Technologieriese Siemens kurbelt sein M&A-Geschäft an
In Stuttgart herrscht Deal-Fieber, denn Siemens kommt endlich dem Wunsch der Aktionäre nach aktiverem Portfoliomanagement nach und treibt das M&A-Geschäft an. So bessert der Konzern seine Kasse mit dem Verkauf der Flughafenlogistiksparte Siemens Logistics auf. Für 300 Millionen Euro geht das Geschäft an den niederländischen Vanderlande-Konzern.
Diese News veröffentlichte der Konzern nur wenige Stunden nachdem er die Zustimmung seines Aufsichtsrates für die zweitgrößte Übernahme der Firmengeschichte erhalten hat – den Zukauf des US-Software-Spezialisten Altair Engineering. Es handelt sich um die zweitgrößte Akquisition in der Konzerngeschichte, die sich der Technologiekonzern rund 10 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 9,2 Milliarden Euro) kosten lässt.
Der Mega-Deal soll vor allem das Wachstum der margenstarken Digitalgeschäfte von Siemens weiter ankurbeln, um das Konzernziel eines regelmäßigen zweistelligen Wachstums zu gewährleisten. Latham & Watkins berät Siemens bei der Übernahme von Altair.
Doppel-Deal bei Viessmann
Auch bei Viessmann stehen gleich zwei Transaktionen an. Zum einen übernimmt das Familienunternehmen Gritec, nach eigenen Angaben der größte Lösungsanbieter für schlüsselfertige Technikgebäude und -stationen für Energie-, Wasser- und Industrie-Infrastruktur in Deutschland. Gritec war seit 2022 eine Beteiligung des Private-Equity-Investors Capiton. Houlihan Lokey und Milbank haben Capiton beim Verkauf von Gritec beraten.
Zum anderen hat sich Viessmann mit der Investmentholding Armira zu einem Konsortium zusammengeschlossen, um eine „bedeutende Minderheitsbeteiligung“ am Pharmaentwickler und -hersteller Pharos zu erwerben. Pharos stellt Generika, rezeptfreie Arzneimittel und sogenannte „Value-Added-Medicines“ her. Preise nennt der Konzern für seine Zukäufe nicht. Hengeler Mueller hat Viessmann bei Beteiligung an Pharos beraten, YPOG stand Armira beratend zur Seite.
Viessmann hat sich auf die Fahnen geschrieben, mit Investments „essentielle Bereiche strategisch zu fördern, die für das Wohl zukünftiger Generationen entscheidend sind“, wie CEO Max Viessmann die Logik der Zukäufe erklärt.
Daimler Truck und Volvo gründen Joint-Venture
Daimler Truck und Volvo haben eine verbindliche Vereinbarung zur Gründung eines 50:50-Joint-Ventures unterzeichnet. Ziel des Gemeinschaftsunternehmens mit Hauptsitz im schwedischen Göteborg ist es, eine Software-definierte Fahrzeugplattform für schwere Nutzfahrzeuge zu entwickeln und neue Industriestandards für diese zu setzen, wie die Unternehmen erklärten. Trotz dieser Zusammenarbeit bleiben Daimler Truck und Volvo in anderen Geschäftsfeldern Wettbewerber.
Das Joint Venture wird sich auf die Spezifikation und Beschaffung zentralisierter Hochleistungssteuergeräte konzentrieren, die große Datenmengen verarbeiten können. Zudem wird ein Betriebssystem entwickelt, das es Fahrzeugherstellern ermöglicht, eigenständige digitale Fahrzeug-Features zu kreieren. Die Transaktion soll im ersten Halbjahr 2025 abgeschlossen sein.
Weitere M&A-Deals
Ringmetall erweitert das Portfolio durch den Erwerb von Peak Packaging Poland, einem Spezialanbieter von Großgebinde-Linern. Die Übernahme erfolgt im Rahmen eines Share Deals. Peak Packaging beliefert weltweit Kunden in der Getränke-, Lebensmittel-, Kosmetik-, Pharma- und Chemieindustrie. Die Finanzierung der Übernahme erfolgt durch Fremdkapital, während der Kaufpreis vertraulich bleibt, wie Ringmetall erklärte.
Das Berliner Start-up Friday gehört künftig zur Allianz-Familie. Der Versicherungskonzern übernimmt den Digitalversicherer von Baloise. Mit diesem Schritt gewinnt Allianz Direct 250.000 Kunden in Deutschland und Frankreich sowie ein Prämienvolumen von 50 Millionen Franken hinzu und stärkt somit das Digitalgeschäft. Baloise soll sich auf Druck des Finanzinvestors Cevian von Friday trennen, um rentabler zu werden und mehr Geld an Aktionäre ausschütten zu können. Linklaters hat Allianz Direct bei der Übernahme des Versicherungsportfolios von Friday beraten.
