Varta-CRO: „Die herausforderndste Restrukturierung meiner Karriere“

Aufatmen am Varta-Platz 1 in Ellwangen, dem Hauptsitz des angeschlagenen Batterieherstellers: Das Amtsgericht Stuttgart hat Vartas Restrukturierungsplan bestätigt und folgt damit dem Votum der Mehrheit der Gläubiger, die dem Plan schon Ende November zugestimmt hatten. Varta kommt damit der finanziellen Sanierung im Starug-Verfahren einen Schritt näher. Noch ist die Entscheidung allerdings nicht rechtskräftig. „Die Erleichterung ist aber erstmal groß“, sagt Michael Giesswein im Gespräch mit FINANCE. Er ist seit Juni 2023 Chief Restructuring Officer (CRO) von Varta und war maßgeblich an den Verhandlungen mit den Gläubigern beteiligt. Es sei ein intensiver Prozess gewesen, Varta zu entschulden und gleichzeitig frisches Kapital zu beschaffen, so der 44-Jährige. „Das war harte Arbeit mit allen Beteiligten über Monate hinweg. Wir sind froh, dass der Plan bestätigt wurde.“ Diese Restrukturierung sei die herausforderndste gewesen, die Giesswein, der unter anderem schon CRO bei der Oettinger Brauerei und bei dem Automobilzulieferer Knoll gewesen ist, in seiner rund 20-jährigen Karriere als Restrukturierer erlebt habe. „Wir hatten es mit einem extrem großen Kreis an Stakeholdern zu tun, die teilweise sehr unterschiedliche Auffassungen hatten. Hier einen Kompromiss zu finden, war sehr zeitintensiv“, sagt Giesswein. Insgesamt waren es mehrere Banken sowie Fonds, die Banken ihre Darlehen abgekauft hatten. Porsche steigt bei Varta ein Der Restrukturierungsplan sieht unter anderem eine Herabsetzung des Grundkapitals der Gesellschaft auf null Euro vor. Das wird zu einem kompensationslosen Ausscheiden der derzeitigen Aktionäre der Gesellschaft und zu einem Delisting von der Frankfurter Börse führen. Zugleich sollen der derzeitige Mehrheitsaktionär und Vorsitzende des Aufsichtsrats, Michael Tojner, und der neue Investor Porsche frisches Eigenkapital aus einer Bar- und Sachkapitalerhöhung in Höhe von insgesamt 60 Millionen Euro in das Unternehmen stecken. Porsche steigt mit 30 Millionen Euro bei Varta ein. 40 Millionen Euro entfallen auf Barmittel, die 20 Millionen Euro Sachkapital stellt Michael Tojner in Form von Immobilien bereit, die seine Industrieholding Montana Tech Components vor einigen Jahren per Sale-and-Lease-Back von Varta gekauft hatte. Ein Haircut soll Schuldenlast halbieren Ein Schuldenschnitt ist ebenfalls Teil des Restrukturierungsplans. Laut den jüngsten öffentlich zugänglichen Zahlen aus dem dritten Quartal 2023 lasten auf Varta rund 250 Millionen Euro Schulden bei Banken und Hedgefonds sowie weitere 235 Millionen Euro, die sich das Unternehmen über einen Schuldschein geliehen hat. Diese 485 Millionen Euro sollen auf insgesamt 230 Millionen Euro reduziert werden, wie Varta mitteilt. Die Deckung des Liquiditätsbedarfs soll durch die Aufnahme eines neuen vorrangigen Kredits in Höhe von 60 Millionen Euro gesichert werden. Der Schuldenschnitt wird außerdem zu neuen Machtverhältnissen bei Varta führen. Wie das Unternehmen schon im August mitteilte, sollen die Kreditgeber künftig über eine virtuelle Beteiligung 36 Prozent der Anteile an Varta halten, Tojner und Porsche je 32 Prozent. Der Plan sieht zudem vor, dass innerhalb eines Jahres nach Abschluss des Starug-Verfahrens ein weiterer Investor über eine Barkapitalerhöhung von bis zu weiteren 30 Millionen Euro einsteigen kann. Alles zum Thema Varta Der Batteriehersteller Varta aus dem baden-württembergischen Ellwangen war vor kurzem noch Börsenliebling, der die Fantasien der Anleger beflügelte. Doch Managementfehler und äußere Umstände haben das Traditionsunternehmen an den Rand des Ruins gebracht. Wie konnte es dazu kommen? Mehr