worden. Wie eine grüne Lebensader ziehen sich glasüberdachte Hallen durch die verschiedenen Teile des Baus und verbinden sie zu einer harmonischen Einheit. Bildquelle: BSH

Lichtdurchflute Eingangshalle, plätscherndes Wasser, grüne Palmen und frische Luft – die Zentrale der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH ist eine eindrucksvolle Erfahrung für sämtliche Sinne. Im engbesiedelten Wohngebiet München Neu-Perlach erwartet man nicht eine solch großzügig angelegte Unternehmenszentrale, die nach der Jahrtausende alten chinesischen Kunst Feng Shui eingerichtet ist, „damit die Mitarbeiter in Harmonie mit der Umgebung arbeiten können“, heißt es seitens der BSH-Pressestelle. 

Der Hausgerätehersteller hat sich dabei von China, wo er seit 1994 präsent ist und wo inzwischen sein zweitgrößter Markt nach Deutschland ist, inspirieren lassen.  Heute hat das 1967 als Joint Venture der Robert Bosch GmbH und der Siemens AG gegründete Unternehmen dort sieben  Tochtergesellschaften an drei Fertigungsstandorten in Chuzhou, Nanjing und Wuxi. Im vergangenen Jahr konnten die Münchener ihre Umsätze im Reich der Mitte um etwa ein Drittel auf 980 Millionen Euro (Konzernumsatz 2010 insgesamt: rund 9 Mrd. Euro) steigern – und so soll es weitergehen. Der chinesische Markt soll ausgebaut werden, mit „Produkten, die der chinesischen Kultur entsprechen und sich deshalb deutlich von den europäischen Produkten unterscheiden“, heißt es im Geschäftsbericht 2010.

Um diesen Wachstumskurs langfristig finanzieren zu können, stellte der BSH-Group-Treasurer Kai Schrickel die Finanzierung im Reich der Mitte jetzt auf eine komplett neue Basis: „Wir haben einen dreigeteilten Finanzierungsmix in China angestrebt, um das Laufzeitenprofil zu strecken“ sagt Schrickel, der 1996 erstmals im Reich der Mitte war . Ein wesentlicher Bestandteil der neuen Finanzierung sollte auf jeden Fall ein Renminbi-Bond außerhalb des chinesischen Festlandes sein.

Neuer Finanzierungsmix

Bislang hatte sich die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (oder die BSH) in China, wie es dort traditionell üblich ist, insbesondere über Eigenkapital und über Zahlungsziele finanziert. Desweiteren wurden bei Bedarf Wechsel mit Laufzeiten zwischen drei und sechs Monaten diskontiert, um Liquidität zu generieren. Ab und an gab es auch die Möglichkeit kurzfristig Bankkredite in sehr übersichtlichen Größenordnungen und sehr kurzen Laufzeiten aufzunehmen. „Damit war dort im Wesentlichen die Welt zu Ende“, sagt Schrickel, der regelmäßig nach Asien fliegt, um sich ein aktuelles Bild der Lage zu machen und über aktuelle Entwicklungen im Finanzierungsmarkt informiert zu sein. Onshore-Renminbi-Bonds sind derzeit beispielsweise nur für chinesische Unternehmen mit lokalem Rating ein Thema. „Wir haben uns das angeschaut und die Akten dann ziemlich schnell wieder in den Schrank gestellt“, verrät Schrickel. Der Zeitpunkt für solch ein Instrument ist für deutsche Unternehmen noch nicht gekommen.

Deshalb will der Hausgerätehersteller die Finanzierung zukünftig zu je einem Drittel über Intercompany-Loans aus Deutschland, herkömmliche Bankkredite und Wechseldiskontierungen sichern. Ein großer Schritt zur Finanzierung der Intercompany-Kredite aus Deutschland tat die BSH Ende September: Mit der sogenannten Dim-Sum-Anleihe in Höhe von insgesamt 2 Milliarden Yuan (etwa 230 Millionen Euro) haben die Münchener einen Teil des Plans erfolgreich umgesetzt. Der im Offshore-Renminbi-Markt in Hongkong begebene Bond der BSH gliedert sich in drei Tranchen mit einer Laufzeit von drei, fünf und sieben Jahren. Der Kupon der Anleihe beträgt 2,375 Prozent für drei Jahre, 3,375 Prozent für fünf Jahre sowie 4 Prozent für sieben Jahre.

