Der Windenergietechnikhersteller Siag Schaaf Industrie ist zahlungsunfähig. Das Unternehmen aus Dernbach im Westerwald hat heute einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beim zuständigen Amtsgericht Montabaur gestellt. Die Insolvenz erhält besondere Brisanz dadurch, dass mit Siag Schaaf der erste Emittent einer Mittelstandsanleihe insolvent ist. Der Windkraftzulieferer hatte im vergangenen Sommer über einen Mittelstandsbond bis zu 50 Millionen Euro eingesammelt. Lesen Sie hierzu auch: Siag Schaaf Industrie plant 50 Millionen Euro-Bond.
Die Insolvenz könnte ein schwerer Rückschlag für den Markt für „Mini-Bonds“ sein: Gerade erst schien sich das noch junge Marktsegment nach der schweren Flaute im zweiten Halbjahr 2011 zu erholen. Die Emissionen des Reyclingunternehmens Scholz und des Hemdenhersteller Seidensticker gaben den Startschuss für dieses Jahr. Da die deutschen Ratingagenturen eine Vielzahl der Mittelstandsemittenten unterhalb des Investmentgrade bewerten, könnte die Insolvenz von Siag jedoch erst ein Auftakt gewesen sein. Folgen weitere Unternehmen, könnte das das Ende dieses Marktsegments bedeuten. Denn die für die Mittelstandsanleihen wichtige Investorengruppe der Privatanleger würde bei weiteren Ausfällen nachhaltig verschreckt werden. Auch institutionelle Investoren, die aufgrund ihrer Anlagerichtlinien sowieso nur sehr begrenzt in dieses Segment investieren dürfen, würden sich wohl zurückziehen. Für CFOs mittelständischer Unternehmen bräche damit die gerade erst entstandene alternative Finanzierungsquelle weg und das Refinanzierungsrisiko stiege deutlich an. Dann müssten sich die Finanzchefs der Unternehmen, die bereits eine Mittelstandsanleihe platziert haben, wie bei den Standard-Mezzanine-Programmen nach einer anderen Anschlussfinanzierung umschauen.
Nicht überraschend
Die Schieflage des Windkraftzulieferers kam nicht völlig überraschend: Als erster deutscher Mittelstandsemittent hatte Siag seinen Bond damals von Standard & Poor’s bewerten lassen. Die Ratingagentur sah die Anleihe im Sommer vergangenen Jahres im sehr spekulativen Bereich und bewertete sie mit einem vorläufigen CCC+. Das Unternehmen selbst erhielt ein vorläufiges B- und war damit ebenfalls tief im Junk-Bereich gelandet. Im Oktober 2011 kündigte Siag seinen Vertrag mit S&P, weshalb das Unternehmen zurzeit kein aktuelles Rating besitzt.
Dazu kommt, dass im Februar dieses Jahres bekannt wurde, dass mindestens die Hälfte des Grundkapitals von Siag aufgezehrt ist. Die Firma sei aber nicht gefährdet, da „erhebliche Reserven“ vorhanden seien, betonte ein Unternehmenssprecher seiner Zeit gegenüber der Presse. Als Grund für die Schwierigkeiten wurden bereits damals Verzögerungen bei der Projektabwicklung genannt. Ende Dezember 2011 trennte sich der Windkraftzulieferer zudem von seinem Finanzvorstand Roland Schüttpelz. Nähere Gründe hierfür wurden damals nicht genannt. Lesen Sie hierzu auch: SIAG Schaaf trennt sich von CFO Schüttpelz.
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Sabine Paulus ist seit 2008 Redakteurin beim Fachmagazin FINANCE und der Online-Publikation DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Personal, Organisation, Karriere und Finanzierung. Sie ist M.A. und hat an der Universität Konstanz unter anderem das Hauptfach Deutsche Literatur studiert.