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Reisekonzern FTI stellt Insolvenzantrag 

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Der Reisekonzern FTI hat beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Foto: Timon - stock.adobe.com
Der Reisekonzern FTI hat beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Foto: Timon - stock.adobe.com

Der Reisekonzern FTI ist insolvent. Die Dachgesellschaft des gemessen am Umsatz drittgrößten Reiseveranstalters in Europa hat am heutigen Montag beim Amtsgericht München einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt.

Unmittelbar davon betroffen ist laut FTI zunächst nur die Veranstaltermarke FTI Touristik. Jedoch sollen auch für weitere Konzerngesellschaften Insolvenzanträge gestellt werden. Ausnahme ist die Windrose Finest Travel GmbH. Dort sollen die Geschäfte weitergeführt werden.  

Man arbeite mit Hochdruck daran, dass bereits angetretene Reisen planmäßig beendet werden können, heißt es von FTI. „Noch nicht begonnene Reisen werden voraussichtlich ab Dienstag, den 4. Juni 2024, nicht mehr oder nur teilweise durchgeführt werden können.“ Wer zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt wird, stand bis Montagmittag noch nicht fest.

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FTI kann Zeit bis Certares-Einstieg nicht überbrücken  

Die Insolvenznachricht kommt wenige Wochen nach der Übernahmeankündigung durch ein Konsortium um den US-Finanzinvestor Certares für einen symbolischen Betrag von einem Euro. Jedoch ist der angeschlagenen FTI Group offenbar die Zeit weggelaufen. In einem aktuellen Statement des Unternehmens heißt es: „Seitdem sind jedoch die Buchungszahlen trotz der positiven Nachrichten deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Hinzu kam, dass zahlreiche Lieferanten auf Vorkasse bestanden haben. In der Folge kam es zu einem erhöhten Liquiditätsbedarf, welcher bis zum Closing des Investorenprozesses nicht mehr überbrückt werden konnte.“ 

Wenige Stunden vor der Insolvenzanmeldung hatte das „Handelsblatt“ berichtet, dass der angeschlagene Touristikkonzern kurzfristig zusätzlichen Finanzbedarf in zweistelliger Millionenhöhe identifiziert habe. Daraufhin habe er beim Bund um weitere Staatshilfen gebeten, weil offenbar weder der bisherige Hauptgesellschafter, die ägyptische Milliardärsfamilie Sawiris, noch der geplante künftige Eigner Certares weiteres Kapital bereitstellen wollten. Diese Gespräche seien jedoch am Wochenende gescheitert.

Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte am Montag bei der Regierungspressekonferenz in Berlin lediglich, es gebe haushalterische, rechtliche und wirtschaftliche Gründe, wegen derer keine weiteren Hilfen über die „sehr vielen großen Hilfen“ hinaus erfolgten.

Corona brachte FTI in Schieflage 

FTI kämpfte bis zuletzt mit den Folgen der Corona-Pandemie, unter denen die Tourismusindustrie durch die weitreichenden Reisebeschränkungen besonders litt. Im Geschäftsjahr 2021/2022 verzeichnete das Unternehmen bei einem Umsatz von knapp 3,8 Milliarden Euro einen Verlust von 91 Millionen Euro. Im Jahr davor lag der Umsatz bei 1,6 Milliarden Euro, der Verlust betrug 124,1 Millionen Euro.

Den Bericht für das abgelaufene Geschäftsjahr 2022/2023 hat FTI noch nicht im Bundesanzeiger veröffentlicht. Der Touristikkonzern hatte im Februar lediglich kommuniziert, dass sich der Umsatz mit 4,1 Milliarden Euro wieder auf dem Vor-Corona-Niveau bewege. 

Was wird aus den Staatshilfen?   

Schwer wiegt auch die Verschuldung des Konzerns. Im Zuge der Corona-Krise musste FTI vom staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit insgesamt 595 Millionen Euro gestützt werden. Hinzu kommt noch ein Darlehen der Hausbank Unicredit in Höhe von 280 Millionen Euro, bei dem der Bund und der Freistaat Bayern für 90 Prozent bürgen. Von den WSF-Hilfen hat FTI bisher nur einen kleineren Teil zurückgezahlt.

Als FTI Mitte April mit Certares einen Investor präsentieren konnte, schien es eine Perspektive zu geben. Auch für die WSF-Schulden wurde eine Lösung gefunden, bei der der Wirtschaftsstabilisierungsfonds seine Forderungen – mit Verlust – an das zukünftige FTI-Investorenkonsortium um das Private-Equity-Haus Certares verkaufen sollte.

Der Forderungsverkauf war bislang jedoch nicht vollzogen und ist mit der Insolvenz von FTI nun vom Tisch. Der Bund erwarte jetzt nur noch „geringe Rückflüsse“ aus den noch offenen Forderungen, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums. Wie es mit dem Certares-Deal zur Übernahme von FTI weitergeht, ist unklar.

Dieser Beitrag wurde am 3. Juni 2024 veröffentlicht und am 4. Juni 2024 um weitere Informationen ergänzt.

Lena Scherer ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat Publizistik, Anglistik und Komparatistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz studiert und nebenbei für verschiedene Redaktionen gearbeitet. Bevor sie zu FINANCE kam, war sie mehr als acht Jahre lang beim Branchen-Fachdienst buchreport aktiv, zuletzt als Co-Chefredakteurin. Dort hat sie unter anderem Marktanalysen vorgenommen sowie die Bereiche Fachinformation, Recht/Wirtschaft/Steuern und Digitales betreut.