Im Streit zwischen den US-Regulierern, ihren europäischen Pendants sowie den europäischen Kreditinstituten um die Regulierungsrichtlinie Basel IV bewegen sich die Parteien offenbar auf einander zu. Die jetzt durchgesickerten Kompromisslinien lassen auf einen Erfolg der Lobbyarbeit schließen, die die europäischen Banken mit Vehemenz vorangetrieben hatten.
Der wichtigste Punkt: Offenbar sollen die internen Risikoberechnungen der Banken, wie viel Eigenkapital sie für Kredit und andere Geschäfte hinterlegen müssen, nun erst schrittweise zurückgedrängt werden. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
Derzeit können Geldhäuser die Risiken in ihren Krediten und anderen Assets mit Hilfe interner Modelle berechnen. Die daraus errechneten Risikopositionen liegen zum Teil deutlich unter dem, was ohne den Einsatz dieser hausgemachten Modelle realistisch gewesen wäre. Den Amerikanern ist dies ein Dorn im Auge, reduzieren die bankinternen Modelle doch den Eigenkapitalbedarf, mit dem die europäischen Banken ihre Geschäfte unterlegen müssen. Aber auch europäische Bankaufseher halten das momentane Vorgehen der Banken für intransparent. Unter Basel IV soll sich das ändern.
Banken erhalten längere Übergangsfristen bei Basel IV
Nun sieht es so aus, als dürften die Institute mittelfristig die Eigenkapitalanforderungen an ihre Geschäfte durch den Einsatz interner Modelle maximal auf 75 Prozent dessen senken, was Geldhäuser bei Geschäften standardmäßig beiseite zu legen hätten. Einige deutsche Banken hatten betont, dass es ab 70 Prozent für sie schwierig werden könnte, die dann entstehenden Kapitallöcher zu schließen. Doch bislang waren auch deutlich höhere Schwellenwerte im Gespräch, bis hin zu einem völligen Verbot individueller Risikomessungen.
Nun erhalten die europäischen Banken wohl nicht nur Entlastung, sondern auch noch mehr Zeit. Die Untergrenzen sollen schrittweise in den Jahren 2021 und 2025 eingeführt werden. Wie die „Börsen-Zeitung“ berichtet, soll es zudem Ausnahmen für Immobilienkredite und Spezialfinanzierungen geben, die europäische Banken gerne auf der Bilanz halten, während US-Häuser diese Finanzierungen in der Regel schnell weiterreichen.
Bei der maximalen Verschuldungsquote zeichnet sich ebenfalls ein Deal ab. Globale systemrelevante Banken sollen bei der sogenannten Leverage Ratio einen Zuschlag erhalten, der der Hälfte des Aufschlags bei der Kernkapitalquote entspricht. Die Deutsche Bank müsste damit ab 2020 eine Leverage Ratio von 4 Prozent erfüllen. Andere, weniger systemrelevante Institute müssten 3 Prozent erreichen.
Die deutschen Banken wären die großen Gewinner
Werden diese Kompromissformeln tatsächlich zur Grundlage der neuen Bankenregulierung, wären vor allem deutsche Banken die großen Gewinner. Sie setzen derzeit nicht nur sehr stark auf ihre eigenen Risikomodelle – sie haben auch mit die größten Mühen, die zukünftigen Eigenkapitalvorgaben zu erreichen. Bei der Commerzbank zum Beispiel wird sich wegen der hohen Kosten für den Konzernumbau die Kernkapitalquote in den nächsten Jahren nicht mehr weiter verbessern, was unter Ratingagenturen Besorgnis hervorruft. Bei der Deutschen Bank ist das wegen der milliardenschweren Prozesskosten schon jetzt der Fall.
Jakob Eich ist Redakteur der Fachzeitungen FINANCE und DerTreasurer des Fachverlags F.A.Z Business Media, bei dem er auch sein Volontariat absolviert hat. Eich ist spezialisiert auf die Themen Digitalisierung im Finanzbereich und Treasury. Durch seine Zwischenstation bei der Schwesterpublikation „Der Neue Kämmerer“ ist der 1988 geborene Journalist auch versiert beim Thema Kommunalfinanzen. Erste journalistische Erfahrungen hat der gebürtige Schleswig-Holsteiner in den Wirtschaftsmedien von Gruner+Jahr sowie in der Sportredaktion der Hamburger Morgenpost gesammelt.