BDO-CEOs: „Das FISG hat den Prüfermarkt verkleinert“

Die Branche der Wirtschaftsprüfer steht vor großen Herausforderungen wie dem zunehmenden Fachkräftemangel, der 2025 beginnenden Prüfpflicht von Nachhaltigkeitsberichten und dem zunehmenden Einsatz von KI. Die neuen Vorstandsvorsitzenden des Next-Seven-Hauses BDO Andrea Bruckner und Parwäz Rafiqpoor erklären im FINANCE-Interview, wie sie diesen begegnen wollen. Frau Bruckner, Herr Rafiqpoor, die vergangenen Jahre verliefen sehr erfolgreich für BDO. Sie haben Anfang Juli den Vorstandsvorsitz von Holger Otte übernommen, der nicht nur 13 Jahre lang CEO war, sondern das Unternehmen auch maßgeblich geprägt hat. Planen Sie Änderungen des eingeschlagenen Kurses? Bruckner: Wir verfolgen eine klare Devise: Das Bewährte bewahren und das Notwendige verändern. Wir haben 2019 erfolgreich unser Strategieprojekt „Wandel und Wachstum“ gelauncht und werden dieses wie geplant fortführen. Wir wachsen in allen Bereichen und werden am Markt viel stärker wahrgenommen. Uns ist aber auch bewusst, dass wir in dieser dynamischen Zeit nicht stillstehen dürfen und uns immer weiterentwickeln müssen. Rafiqpoor: Der Strategieprozess wurde 2019 begonnen und in diesem sind wir jetzt. Es wäre nicht klug, alle drei Jahre eine neue Strategie zu wählen. Wir wollen den angestoßenen Prozess „Wandel und Wachstum“ weiterhin so mit Leben füllen, wie uns das in den vergangenen Jahren mit unserem starken wirtschaftlichen, aber auch personellen Wachstum gelungen ist. Gibt es Bereiche, in denen sie besonders wachsen wollen? Bruckner: Wir wollen uns hier nicht einschränken und weiterhin in allen Geschäftsbereichen wachsen. Unsere interdisziplinäre Aufstellung hilft uns hierbei. Unternehmen suchen nicht nur einen Steuerberater, einen Prüfer oder einen IT-Berater, sondern wollen bereichsübergreifende Expertise aus einer Hand. Wir wollen uns hier nicht einschränken und weiterhin in allen Geschäftsbereichen wachsen. Andrea Bruckner Rafiqpoor: Das leben wir auch in der eigenen Organisation. Es gibt keine Fachvorstände mehr, sondern wir haben uns funktionell aufgestellt und arbeiten nur noch in übergreifenden Teams. Wir leben in einer multikomplexen Welt und sind mit multikomplexen Themen konfrontiert. Für diese brauchen unsere Kunden und wir eine ganzheitliche Lösung – natürlich alles im regulatorisch legitimen Rahmen. Der Prüfermarkt im Dax hat sich geöffnet Seit diesem Jahr prüft BDO mit dem Software-Konzern SAP erstmals ein Unternehmen aus dem Dax 40. Streben Sie nach weiteren Prüfmandaten in der obersten Börsenliga? Rafiqpoor: Wir freuen uns, dass sich der Prüfermarkt im Dax öffnet, was ja auch Grant Thorntons Mandatsgewinn bei der Porsche Automobil Holding zeigt. Gratulation an die Kollegen an dieser Stelle! Aber der Markt insgesamt ist viel größer als der Kapitalmarkt. Es gibt zahlreiche Familienunternehmen, deren Prüfung genauso komplex ist wie bei einem Dax-Unternehmen. Wir schauen, wo sich Opportunitäten ergeben und welche Risiken wir tragen können. Dabei darf es gerne ein weiteres Dax-Mandat sein, aber nicht um jeden Preis. Sie spielen auf die unbeschränkte Haftung an, die Wirtschaftsprüfern seit Inkrafttreten des Finanztransaktionsgesetzes – kurz FISG – schon bei grober Fahrlässigkeit droht? Bruckner: Hochqualitativ zu prüfen war und ist bei uns oberstes Gebot, da hat das FISG nicht viel verändert. Aber klar, jetzt schauen wir uns potenzielle Mandate noch risikobewusster an. Alles zum Thema Big Four Noch nie war der Wettbewerb zwischen KPMG, PwC, Deloitte und EY so hart wie jetzt. Wer schnappt sich die lukrativsten Mandate, wer wächst am stärksten und wer hat die beste Strategie? Mehr lesen Haben sie darüber hinaus weitere Veränderungen durch das FISG bemerkt? Bruckner: Das FISG hat die Vielfalt am Prüfermarkt nicht erhöht, im Gegenteil. Der Markt ist übersichtlicher geworden, da sich kleinere Mitbewerber aufgrund der neuen Haftungskonstellation zurückgezogen haben. Rafiqpoor: Ich glaube nicht, dass das FISG etwas an der Arbeitsweise geändert hat. Wirtschaftsprüfer haben in der Regel schon immer mit einem hohen Qualitätsanspruch geprüft. Aber es muss auch allen klar sein, Qualität hat