Abschlussprüfung: So viele Fehler machen EY, Deloitte und PwC

Die Wirecard–Insolvenz war nicht nur der größte Bilanzskandal in der deutschen Wirtschaftsgeschichte, sie war auch ein Fanal für die Branche der Wirtschaftsprüfer. EY hatte mehr als zehn Jahre lang die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters uneingeschränkt testiert und den Bilanzbetrug nicht bemerkt. Nicht nur EY, sondern die komplette Branche stand plötzlich unter Rechtfertigungsdruck. Der Gesetzgeber verschärfte daraufhin das Finanzstabilisierungsgesetz (FISG) und baute die Finanzaufsicht um. Unter anderem wurden die Haftungsregeln für Wirtschaftsprüfer deutlich verschärft und die Rotationspflicht von 20 auf zehn Jahre verkürzt. EY reagiert mit Trust in Quality auf Wirecard Auch EY reagierte auf den Bilanzskandal und reorganisierte sein Geschäft. Deutschlandchef Hubert Barth nahm seinen Hut. Darüber hinaus rief EY ein Programm namens „Trust-in-Quality“ ins Leben, mit dem die Prüfungsqualität erhöht werden sollte. Zudem wurde eine Expertenkommission unter Leitung von Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel ins Leben gerufen. Ende 2021 empfahl die Expertenkommission die Einrichtung eines Risk & Audit Quality Boards zur Überwachung der Mandantenannahme sowie einen Ausbau der internen Revision und des Anteils der technologiegestützten Datenanalyse in den Prüfprozessen, um deren Qualität zu erhöhen. Im Juni 2023 legte die Expertenkommission ihren Abschlussbericht vor. In diesem wurden der Big-Four-Gesellschaft „insgesamt weitreichende Reformbemühungen“ bescheinigt, die bereits zu Verbesserungen bei der Qualitätssicherung geführt hätten. EY: Transparenzberichte zeigen Fehlerfeststellungen Ein Blick in die Transparenzberichte von EY zeigt jedoch, dass auch nach Wirecard und „Trust in Quality“ nicht immer fehlerfrei geprüft wird. Darin berichtet der Wirtschaftsprüfer zum einen freiwillig darüber, bei wie vielen Mandaten die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) beziehungsweise ihre Nachfolgerin ab 2022 – die Finanzaufsicht Bafin – Fehler entdeckt hat. Zum anderen berichtet EY auch darüber, wie viele Fehler die Prüferaufsicht Apas entdeckt hat. Die Apas blickt dabei anders als die Bafin auf die Arbeit der konkreten Berufsträger. Alles zum Thema Big Four Noch nie war der Wettbewerb zwischen KPMG, PwC, Deloitte und Ernst & Young so hart wie jetzt. Wer schnappt sich die lukrativsten Mandate, wer wächst am stärksten und wer hat die beste Strategie? Mehr lesen Stellt die Bafin einen Fehler fest, ist dies ein Anlass für die Apas, ein berufsrechtliches Verfahren einzuleiten. Betroffen sind zunächst die Unterzeichner der Bestätigungsvermerke sowie oftmals auch der auftragsbegleitende Qualitätssicherer, der als Teil des Qualitätssicherungssystems einen unabhängigen Blick auf die Prüfung werfen soll. Das heißt, eine Fehlerfeststellung löst mindestens drei Verfahren aus. Neben anlassbezogenen Verfahren führt die Apas auch Inspektionen ohne konkreten Anlass durch. EY mit variierender Fehlerquote Der Transparenzbericht von EY zeigt: Die DPR und Bafin kontrollierten in den Geschäftsjahren von 2019/2020 bis 2023/2024 jeweils zwischen sechs bis zehn EY-Mandate auf Fehler in den Unternehmensbilanzen (siehe Tabelle 1). Die Zahl der Fehlerfeststellungen belief sich auf zwischen eins und drei. Die Quoten der Jahresabschlüsse mit Fehlerfeststellung schwanken zwischen 14 und 43 Prozent. Beispiel: So prüfte die Bafin 2023/24 insgesamt sechs Abschlüsse und stellte bei zweien Fehler fest – das ergibt eine Quote von 33 Prozent. Ein Trend in die Richtung, dass die Fehlerquote seit Wirecard etwa kontinuierlich abnimmt, lässt sich dabei nicht erkennen. Vielmehr schwankt die Quote von Jahr zu Jahr. Allerdings variiert auch die Zahl der geprüften Unternehmen, was eine Interpretation der Daten erschwert. Die Apas