LBBW-Firmenkundenvorstand Karl Manfred Lochner im Interview

Herr Lochner, die Zeiten für Banken und ihre Firmenkunden sind gerade alles andere als einfach. Was ist die größte Herausforderung? Wir stehen aktuell vor so vielen Herausforderungen gleichzeitig wie nie zuvor. Da sind der furchtbare Krieg in der Ukraine, die damit verbundene Preisentwicklung für Rohstoffe und Energie, die Probleme in den globalen Lieferketten durch die kompromisslose Corona-Politik in China und nun auch das Inflations- und Zinsthema. Das alles zusammen beschäftigt die Unternehmen und damit die Banken gleichermaßen. Wie schätzen Sie nach Gesprächen mit Ihren Kunden die Auswirkungen ein? Steht uns das Schlimmste noch bevor? In der Tat können wir nicht sicher wissen, wie sich der Krieg und die Störungen in den Lieferketten letztlich auswirken. Fest steht für mich aber auch, dass hierzulande sowohl die Unternehmen als auch wir als Bank aktuell aus einer starken Position heraus auf die Herausforderungen reagieren können. Mit Blick auf die tägliche Diskussion hat momentan sicherlich das Thema Gaslieferungen höchste Priorität für unsere Firmenkunden. Wie unterstützt die LBBW ihre Firmenkunden in der aktuellen Situation? Zu Beginn der Corona-Pandemie im April 2020 habe ich gesagt, jetzt ist die Stunde der Hausbanken. Und jetzt ist das schon wieder der Fall. Sowohl Vorstände aus Dax-Unternehmen als auch von mittelständischen Unternehmen sagen mir, sie haben noch nie im Leben vor solchen Herausforderungen gestanden wie aktuell. Ich denke, wir können unseren Firmenkunden vor allem mit einer guten Beratung zur Seite stehen. Daher sind wir aktuell in noch engerem Dialog mit den Unternehmen und versuchen, die benötigten Lösungen zu schaffen. LBBW hat Automotive-Anteil gesenkt Agieren Sie in der Kreditvergabe vorsichtiger? Wir waren schon vor der Krise risikobewusst. Wichtig ist, dass wir unser Portfolio bereits seit 2016 neu aufstellen und Zukunftsbranchen verstärkt begleiten. Der relative Anteil von Automotive ist dadurch gesunken, aber natürlich sind wir auch in diesem Bereich weiterhin stark aktiv. Seit Corona stand bei CFOs und Treasurern zuletzt ja vor allem die Liquiditätssicherung im Fokus. Welche Produkte sind momentan besonders gefragt? Getrieben von Preis- und Zinsanstiegen verzeichnen wir momentan das größte Wachstum und den höchsten Beratungsbedarf bei Währungs- und Zinsabsicherungen. Auch das Thema Working Capital Management ist sehr wichtig. Was ABS-Finanzierungen angeht, war die LBBW in den 2000er Jahren der Vorreiter im Mittelstand, im schwierigen Zinsumfeld der vergangenen Jahre war die Nachfrage nach der Verbriefung von Handelsforderungen aber eher gering. Ändert sich das mit dem Ende der Niedrigzinsphase nun wieder? Ja, sowohl ABS als auch Factoring erleben gerade wieder eine Renaissance. Beide Produkte haben wir übrigens jetzt auch mit ESG-Komponenten versehen, so wie wir das bei vielen unserer Produkte vorantreiben. LBBW bleibt ESG-Champion Das kommt offenbar auch bei Ihren Kunden an, im FINANCE-Banken-Survey 2022 belegt die LBBW aus Sicht der CFOs und Treasurer erneut Platz 1 in Sachen ESG und Nachhaltigkeit. Aber die Konkurrenz holt langsam auf. Was tun Sie, um den Vorsprung zu halten? Und haben die Kunden angesichts der aktuellen Herausforderungen überhaupt noch Zeit für das Thema? ESG ist und bleibt der wichtigste Megatrend, daran ändert selbst die aktuelle Situation nichts. Mich wundert deshalb nicht, dass auch andere Banken sich stark auf dieses Feld fokussieren. Rückt es nicht durch kurzfristige Renditedenke der Investoren jetzt wieder in den Hintergrund? Nein. Ganz im Gegenteil rückt beispielsweise das Thema alternative Energien vor dem Hintergrund steigender Gaspreise sogar eher in den Vordergrund. Und mit Blick auf die kommenden Jahre stehen wir momentan auch erst am Anfang. Derzeit beschäftigten wir uns vor allem mit Fragen zur Transparenz oder der Messung. Wir unterstützen unsere Firmenkunden konsequent in der Beratung und möchten sie in ihrer Transformation begleiten. Zugleich wollen auch wir als Bank ebenso schnell besser werden wie unsere Kunden. Woran lässt sich das messen? Eine wichtige Kennzahl ist dabei für uns der Output-bezogene CO2-Ausstoß auf das Kreditexposure. 