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Solarwatt-CFO Bovenschen: „Die bessere von zwei schlechten Alternativen“

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Solarwatt-CFO Carsten Bovenschen ist zufrieden mit dem ESUG-Schutzschirmverfahren.
Solarwatt

Die Gläubigerversammlung des Solarmodulanbieters Solarwatt hat dem Restrukturierungsplan im Zuge des Schutzschirmverfahrens zugestimmt. Das Unternehmen hatte im Juni als eines der ersten in Deutschland Insolvenz in Eigenregie nach dem neuen „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG), das Anfang März dieses Jahres in Kraft getreten ist, angemeldet. Sowohl Solarwatt als auch dessen Gläubiger müssen massive Einschnitte in Kauf nehmen. Nicht nachrangige, unbesicherte Gläubiger wie Lieferanten und Anleihegläubiger erhalten eine Planquote von 16 Prozent ihrer Forderungen zurück. „Bislang ist ein zweistelliger Millionenbetrag angemeldet“, sagte CFO Carsten Bovenschen. Wie FINANCE aus anderer Quelle erfuhr, belaufen sich die Rückzahlungen derzeit auf einen mittleren einstelligen Millionenbetrag. Die Summe könnte noch steigen, da die Gläubiger noch ein Jahr Zeit haben, ihre Forderungen anzumelden.

Zudem können sie auf weitere Rückzahlungen im Februar 2015 hoffen, falls Ende 2014 Rückstellungen von 1,5 Millionen Euro aufgelöst werden können. „Das wären dann nochmal ein bis zwei Prozentpunkte mehr“, ordnet der CFO ein.  Nachrangige, unbesicherte Gläubiger gehen komplett leer aus. Darunter fallen im Wesentlichen Altaktionäre und Gläubiger der Gesellschafterdarlehen. Die Banken mussten dagegen bislang keine Zahlungsausfälle hinnehmen. Sie stundeten lediglich ihre Kredite.

Transfergesellschaft und Schutzschirm „ein Erfolg“

Im Zuge starker Kostensenkungen  wurden rund 100 von 435 Arbeitsplätzen gestrichen. „Die Möglichkeiten für einen Sozialplan sind im Rahmen eines Insolvenzverfahrens stark begrenzt“, sagt CFO Bovenschen. „Trotzdem ist es uns gelungen, eine Transfergesellschaft für sieben Monate einzurichten.“ Die Aufzahlung liege bei 80 Prozent. Diese Gesellschaft bezeichnet der Finanzchef als Erfolg. Auch das Schutzschirmverfahren beurteilt Bovenschen insgesamt positiv. „Die Verantwortlichen müssen früh erkennen, dass die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit droht. Dann ist der Schutzschirm ein vielversprechendes Verfahren für eine Restrukturierung.“ „Ein Spaß“ sei das Verfahren aber nicht.

Den wichtigsten Vorteil sieht der Finanzchef in der Schnelligkeit. Drei Monate hat ein Unternehmen Zeit, um ein Sanierungskonzept vorzulegen. „Wir hatten Glück im Unglück, weil das Strategiekonzept zur Sanierung im Kern bereits vorlag“, erklärt Bovenschen. So musste nur noch eine Einigung über die Sanierungsbeiträge erfolgen. Nach nur sechs Wochen hat die Gläubigerversammlung nun einen Konsens gefunden. Gibt es keine Einsprüche, ist das Unternehmen in ein bis zwei Monaten wieder aus dem Insolvenzverfahren heraus. Dazu trugen auch die Stadt und das Finanzamt Dresden durch den Besteuerungsverzicht auf Sanierungsgewinne bei.

Die Zusammenarbeit mit dem Sachwalter Rainer Bähr lief gut: „Für viele Insolvenzverwalter ist das auch noch neu, das sie jetzt „nur“ Sachwalter sind. Das ist ein bisschen wie ein zweiter Aufsichtsrat. Er prüft die Kassen, ist das Sprachrohr zum Insolvenzgericht und steht im Dialog mit dem Vorstand, der weiterhin die Geschäfte führt. Das hat sehr gut funktioniert.“ Dennoch hat Solarwatt durch die Insolvenz mit einem Vertrauensverlust bei Fremdkapitalgebern sowie einigen Kunden und Lieferanten zu kämpfen. Bei einer Regelinsolvenz lägen die Rückzahlungen jedoch nur bei drei bis fünf statt 16 Prozent und zögen sich länger hin, so Bovenschen: „Von zwei schlechten Alternativen war es  auf jeden Fall die bessere.“

