„Wir wollen der Innovator bei Trade Finance sein“

Herr Kotzbauer, Herr Schindler, wir bei FINANCE glauben, die Coronakrise und der plötzlich aufgetauchte immense Kapitalbedarf der Industrie haben das Zeug dazu, die Karten im deutschen Firmenkundengeschäft komplett neu zu mischen. Ist jetzt auch für die Commerzbank „crunch time“?Kotzbauer: Was ich unterschreiben würde: Corona ist ein „proof-point“ für alle, zu zeigen, dass sie auch das machen, was sie vorher versprochen haben. Wir als Commerzbank standen in den schweren Wochen im Frühjahr eng an der Seite unserer Kunden, denn die Kunden waren auch uns gegenüber viele Jahre loyal. Das gilt aber nicht nur für uns, der Bankensektor als Ganzes ist in dieser Krise ein Teil der Lösung. Daher gehe ich nicht davon aus, dass sich die Kräfte groß verschieben werden. Was sind für Ihre Firmenkunden seit März die wichtigsten Services und Produkte?Schindler: Das Thema Finanzierung stand ganz klar im Mittelpunkt, allen voran Fördermittel und KfW-Anträge. Seit Beginn der Coronakrise hat die Commerzbank rund 21.000 Kreditanfragen erhalten und KfW-Kredite in Höhe von mehr als 7 Milliarden Euro genehmigt. Damit liegt der Marktanteil der Bank bei KfW-Krediten bis 100 Millionen Euro bei rund 15 Prozent. Wir haben dem Mittelstand und Großkunden insgesamt bis Anfang August Finanzierungen von mehr als 12 Milliarden Euro bereitgestellt, nicht nur im Zuge der Beteiligung an KfW-Krediten. Commerzbank Robert Schindler Bei Exportabsicherungen ist die Nachfrage zunächst stark zurückgegangen, aber jetzt steigt sie wieder langsam an – nicht nur wegen des Wiederanziehens der Exporte, sondern auch wegen der Krisenerfahrungen, die viele Unternehmen gemacht haben. Das Bedürfnis nach Absicherung ist zweifellos gestiegen. Das gilt auch für elektronische Lösungen im Zahlungsverkehr. In Deutschland ist der Bargeld-Zahlungsverkehr im Einzelhandel zwischenzeitlich um 60 Prozent eingebrochen. Das wird den elektronischen Zahlungsverkehr auch nach der akuten Pandemiephase antreiben. Wie die Commerzbank Corona gemanagt hat Wo hat denn die Commerzbank als Antwort auf Corona kurzfristig investiert und Ressourcen umgewidmet?Schindler: Unmittelbar nach dem Lockdown haben wir unsere Financial-Engineering-Teams, die strukturierte Kreditprodukte bearbeiten, massiv aufgebaut – auch um auf die vielen KfW-Anträge qualifiziert reagieren zu können. Wir haben eine Menge Personal aus den Vertriebseinheiten dorthin verschoben. Das lief praktisch über Nacht, hat aber hervorragend geklappt. Trotz der explodierten Nachfrage waren wir schnell lieferfähig. Kotzbauer: Neben dem, was Robert beschrieben hat, beobachte ich, dass das Thema Volatilität, welches in den Vorjahren in den Kundengesprächen eigentlich kaum eine Rolle gespielt hat, jetzt im Vordergrund steht. Absicherung ist bei unseren Kunden Prio Nummer Eins: Rohstoffe, Währungen, Lieferketten und vieles mehr. Commerzbank Michael Kotzbauer In der Tat scheinen Ihre Kunden das Agieren der Commerzbank im Kreditgeschäft zu honorieren. Bei der diesjährigen FINANCE Banken-Survey haben CFOs und Treasurer die Leistung der Commerzbank auf diesem Feld sogar noch besser bewertet als 2019. Sind Kredite und DCM-Geschäfte für die Commerzbank auch Wachstumsfelder für die Zeit nach Corona?Kotzbauer: Definitiv! Auch in den nächsten Jahren wird die Kreditnachfrage