Erst seit kurzem können in China tätige Unternehmen über eine Offshore-Anleihe an eine Renminbi-Finanzierung kommen. Die Regulierungsbehörden in Peking und Hongkong erlauben Unternehmen seit 2010 die Emission von Renminbi-Bonds außerhalb des chinesischen Festlands. In diesem Jahr wurde der Großbank HSBC zufolge insgesamt schon ein Emissionsvolumen von 140 Milliarden Yuan (rund 16,1 Milliarden Euro) realisiert. Davon entfielen ungefähr 50 Prozent auf Unternehmensanleihen außerhalb des Finanzsektors (Stand: 14. November 2011). Internationale Großkonzerne wie den britischen Einzelhändler Tesco, die französische Air Liquide, oder den Ölkonzern BP haben in diesem Jahr ebenfalls schon Offshore-Renminbi-Bonds platziert. Die Emission der BSH, die zwei Tage nach der von Yum! Brands (Marke Kentucky Fried Chicken) kam, war die größte eines deutschen Unternehmens in dem noch jungen Marktsegment.

Für den Münchener Konzern war die Anleihe an sich schon ein Novum: Es handelt sich um die erste Anleihe in der über 40-jährigen Unternehmensgeschichte. „Wir haben einen so starken Euro-Cashflow, weshalb wir Anleihen in Euro bislang nicht gebraucht haben“, sagt Schrickel. Darüber hinaus hat die BSH noch weitere 400 Millionen Renminbi über Devisenswaps finanziert und in das Reich der Mitte gebracht. „Klassische Bankkredite mit lokalen und internationalen Banken mit Laufzeiten von bis zu zwölf Monaten runden die China-Finanzierung ab“, sagt Schrickel.

Enormer Zeitdruck

Fremde Kultur, fremde Sitten und Gebräuche sowie ein bislang noch unbekanntes Instrument – das BSH-Bondteam musste in mehrerlei Hinsicht Neuland betreten. Der Group Treasurer und sein Team, bestehend aus Ulrike Kümmerle, Head of Subsidiary Finance bei der BSH, und Andreas Stolzenburg, Head of Corporate Finance und M&A, hatten deshalb auch einige Herausforderung zu bewältigen. Der Faktor Zeit war die größte davon. „Ende Juni, kurz vor dem Beginn der bayerischen Sommerferien, haben wir die Anleiheplatzierung beschlossen“, sagt Schrickel. Am 1. Juli wurden in München die Pläne mit den Banken, die HSBC und die Deutsche Bank haben den Hausgerätehersteller begleitet, besprochen. Bereits am 21. September ist das Unternehmen dann in HongKong an den Markt gegangen. „Es war das einzige Marktfenster, das in jener Woche möglich war“, erinnert sich Schrickel, „da die Finanzmärkte aufgrund der Schuldenkrise in Griechenland und Italien äußerst sensibel reagierten.“ Schrickel und sein Team mussten in weniger als drei Monaten die Dokumentation, die Genehmigungen bei den chinesischen Behörden und eine Roadshow über die Bühne bringen – schließlich war es die Erstemission der BSH. „Bei den Roadshows in Singapur und Hongkong hat unser Investmentgrade-Rating durchaus geholfen“, sagt Schrickel. Standard & Poor‘s bewertet die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH derzeit mit A. Da das Unternehmen nicht börsennotiert ist und deshalb nur einmal im Jahr berichtet, hatten manche Investoren einige Schwierigkeiten, den Hausgerätehersteller zu bewerten und stützten sich deshalb gern auf das Urteil eines unabhängigen Dritten wie das der Ratingagentur.

Hinzu kam die Tatsache, dass andere Industireunternehmen, die sich bislang in diesen noch jungen Markt in HongKong vorgewagt hatten, ihren chinesischen Hauptsitz im Einzugsbebiet von Schanghai oder in Peking hatten. „Wir hatten eine Sondersituation, da unsere chinesische Zentrale in Nanjing angesiedelt ist“, sagt Schrickel. Der Hausgerätehersteller hatte im Oktober vergangenen Jahres eine eigene Holding in der zweitgrößten Stadt Ostchinas aufgebaut. „Wir wussten nicht, ob unser neben Schanghai und Peking außerhalb Chinas doch doch recht unbekannter Standort irgendwelche Auswirkungen auf den Erfolg der Emission haben würde“, erklärt der Group Treasurer. „Das Gefühl der Unsicherheit war ein ständiger Begleiter“, räumt der Treasurer ein, der mit mehr als zwanzig Jahren im Finanzbereich von Unternehmen eigentlich mit allen Wassern gewaschen ist. „Der Genehmigungsprozess mit den chinesischen Behörden wurde von unserem lokalen BSH-Team in Nanjing bearbeitet, die Banken (Merchant Bank, Deutsche Bank und HSBC)  haben uns dabei beraten. Wir haben letztlich das gemacht, was die chinesischen Behörden uns geraten haben, und das hat dann auch sehr gut funktioniert“, sagt Schrickel. Auch den Stolz über die Transaktion verleugnet er nicht. 