inspizierte im selben Zeitraum jeweils zwischen fünf und zehn Mandate. Die Zahl der Fehlerfeststellungen variierte zwischen zwei und vier. Hier zeigt sich bei der Fehlerquote ein klar negativer Trend: Lag sie 2019/20 noch bei 22 Prozent, erreichte sie 2023/24 bereits 60 Prozent, als es bei fünf Inspektionen zu drei Fehlerfeststellungen kam. Empfohlener externer Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Datawrapper, der von der Redaktion empfohlen wird. Sie können den Inhalt mit einem Klick aktivieren. Inhalt entsperren Immer entsperren Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte von Datawrapper angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu erfahren Sie bei Datawrapper und unserer Datenschutzerklärung. Apas segnet Qualitätssicherungssystem von EY ab Positiv anzumerken ist allerdings: Keiner der von der Apas festgestellten Fehler hat ein berufsrechtliches Verfahren nach sich gezogen, wie EY gegenüber FINANCE betont und erklärt: Die Feststellungen „betrafen oft einzelne Sachverhalte, aber nicht die Prüfungsqualität insgesamt.“ Das zeigen auch die Inspektionen des Qualitätssicherungssystems. Hier hat die Apas, wie aus Marktkreisen zu hören ist, in den Jahren 2022 und 2023 jeweils eine uneingeschränkte Erklärung abgegeben. Das bedeutet, dass das Qualitätssicherungssystem im Einklang mit den gesetzlichen und satzungsmäßigen Anforderungen steht und mit hinreichender Sicherheit eine ordnungsgemäße Abwicklung von Abschlussprüfungen gewährleistet. Für das abgelaufene Geschäftsjahr 2023/2024 liegen die Ergebnisse der Apas-Inspektion bisher nicht vor. EY betont, dass die Zahl der Fehlerfeststellungen angesichts der Gesamtzahl der geprüften Abschlüsse recht gering ist: „EY Deutschland führt jedes Jahr mehrere tausend Abschlussprüfungen durch ohne jegliche Beanstandungen.“ Allerdings wird nicht jedes Mandat von Bafin oder Apas überprüft, sodass eine gewisse Dunkelziffer an fehlerhaften Abschlussprüfungen denkbar erscheint. Mehr zum Thema Hätte EY das Gutschein-Debakel von ProSieben auffallen müssen? ProSiebenSat.1 arbeitet den Compliance-Fall bei der Tochter Jochen Schweizer Mydays auf. Dabei werden auch Schadensersatzansprüche geprüft. Kann der Abschlussprüfer EY belangt werden? Mehr lesen Eine EY-Prüfung, die sich Bafin und Apas zurzeit genauer anschauen, ist das Mandat bei ProSiebenSat.1, das EY Deutschland von 2019 bis 2023 innehatte. Es wurde bekannt, dass die ProSiebenSat.1-Töchter Mydays und Jochen Schweizer mit dem Verkauf von Gutscheinen gegen das Zahlungsdienstaufsichtsgesetz (ZAG) verstoßen haben – EY testierte stets uneingeschränkt. Aktuell nimmt die Bafin eine Bilanzkontrolle vor und die Apas hat ein berufsrechtliches Verfahren eingeleitet. Der Fall ist allerdings eher ungewöhnlich und Experten sind sich uneins, ob dieser spezielle Fall EY hätte auffallen müssen. PwC hat die niedrigste Fehlerquote Auch PwC berichtet in seinem Transparenzbericht über die Untersuchungen und Fehlerfeststellungen. Während die Fehlerquoten bei den DPR-/Bafin-Prüfungen bei EY schwanken, ist bei PwC eine eindeutige Tendenz erkennbar (siehe Tabelle 2). Hier sanken von 2019/2020 bis heute sowohl die Zahl der Prüfungen von 16 auf 5 als auch die Zahl der Fehlerfeststellungen von 3 im Jahr 2019/2020 auf null in den vergangenen beiden Jahren. Die Fehlerquote war nie höher als 19 Prozent. Uneindeutiger ist die Tendenz bei den Apas-Inspektionen. Deren Zahl variiert im Zeitverlauf von sechs bis elf Prüfungen und die Zahl der Fehlerfeststellungen von zwei bis vier. Die Fehlerquote schwankte zwischen 22 und 36 Prozent. Die Erklärung zum Qualitätssicherungssystem wurde aber auch bei PwC wie in den Vorjahren uneingeschränkt erteilt. Empfohlener externer Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Datawrapper, der von der Redaktion empfohlen wird. Sie können den Inhalt mit einem Klick