Die Deckungslücke in den Pensionsplänen der deutschen Dax- und Mdax-Konzerne ist im ersten Halbjahr 2012 weiter gewachsen. Das geht aus aktuellen Studien der Beratungsunternehmen Towers Watson und Mercer hervor. Laut Towers Watson ist der Ausfinanzierungsgrad der Dax-Pensionspläne gegenüber Ende 2011 um 3,6 Prozentpunkte auf 62 Prozent gesunken. Bei den Mdax-Pensionsplänen liegt er aktuell 2,4 Prozentpunkte niedriger bei 47 Prozent. Grund dafür ist vor allem der Rückgang des Rechnungszinses, der nach Berechnungen von Towers Watson im Betrachtungszeitraum um 66 Basispunkte auf 4,09 Prozent nachgab. Pensionsverpflichtungen müssen dadurch zunächst einmal nur mit einem höheren Wert in den Bilanzen der Unternehmen angesetzt werden. Towers Watson hat für die Dax-Konzerne einen Wert von 281 Milliarden Euro und für die Mdax-Konzerne einen Wert von 37 Milliarden Euro errechnet. Dieser Verpflichtungsanstieg konnte auch durch die guten Anlageergebnisse von mehr als 4 Prozent nicht kompensiert werden.
Langfristig drohen höhere Dotierungen
Tatsächlich treibt das historisch niedrige Zinsniveau vielen CFOs immer größere Schweißperlen auf die Stirn – auch wenn die betriebliche Altersvorsorge einen langfristigen Anlagehorizont hat und Unternehmen die Chance haben, Ertragsschwankungen in ihren Pensionsvermögen langfristig auszugleichen. Zwar sind direkte Maßnahmen zunächst nicht erforderlich. Unternehmen, die einen hohen Ausfinanzierungsgrad anstreben wie beispielsweise die Deutsche Bank oder SAP, müssten bei einer lang anhaltenden Niedrigzinsphase aber ihre Dotierungen aufstocken. „Die Pensionsverpflichtungen sind ein Riesenproblem für viele Unternehmen“, sagte Jörg Schneider, Finanzchef des Rückversicherers Munich Re, denn das Dauertief bei den Zinsen lässt die Pensionslasten gefährlich anwachsen. „Sollte die Niedrigzinsphase länger andauern, kann das zu einer ernsten Herausforderung werden“, warnte jüngst Siemens-Finanzvorstand Joe Kaeser in einem Interview mit der FTD. Der Technologiekonzern hatte per Ende Juni eine Pensionslücke von 8,4 Milliarden Euro. Dem steht ein Fondsvermögen von 24,7 Milliarden Euro zur Sicherung gegenüber.
Mit Zinstricks gegen die Passivseite
Einige Länder haben diese Problematik inzwischen erkannt und suchen – nicht ganz uneigennützig – nach Auswegen. In den USA wurde, auch wegen sinkender Unternehmenssteuereinnahmen, Anfang Juli ein Gesetz verabschiedet, das für die Pensionsfonds von US-Unternehmen bilanzielle Entlastungen mit sich bringt. Diese können künftig deutlich höhere Diskontsätze zur Berechnung ihrer Verpflichtungen ansetzen als bisher. Mussten sich die Fonds bislang an der durchschnittlichen Rendite von Unternehmensanleihen guter Bonität der vergangenen zwei Jahre orientieren, können sie jetzt den Mittelwert über einen Zeitraum von 25 Jahren ansetzen. „Der Diskontsatz steigt dadurch im Durchschnitt um rund 1 Prozentpunkt, da die Renditen damals deutlich höher waren als heute“, schätzt Alfred Gohdes von Towers Watson. Im Ergebnis sinken der Gegenwartswert der Verpflichtungen und mögliche Nachschusspflichten. Boeing prognostiziert, dass der Anstieg des Diskontsatzes um einen Viertelprozentpunkt die erwarteten Pensionsverpflichtungen um 1,7 Milliarden US-Dollar drücken würde.