Info

Der Treasurer und das Team

Kai Schrickel ist seit 1994 bei der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH. Er hat dort das Treasury aufgebaut und verantwortet seit 1998 als Group Treasurer den Zentralbereich Finanzen und M&A. Seit 1988 ist Schrickel bereits im Finanzbereich tätig. Vor seinem Wechsel zur BSH nach München war er bei Dornier in Immenstaad am Bodensee tätig. 1996 war der BSH-Group-Treasurer das erste Mal für den Hausgerätehersteller in China. Bei der Offshore-Bond-Emission wurde Kai Schrickel von Ulrike Kümmerle, Head of Subsidiary Finance bei der BSH, und Andreas Stolzenburg, Head of Corporate Finance und M&A, unterstützt.

Kleiner Probelauf

Ein wichtiger Faktor für Kai Schrickel und seine Mannschaft war eine gute Vorbereitung. Bevor ein neues Instrument ausprobiert wird, müssen alle Eventualitäten geprüft und getestet werden. Das war auch bei dem Offshore-Renminbi-Bond so. „Wir haben bereits im Mai dieses Jahres einen kleinen Probelauf durchgeführt“, sagt Schrickel. Es sei ein kleiner Betrag am Swap-Markt gekauft und mit einem Intercompany-Loan nach China gebracht worden. „Es war ein Kurzläufer, den wir inzwischen schon wieder zurückbezahlt haben“, sagt der Treasurer. „Aber mit dieser Transaktion konnten wir testen, dass  wir das Geld nach China rein und wieder raus bekommen.“ Das hat auch bei der eigentlichen Emission ohne Probleme geklappt. 

Doch damit ist das Thema Treasury in China noch lange nicht abgeschlossen. In Nanjing, dem Standort der chinesischen Holding, baut die BSH neben Wien, Istanbul und Singapur ein weiteres Treasury Office auf, um von dort die chinesischen Tochtergesellschaften bei Finanzierungsfragen adäquat betreuen zu können. „Daneben werden wir im kommenden Jahr unseren syndizierten Kredit, der derzeit nicht gezogen ist und im August 2013 fällig wird, neu verhandeln“, sagt Schrickel. Aber erst einmal können der Treasurer und sein Bondteam nach dieser erfolgreichen Transaktion eine kleine Verschnaufpause einlegen. Reichlich Gelegenheit bietet die Münchener BSH-Zentrale mit den kleinen Bächen, grünen Freiflächen und geschwungenen Wegen.

sabine.paulus(*)finance-magazin(.)de

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Der Finanzbereich

Der Finanzbereich besteht bei der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH aus fünf Säulen. Das Zentrale Treasury verantwortet das Devisen- und Cash Management, das 50 Cash Pools in 18 Währungen managt. Die finanzielle Betreuung der Tochtergesellschaften ist die zweite Säule. Die dritte besteht aus dem Bereich Corporate Finance, in dem die Konzernfinanzierung angesiedelt ist sowie die Bereiche M&A und Rating. Das Financial Asset Management bildet die vierte Säule. Die Ausfinanzierung der Pensionsrückstellungen beträgt rund 1 Milliarde Euro, an der die BSH rund ein Jahrzehnt lang gearbeitet hat. Zu guter Letzt ist im Treasury Controlling ein eigenes  Risikomanagement  für den Finanzbereich angesiedelt. Im zentralen Finanzbereich der BSH sind insgesamt 15 Mitarbeiter tätig. In manchen Regionen gibt es noch Treasury Offices: In Wien ist ein Mitarbeiter angestellt und sechs in Istanbul. In Singapur existiert noch ein Treasury Büro, um die entsprechende Zeitzone abzudecken. Das Office in China (Nanjing) soll weiter aufgebaut werden. Bislang gibt es dort einen Mitarbeiter.

Sabine Paulus ist seit 2008 Redakteurin beim Fachmagazin FINANCE und der Online-Publikation DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Personal, Organisation, Karriere und Finanzierung. Sie ist M.A. und hat an der Universität Konstanz unter anderem das Hauptfach Deutsche Literatur studiert.