ihren Preis. Wer immer weniger Honorar zahlen will, muss damit rechnen, dass die Qualität leidet. Wer immer weniger Honorar zahlen will, muss damit rechnen, dass die Qualität leidet. Parwäz Rafiqpoor Das FISG hat den Anbietermarkt verkleinert Aber die Zahl der Ausschreibungen hat zugenommen, es kommt häufiger zu Prüferwechseln. Bruckner: Die Zahl der Ausschreibungen und damit der Prüferwechsel hat sich gesteigert, ja. Aber der Anbietermarkt hat sich reduziert. Wenn der Gesetzgeber mit dem FISG den Wettbewerb erhöhen wollte, ist das gründlich schief gegangen. Der Gesetzgeber hat der Branche mit der CRSD-Richtlinie und der darin enthaltenden Prüfpflicht für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zwar einerseits ein neues Geschäftsfeld beschert, sie andererseits aber auch vor große Herausforderungen gestellt. Sind Sie gut darauf vorbereitet? Bruckner: Die neuen gesetzlichen Anforderungen sind eine Riesenherausforderung für alle, für die Unternehmen genauso wie für uns Wirtschaftsprüfer. Wir sind mit unserem eigenen Bereich „Sustainability Services“ gut dafür aufgestellt, aber vieles ist, da gesetzlich bisher nicht abschließend geregelt, noch unklar. Die EU will erst 2026 die genauen Prüfkriterien festlegen. Bruckner: Genau. Wir wissen zum Beispiel noch nicht, wie die spezifischen Anforderungen für die Rechnungslegung aussehen werden, wie sollen dazu passende Prüfungsstandards aussehen? Gleichzeitig müssen wir aber schon jetzt unsere Mitarbeiter und die unserer Kunden schulen. Wachstumstreiber Cybersecurity Sie hatten jüngst angekündigt den Geschäftsbereich Cyber-Sicherheit auszubauen und haben ein Security Operation Center in Betrieb genommen. Die Nachfrage nach Cyber-Sicherheitsdienstleistungen ist vermutlich ziemlich groß? Rafiqpoor: Der Bedarf ist immens. Große Konzerne sind hier gut aufgestellt, aber der Mittelstand oder kleine Unternehmen sind oft schutzlos. Das geht schon damit los, dass Unternehmen dieser Größenordnung überhaupt nur sehr schwer Fachpersonal finden und ohne Hilfe natürlich nicht in der Lage sind, sich entsprechend zu schützen. Unser Security Operation Center bietet hier Abhilfe und hohe Cybersicherheit, hilft unseren Kunden aber auch beim Einkauf von Versicherungsschutz gegen Cybergefahren. Denn vielen Unternehmen fehlt dieser Schutz bis heute. Aber die besten Firewalls lassen sich umgehen, wenn das Personal nicht entsprechend geschult ist. Rafiqpoor: Aus diesem Grund wollen wir auch eine Cyber-Academy für Vorstände und Aufsichtsräte aufbauen, die eine entsprechende Awareness schaffen soll. Alles zum Thema Next Seven Der Wirtschaftsprüfermarkt ist im Umbruch – das beeinflusst auch die „Next Seven“, das Verfolgerfeld der „Big Four“ KPMG, PwC, Deloitte und EY. Alles zu Strategie, Personalien oder Mandatswechsel können Sie hier nachlesen. Mehr lesen Sie haben das Thema Fachkräftemangel angesprochen. Das betrifft nicht nur den IT-Bereich, sondern mittlerweile die ganze Wirtschaft inklusive Wirtschaftsprüfer. Können Automatisierung und Künstliche Intelligenz helfen, den Personalmangel abzufedern? Bruckner: Wir versuchen Routinetätigkeiten zu standardisieren und zu automatisieren, um die Kolleginnen und Kollegen davon zu entlasten. Was sich dabei noch nicht automatisieren lässt, lagern wir in unser eigenes Shared Service Center in der Ukraine oder in die unserer Partnergesellschaften aus dem internationalen BDO-Netzwerk aus. Gleichzeitig haben wir für unsere anspruchsvollen Tätigkeiten in den vergangenen Jahren aber auch viele neue Talente und Mitarbeiter gewinnen können. Letztlich wird es nicht die eine Lösung geben, um dem Fachkräftemangel begegnen zu können. Es kommt sowohl auf ein positives Arbeitgeberimage dank guter Unternehmenskultur und flacher Hierarchien an als auch auf Digitalisierung und Auslagerung von Tätigkeiten. Rafiqpoor: Wir dürfen nicht vergessen, unsere Kunden suchen die gleichen Talente wie wir. Insofern macht es keinen Sinn, mit ihnen groß in den Wettbewerb einzutreten. Wir brauchen beides, digitale Lösungen und Shared Service Center. Das wird sich nicht trennen lassen. Da geht die Reise hin.

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