aktivieren. Inhalt entsperren Immer entsperren Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte von Datawrapper angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu erfahren Sie bei Datawrapper und unserer Datenschutzerklärung. Allerdings gab es zuletzt auch bei PwC einen Fall, der ein berufsrechtliches Verfahren nach sich gezogen hat. Es handelt sich dabei um das Prüfmandat bei Baywa. Der Agrarhändler ist im vergangenen Jahr in die Krise gerutscht und strebt aktuell ein Starug-Verfahren zur Sanierung an. Die Bafin hatte im November eine Bilanzkontrolle angekündigt, da ihr konkrete Anhaltspunkte vorliegen würden, dass Baywa „gegen Rechnungslegungsvorschriften verstoßen hat“. Daraufhin hatte auch die Apas Ermittlungen aufgenommen. PwC hatte in den Jahren zuvor jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Der Aufsichtsrat von Baywa soll aktuell überlegen, das Mandat auf der diesjährigen Hauptversammlung neu zu vergeben. Deloitte macht so viel Fehler wie PwC Ähnlich wie bei PwC zeigt sich auch bei Deloitte eine klare Tendenz zur Verbesserung: Sowohl die Zahl der DPR-/Bafin-Prüfungen als auch der Fehlerfeststellungen nahm im Laufe Zeit ab (siehe Tabelle 3). In den vergangenen zwei Jahren hatte auch Deloitte eine Fehlerquote von ebenfalls null Prozent. Anders die Entwicklung der Apas-Inspektionen, die ähnlich wie bei PwC keinem eindeutigen Trend folgt. Sie lag zwischen sechs und neun, die Zahl der Fehler war dabei nie höher als drei. Die Fehlerquote schwankte zwischen 22 und 40 Prozent. Für das Qualitätssicherungssystem gab die Apas wie in den Jahren zuvor eine uneingeschränkte Erklärung ab. Zu den Kontrollen 2019/2020 liegen keine gesonderten Informationen vor, Deloitte hat im Transparenzbericht 2020/2021 nur eine aggregierte Fehlerquote von 4,3 Prozent für den Zeitraum 2016 bis 2020 angegeben. In älteren Transparenzberichten nennt Deloitte, wie auch EY und PwC, keinerlei Zahlen zu Bafin-Kontrollen und Apas-Inspektionen. Empfohlener externer Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Datawrapper, der von der Redaktion empfohlen wird. Sie können den Inhalt mit einem Klick aktivieren. Inhalt entsperren Immer entsperren Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte von Datawrapper angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu erfahren Sie bei Datawrapper und unserer Datenschutzerklärung. Insgesamt wird deutlich: In der Tendenz schneiden PwC und Deloitte besser als EY ab. Doch auch hier muss man sagen: Diese Aussage lässt sich nur mit Blick auf die untersuchten Mandate treffen, sie sagt nichts über eventuelle Fehler bei Abschlussprüfungen aus, die nicht durch DPR/Bafin sowie Apas inspiziert wurden. Hinzu kommt noch, dass bei Deloitte generell deutlich weniger Mandate als bei EY ins Visier genommen wurden. KPMG gibt keine Auskunft zu den Inspektionen Und wie sieht es bei KPMG aus? Anders als die Konkurrenten teilt das Big-Four-Haus in den Transparenzberichten nicht mit, bei wie vielen von der Gesellschaft geprüften Unternehmen die Bafin oder Apas Fehler festgestellt hat. „Es gibt klare Regeln über den Umfang der verpflichtenden Angaben für Transparenzberichte von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, an die sich KPMG in Deutschland selbstverständlich hält. Die Ergebnisse der Inspektion einzelner Mandate gehören nicht zu diesen geforderten Angaben. Unser Transparenzbericht informiert über die Qualitätssicherungssysteme von KPMG“, begründet der Wirtschaftsprüfer gegenüber FINANCE den Verzicht auf diese Angaben. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Transparenzberichts 2024 lag das Inspektionsergebnis des Qualitätssicherungssystems noch nicht vor. Der Vorjahresbericht der Apas habe jedoch eine uneingeschränkte Erklärung enthalten, heißt es dazu im Transparenzbericht 2024.

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