lesen Kleinaktionäre wollen klagen Doch mit der Bestätigung des Plans durch das Gericht sind für Varta noch nicht alle Probleme beseitigt. Nicht alle Stakeholder haben dem Restrukturierungsplan zugestimmt, der von Frank Schäffler von der Kanzlei Grub Brugger erstellt wurde. Die Kleinaktionäre haben ihre Zustimmung geschlossen verweigert und wollen sich gegen die Entscheidung des Restrukturierungsgerichts wehren. Schon als Varta im Juli angekündigt hatte, sich im StaRUG-Verfahren sanieren zu wollen, hatten die Kleinaktionäre angekündigt, alle Rechtsmittel ausschöpfen zu wollen. Anlegeranwalt Klaus Nieding von der Kanzlei Nieding + Barth hat laut der Nachrichtenagentur Reuters schon angekündigt, Einspruch gegen die Entscheidung des Amtsgerichts einlegen zu wollen. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bereitet derweil eine Schadensersatzklage gegen die verantwortlichen Organe von Varta vor. „Es wird in einem späteren Stadium des Verfahrens auch um konkrete Schadensersatzansprüche der freien Aktionäre gehen, die daraus resultieren könnten, dass die Organe der Varta AG pflichtwidrig Maßnahmen unterlassen haben, die eine derartige Eskalation zulasten der freien Aktionäre hätten vermeiden können und sollen“, teilte DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler mit. Auch einen Gang vors Bundesverfassungsgericht wie im Fall Leoni will Tüngler nicht ausschließen. Restrukturierungsplan soll bis Februar rechtskräftig sein Giesswein hofft dennoch, dass der Restrukturierungsplan bis spätestens Anfang Februar rechtskräftig wird und dann mit der konkreten Umsetzung begonnen werden kann; weitere Verzögerungen könnten den Erfolg der Sanierung erschweren. „Die operativen Arbeiten laufen bereits, aber größere Schritte wie Personalabbau erfordern die Rechtskraft“, betont Vartas CRO. „Laut Sanierungsgutachten soll Varta ab 2027 wieder profitabel sein, obwohl wir bereits 2026 erste positive Ergebnisse sehen sollten.“ Varta-CRO Michael Giesswein Weitere Sanierungsschritte sehen die Reduktion von indirekten Kosten, Optimierungen im Einkauf und Preisanpassungen vor. Der Geschäftsbereich V4Drive wurde schon an Porsche verkauft, das Bundeskartellamt hat den Verkauf von 70 Prozent der Anteile Ende Oktober genehmigt. Sobald der Restrukturierungsplan rechtskräftig wird, will Varta den Jahresabschluss für 2023 vorlegen. „Erst dann ist die Going-Concern-Annahme, die die Grundlage für den Jahresabschluss ist, erfüllt und der Wirtschaftsprüfer kann davon ausgehen, dass der Fortführung der Unternehmenstätigkeit nichts entgegensteht“, so Giesswein. Varta will spätestens 2027 wieder profitabel sein Der Restrukturierungsplan ist auf drei Jahre ausgelegt. „Laut Sanierungsgutachten soll Varta ab 2027 wieder profitabel sein, obwohl wir bereits 2026 erste positive Ergebnisse sehen sollten“, sagt Giesswein. Im Oktober prognostizierte das Unternehmen einen Umsatz von 750 Millionen bis 800 Millionen Euro für das Jahr 2023. Aktuellere Zahlen liegen aufgrund des Cyberangriffs im Frühjahr nicht vor. Wachstumstreiber soll vor allem das Geschäft mit Energiespeichersystemen sowie Coinpower-Knopfzellen für Bluetooth-Kopfhörer werden. Bei den Energiespeichern wolle der Batteriehersteller seine Marktanteile ausbauen, bei den Knopfzellen sei Varta wieder für Entwicklungsprojekte eines Großkunden vorgesehen, sodass Giesswein für diesen Geschäftsbereich weiteres Wachstum erwartet. „Auf uns wartet noch viel harte Arbeit, damit wir unsere Ziele erreichen“, so Giesswein, „doch mit der Planbestätigung des Amtsgerichts Stuttgart haben wir die Grundvoraussetzung für die finanzielle Restrukturierung von Varta gelegt.“

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