Das norwegische Recycling-Unternehmen Tomra hat 80 Prozent der Anteile an C-Trace, einem führenden Anbieter für digitale Abfallmanagementlösungen aus Bielefeld, erworben. Mit der Option, die restlichen Anteile in zwei Jahren zu übernehmen, stärkt Tomra seine Position im Bereich der Kreislaufwirtschaft. Die Bielefelder kombinieren Software- und Hardware-Module, um Abfallmanagementprozesse zu optimieren. Bei der Transaktion haben Orrick und Livingstone C-Trace beraten, während DLA Piper Tomra unterstützte.
Neuer Eigentümer für Schülerhilfe. Die Nachhilfeunterrichtsfirma geht an Levine Leichtmann Capital Partners. Damit ist es das dritte Mal, dass Schülerhilfe von einem Private-Equity-Haus zum nächsten verkauft wird. Zunächst fiel das Unternehmen in das Portfolio von Paragon Partners, wurde 2013 dann an die Beteiligungsgesellschaft DBAG verkauft, die Schülerhilfe 2016 an den jetzigen Verkäufer Oakley weitergegeben hatte. Das Unternehmen beschäftigt 640 feste Mitarbeiter sowie 6.250 Freelancer.
Logex Healthcare Analytics, ein Anbieter im Bereich Gesundheitsdatenanalytik mit Sitz in Amsterdam, hat Inmed aus Hamburg sowie deren Schwestergesellschaft in der Schweiz übernommen. Mit dieser Akquisition will Logex das eigene Portfolio um die Plattform Smartlize erweitern, die strategische Einblicke in Krankenhausleitungen bietet. Inmed ist auf die Optimierung des klinischen Managements spezialisiert. Die Wirtschaftskanzlei Gütt Olk Feldhaus hat Logex bei diesem Deal beraten.
M&A-Berater-News
Die M&A-Beratung Steinbeis verstärkt ihr Team mit Christopher Klein als neuen Partner, der sich auf den Healthcare-Sektor konzentrieren wird. Mit über 26 Jahren Erfahrung in der Branche bringt Klein umfassende Expertise in den Bereichen Pharma, Biotechnologie und Medizintechnik mit. Seine Karriere umfasst Rollen als Corporate-Finance-Berater und Executive Manager, in denen er viele Transaktionen erfolgreich verantwortete. Klein ist zum 15. Oktober zur M&A-Boutique gestoßen.
Deals in Verhandlung
Thyssenkrupp plant die Abspaltung seiner Kriegsschiffsparte Thyssenkrupp Marine Systems, nachdem sich der Private-Equity-Investor Carlyle vergangene Woche als potenzieller Käufer zurückgezogen hatte. Nun sieht Thyssenkrupp 2026 als realistischen Zeitrahmen für eine Abspaltung.
Auch eine Beteiligung des Bundes werde nicht ausgeschlossen, wie es Thyssenkrupp schon vor einiger Zeit betont hatte. Interessenten gibt es auch ohne Carlyle offenbar genügend. So soll die italienische Werftengruppe Fincantieri mit der Marine-Tochter liebäugeln. „Wir stehen für jede Art von Zusammenarbeit zur Verfügung“, sagte CEO Pierroberto Folgiero Bloomberg TV.
M&A-Gerüchteküche
Die Allianz zeigt angeblich Interesse am britischen Versicherer Esure. Allerdings soll der Münchener Versicherungsriese Konkurrenz haben. Denn laut Medienberichten prüfen auch Aviva, Sampo und Ageas ein mögliches Angebot. Esure, im Besitz des Finanzinvestors Bain Capital, wurde 2018 für 1,2 Milliarden britische Pfund (umgerechnet 1,44 Milliarden Euro) von der Börse genommen und hat sich seitdem zu einem Digitalversicherer entwickelt. Bain Capital könnten bei einem Verkauf Erlöse von rund 1,8 Milliarden Euro winken.
Die Allianz heizt die M&A-Gerüchte gleich doppelt an, denn auch für ihre Fondstochter Allianz Global Investors soll der Versicherungskonzern nach einem strategischen Partner Ausschau halten. Eine vollständige Übernahme oder ein Teilverkauf seien laut der Nachrichtenagentur Reuters Optionen, um Allianz Global Investors mehr Wachstumspotenzial zu verschaffen. Investmentbanker sollen den Wert von Allianz Global Investors auf rund 4 Milliarden Euro taxieren.
Info
Sie haben auch von Deals, Personalien oder sonstigen spannenden Gerüchten aus der deutschen M&A-Szene gehört? Dann schreiben Sie uns gerne an melanie.ehmann[at]finance-magazin.de
Melanie Ehmann ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen am M&A- und Private-Equity-Markt. Sie hat Politikwissenschaften an der Technischen Universität Darmstadt studiert. Vor FINANCE arbeitete Melanie Ehmann sechs Jahre in der Redaktion des Platow Verlags, zunächst als Volontärin, später als Wirtschaftsjournalistin im Platow Brief und den Sonderpublikationen.