2020 haben wir für die Messung der Treibhausgasemissionen in unserem Kreditportfolio erstmals den sogenannten PCAF-Standard angewandt. Die Vorgehensweise haben wir 2021 nochmals verfeinert und dabei eine wesentlich höhere Datenqualität erreicht. Was verbirgt sich hinter diesem Standard? Über die Initiative Partnership for Carbon Accounting Financials entwickelt sich allmählich so etwas wie ein Branchenstandard, um die Treibhausgasemissionen und -intensität im Kredit- und Anlageportfolio von Finanzinstituten zu ermitteln und darüber zu berichten. Nach dieser neuen Logik haben wir 2021 im Vergleich zum Vorjahr einen um 3 Prozent niedrigeren THG-Fußabdruck von 13,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten ermittelt – obwohl wir das Kundenkreditvolumen gleichzeitig um 6 Prozent ausgebaut haben. Der THG-Fußabdruck ist im ersten Quartal dieses Jahres weiter zurückgegangen und reflektiert damit die großen Anstrengungen unserer Kunden. Ob dieser Trend allerdings anhält, hängt auch davon ab, ob es zu einem Gasembargo kommt, was die CO2-Emissionen der Energieversorger durch den Wechsel zu mehr Kohle kurzfristig wieder nach oben treiben könnte. Alles zum Thema Firmenkundengeschäft Banker-Wechsel, Restrukturierungen, angriffslustige Auslandsbanken: Alles Wichtige zum harten Kampf im deutschen Firmenkundengeschäft. Mehr lesen Anteil an ESG-Finanzierungen wächst Was bedeutet das für Finanzierungen? Mit Blick auf das Gesamtgeschäft, also Finanzierungen, das verwaltete Vermögen und begleitete Kapitalmarktfinanzierungen, lag unser nachhaltiges Geschäftsvolumen Ende 2021 insgesamt bei rund 150 Milliarden Euro. Das wollen wir bis 2025 auf mindestens 250 Milliarden Euro steigern, davon allein 65 Milliarden Euro bei nachhaltigen Finanzierungen. Nachdem noch vor wenigen Monaten heiß über die Nachhaltigkeit der Rüstungsindustrie diskutiert wurde, hat die LBBW ihre Richtlinien zur Finanzierung von Waffenexporten wieder gelockert. Ist Rüstung nun doch nachhaltig? Als LBBW halten wir eine starke europäische Rüstungsindustrie für sehr wichtig. Deren Bedeutung haben uns die Entwicklungen der vergangenen Monate noch einmal eindrücklich vor Augen geführt. Daher haben wir unsere internen Richtlinien angepasst und können Exporte in Staaten wieder finanzieren, für die eine Ausfuhrgenehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vorliegt und weitere Standards erfüllt sind. Dabei begleiten wir unsere Kunden eng, wobei jeder Finanzierungsentscheidung eine Einzelfallprüfung vorausgeht. „Als LBBW halten wir eine starke europäische Rüstungsindustrie für sehr wichtig.“Karl Manfred Lochner, LBBW Neben Finanzierungen wollen Sie auch in der M&A-Beratung stärker werden – bisher kein ausgewiesener Kernbereich von Landesbanken. Wie sieht es da mit den Fortschritten aus? Da wir die Branchen- und Beratungskompetenz auf der Fremdkapitalseite haben, macht es Sinn, auch bei M&A auszubauen. Unsere Ziele für 2022 werden wir hier erreichen – und nachhaltiges Wachstum braucht Zeit. Wir wollen dabei auch nicht in den Wettbewerb zu den großen Investmentbanken gehen, sondern fokussieren uns auf unsere Kernkompetenz im Mittelstand oder mittelgroße Transaktionsvolumina. Das ist unser Sweet Spot. LBBW schielt auf Large Caps Mit dem Neuzugang von Carmen Müller von der Standard Chartered haben Sie gerade den Bereich Large Corporates verstärkt. Wie sind Ihre Ziele für das Segment? Wir sind auch bei Large Caps zuletzt überdurchschnittlich gewachsen, das liegt unter anderem an unserer Sektorausrichtung. Mit Blick auf die Transformation der Wirtschaft liegt das Gros der Investitionen in den Bereichen Energie und Infrastruktur, zwei Sektoren, die vor allem von Large Caps bespielt werden. Strategisch wollen wir uns verstärkt im Bereich Strukturierung und Underwriting bei größeren komplexen Finanzierungen engagieren. Mit Carmen Müller als ausgewiesener Automotive-Expertin stärken wir noch einmal die Internationalität in diesem Bereich. Bei allem Wachstum müssen Banken aber auch auf die Kosten achten. Ihr CEO Rainer Neske hat bis 2024 eine Kostenreduktion um 5,3 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro aufgerufen. Welchen Anteil kann das Firmenkundengeschäft leisten? Mit Blick auf die Cost-Income-Ratio stehen wir mit dem Segment Unternehmenskunden schon ganz gut da. Diese konnten wir im vergangenen Jahr auf 51,6 Prozent senken, auch auf Gesamtbankebene waren es 2021 ordentliche 64,7 Prozent. Wir haben den Anspruch, da noch besser zu werden, wobei wir aber bei allen Sparbemühungen auch den Service im Blick behalten müssen. Letztlich kommt es vor allem auf die Erträge, auf Cross-Selling und Neugeschäft an. Wie wollen Sie da besser werden? Dafür müssen wir das Cross-Selling für mehr Provisionsgeschäft hochhalten und ausbauen. Und unsere wichtigste Hilfe beim Reduzieren von Kosten ist die Digitalisierung unserer Prozesse. Über unsere Portallösung können die Kunden unter anderem bereits Aval-Geschäfte erledigen. Im nächsten Schritt soll auch das Währungsgeschäft folgen, wofür wir auch eine Partnerschaft mit dem Fintech Treasur Up unterhalten. Das erhöht die Effektivität auf beiden Seiten und verschafft unseren Firmenkundenberatern mehr Raum für die Betreuung der Kunden. thomas.holzamer[at]finance-magazin.de

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