hoch sein. Gleichzeitig ziehen die Kreditmargen langsam an. Viele CFOs und Treasurer haben erkannt, welchen Wert eine verlässliche Kredit- und Liquiditätsversorgung hat, wenn jederzeit überraschend eine Krise über sie hereinbrechen kann. Kredite sind das Kerngeschäft der Commerzbank, und dieses wird attraktiver. Ich persönlich glaube, dass vor allem syndizierte Kredite im Mittelstand eine stärkere Verbreitung finden werden. Die Deutsche Bank hat berichtet, dass viele Großkunden ihre während des Lockdowns aufgestockten Kreditvolumina zum Ende des zweiten Quartals hin wieder deutlich zurückgeführt haben. Gilt das auch bei der Commerzbank?Kotzbauer: Wir sehen ein heterogenes Abrufverhalten der KfW-Kredite und anderweitig gezogener Linien, und es wird zusehends noch heterogener. Nicht alle Kunden verfolgen ihre KfW-Anträge weiter, viele Unternehmen benötigen diese Kredite nun doch nicht. Das reduziert dann auch die Kreditlinien, die wir vorhalten müssen. Die Commerzbank und die FINANCE Banken-Survey In der aktuellen FINANCE Banken-Survey hat die Commerzbank ihren Vorsprung vor den Verfolgern im Vergleich zu 2019 sogar noch etwas ausgebaut. Ganz ehrlich: Nach all der schlechten Presse, die ihre Bank bekam – hat Sie dieses Ergebnis überrascht?Kotzbauer: Nein, das hat es nicht. Gerade in der Mittelstandsbank arbeiten wir seit vielen Jahren eng mit unseren Kunden zusammen, und wichtig ist, was dort vor Ort passiert. Wir hören von unseren Kunden, dass wir gut performen, auch im Vergleich mit anderen Banken. Wir haben Kunden dazu gewonnen, auch die Zahl der Interaktionen pro Kunde ist gewachsen. Es hätte uns überrascht, wenn die Ergebnisse der FINANCE Banken-Survey stark von dieser Realität abgewichen wären, die wir tagtäglich erleben. Nichtsdestotrotz: Allen Kunden, die uns in Ihrer Umfrage positiv bewertet haben, sagen wir vielen Dank und: Wir machen weiter. „Wir hören von unseren Kunden, dass wir gut performen, auch im Vergleich mit anderen Banken.“ Michael Kotzbauer Schindler: Auf unseren guten Werten wollen wir uns aber nicht ausruhen. Unser Anspruch ist es, noch weiter zuzulegen und unseren Vorsprung auszubauen. Wie wollen Sie das schaffen?Schindler: Wir haben große Fortschritte bei der Digitalisierung gemacht. Das zeigt auch die Survey. Unsere Standardprodukte machen wir sukzessive medienbruchfrei, und unsere Firmenkundenbetreuung laden wir mit Data Analytics digital auf. Beides steigert das Niveau unserer Kundenbetreuung. „Im Herbst rollen wir eine komplett überarbeitete Cash-Management-App für Firmenkunden aus.“ Michael Kotzbauer Kotzbauer: Außerdem arbeiten wir stärker als in der Vergangenheit mit Kooperationen. Nachdem wir im April in das auf Währungsabsicherungen spezialisierte Fintech „21 Strategies“ eingestiegen sind, arbeiten wir seit dem Frühjahr auch mit dem E-Invoicing-Dienstleister Crossinx zusammen. Über die Kooperation bieten wir unseren Firmenkunden Lösungen für die digitale Rechnungsverarbeitung an. Seit 2018 kooperieren wir im Trade-Finance-Bereich mit dem Fintech Conpend. Dadurch digitalisieren und automatisieren wir die Abwicklung von Handelsfinanzierungen, insbesondere der Compliance- und Geldwäscheprüfungen. Wir erweitern sukzessive unser Ökosystem und wollen unsere Marktposition bei zahlreichen Transaktionslösungen weiter ausbauen. Im Herbst rollen wir dann eine komplett