Stefan Quandt schießt frisches Geld zu

Nach schneller Abwicklung des Verfahrens hofft der CFO nun auf eine Erholung der Absätze, die im vergangenen Monat einbrachen. „Der Zeitdruck ist gegeben. Das ist nicht nur ein abgekartetes Spiel des Aktionärs, wie einige munkelten“; der Aktionär, das ist BMW-Erbe und Mehrfachmilliardär Stefan Quandt. Er hielt schon vorher 36 Prozent der Anteile am Unternehmen. Nun bringt er 5 Millionen Euro an Eigenkapital ein und gewährt zusätzlich ein Gesellschafterdarlehen über weitere 5 Millionen Euro. Laut Bovenschen war er der einzige der Altaktionäre, der bereit war, frisches Geld einzubringen. Quandt kennt das Unternehmen gut und war einer der Faktoren, warum Bovenschen mitten in der Krise seinen CFO-Posten bei Solarwatt antrat: „Der Name Stefan Quandt vermittelte mir Vertrauen in eine robuste Eigentümerstruktur. Außerdem komme ich aus der Solarbranche – mir war klar, was mich erwartet.“

Was ihn im Juni zunächst erwartete, waren skeptische Mitarbeiter: „Einige haben sich gefragt: Kommt der nur, um die Insolvenz zu verwalten? Da musste ich erst Vertrauen aufbauen.“ Seinen Part im Schutzschirmverfahren beschreibt Bovenschen als „Trainer-, Lehrer- und Kontrolleursrolle“. Er musste die tägliche Kasse im Blick behalten, aufpassen, dass keine Geschäfte getätigt werden, die das Insolvenzverfahren verbietet, und als Personalvorstand auch mit dem Betriebsrat verhandeln. Durch das Engagement Quandts hatte der neue Finanzchef zumindest bei der Kapitalbeschaffung wenige Probleme. „Sonst hätten wir sicherlich länger gebraucht, jemanden für das Geschäftsmodell zu begeistern.“

Erste Aufgabe des CFOs: Das Vertrauen der Banken zurückgewinnen

Nun muss der CFO wieder um das Vertrauen der Banken werben, um sich künftig Fremdkapital beschaffen zu können. „Das gelingt mir natürlich nur, wenn die Profitabilität wieder stimmt. Man kann im Schutzschirmverfahren ganz gut Risiken aus der Bilanz nehmen, aber das hilft mir am Ende des Tages nicht, wenn das Geschäft wegbricht.“ Sobald neuer Kapitalbedarf besteht, will Bovenschen wieder an den Kapitalmarkt gehen. In nächster Zeit sei das Unternehmen durchfinanziert. Wie lange das Geld reicht, hängt von der Marktentwicklung ab. „Vorerst bleibt uns der Fremdkapitalmarkt aber wohl verschlossen“, schätzt Bovenschen.

Um sich zu sanieren, will Solarwatt sein Geschäftsmodell künftig auf Systemlösungen ausrichten. Bisher lag der Fokus auf schlüsselfertigen Solarparks und auf dem Modulgeschäft. Schon vor dem Schutzschirmverfahren habe es Pläne zur strategischen Neuausrichtung gegeben, erzählt Bovenschen. So waren viele Produkte für den Neustart bereits entwickelt, als die Insolvenz kam: „Die wesentlichen Anschubkosten fielen schon vor gut anderthalb Jahren an.“ Nur wenige Entwicklungsprojekte mussten auf Eis gelegt werden. Allerdings wollte Solarwatt schon im Herbst mit einigen Produkten an den Markt, die nun wohl erst Anfang 2013 kommen.

„Ich bin persönlich überzeugt, dass erneuerbare Energien in Deutschland eine große Zukunft haben, wenn sie sich unabhängig von staatlicher Förderung machen“, meint der CFO. Dass auch die Konkurrenz den Trend weg vom Tropf der EEG-Vergütungen hin zum Eigenverbrauch erkannt hat, weiß er. Solarwatt will sich vor allem mit platzsparenden und doch leistungsstarken Batterielösungen einen Namen machen. Die Modulproduktion in Dresden soll jedoch erhalten bleiben, um Module „made in Germany“ in die Systeme zu integrieren. Carsten Bovenschen ist optimistisch: „Die Weichen sind gestellt. Nun müssen wir den Zug ins Rollen bringen.“

alina.bartscher[at]finance-magazin.de