überarbeitete Cash-Management-App für Firmenkunden aus. Überdurchschnittlich gut bewertet wurde Ihre Leistung in der Handels- und Exportfinanzierung. Doch der deutsche Export ist eingebrochen und wird so schnell nicht wieder das Niveau von 2019 erreichen. Ist Trade Finance für die nächsten Jahre trotzdem noch ein Feld, auf dem eine Bank wie die Commerzbank mit ihren im Branchenvergleich begrenzten Ressourcen profitabel wachsen kann?Kotzbauer: In der Exportfinanzierung waren wir schon immer klarer Marktführer, und das wollen wir auch bleiben. Trade Finance ist ein elementarer Teil unserer Bank. Auch hier investieren wir viel in die Digitalisierung. Für uns macht das dieses Geschäft besser skalierbar und für unsere Kunden sicherer, zum Beispiel bei der Geldwäscheprävention. In der nächsten Stufe kommt auch noch maschinelles Lernen dazu. Auf diesem Feld arbeiten wir auch mit dem Fraunhofer Institut zusammen an der Digitalisierung von Lieferketten. Wir wollen der Innovator bei Trade Finance in Deutschland sein. Commerzbank will Firmenkundengeschäft ausbauen Spielt es eine Rolle für Ihre Risikoneigung, wie groß die erwartete Insolvenzwelle im Herbst tatsächlich ausfallen und das Kreditbuch der Commerzbank treffen wird?Schindler: Aktuell ist noch unklar, ob eine Insolvenzwelle tatsächlich kommt und wie ausgeprägt sie sein wird – das zweite Halbjahr wird auf jeden Fall spannend. Wir werden uns davon strategisch insofern nicht einschränken lassen, als dass wir mit unseren Kunden weiter wachsen wollen. Das ist eine klare Aussage von uns. Wir wollen gerade solche Kunden noch stärker mit Finanzierungen unterstützen, die gestärkt aus der Krise herausgehen wollen, zum Beispiel, indem sie Akquisitionen tätigen. Das kann je nach Branche sehr unterschiedlich sein. Und unser Wachstum muss profitabel sein. Kotzbauer: Was Sie nicht außer Acht lassen dürfen: Die Insolvenzquote wird steigen, so aber auch die Kreditmargen. Das gleicht sich in gewissem Maße aus. Und das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir starke Banken in Deutschland haben, denn natürlich muss jede Bank auch ihr Risikobuch im Blick behalten. Aber wenn Banken stark genug sind, um Risiken abfedern zu können, sind sie auch in schwierigen Zeiten für ihre Kunden da. „Wir wollen wachsen – aber unser Wachstum muss profitabel sein!“ Robert Schindler Wofür sich in der Banken-Survey keine Belege finden, ist das Gerücht, dass manche Auslandsbanken wegen Corona im deutschen Firmenkundengeschäft den Rückwärtsgang eingelegt haben. Deckt sich das mit Ihrer Marktbeobachtung?Schindler: Die eine oder andere Bank mag sich auf die bereits bestehenden Hausbankbeziehungen fokussiert und die Anstrengungen in der Neukundenakquise reduziert haben. Aber von einem Rückzug ist in meiner Region im Süden nichts wahrzunehmen. Kotzbauer: Dem stimme ich zu. Auch ich sehe das in der Breite nicht. Info Michael Kotzbauer und Robert Schindler zählen zur operativen Führungsmannschaft im Firmenkundengeschäft der Commerzbank. Kotzbauer ist Bereichsvorstand der Mittelstandsbank für die Region Mitte und Ost, Schindler für den Süden des Landes. Während Kotzbauer schon seit 1990 bei der Commerzbank ist, stieß Schindler erst im November vergangenen Jahres dazu. Davor war er gut zwei Jahre lang Firmenkundenchef der HVB.

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