Newsletter

Abonnements

EY-Chef Georg Waldersee: „Wir wollen nicht die meisten Mandate haben“

Ernst & Young-Chef Georg Waldersee spricht im Interview mit FINANCE über Mandate, Pitches und Honorare.
Ernst & Young

Herr Waldersee, EY ist die zweitgrößte WP-Gesellschaft in Deutschland, prüft aber nur drei Unternehmen im Dax30. Sie hatten vergangenes Jahr angekündigt, die von der EU beschlossene Rotationspflicht für Wirtschaftsprüfer zu nutzen, um Ihre Dax-Mandate von drei auf sechs zu verdoppeln. Stehen Sie noch zu dieser Ankündigung?
Ja, das ist nach wie vor der Plan, und er sollte auch aufgehen. Da sind wir sehr zuversichtlich. Werden es sieben Mandate statt sechs sein, werden wir uns auch nicht beklagen. Wichtiger als die Zahl erscheint mir die richtige Verteilung.

Welche sind denn die richtigen Mandate?
Nun, es wäre natürlich schön, wenn wir am Ende ein ausgewogenes Verhältnis zwischen großen, mittleren und den kleineren Dax-Mandaten hätten. Das gilt auch für die Branchenverteilung. Genauso muss es das Ziel sein, dass man in den verschiedenen Branchen auch die wirklich großen und komplexen Unternehmen betreut. Denn das stärkt den Brand als leistungsstarke Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Wir haben in Deutschland erfahren, wieviel mehr einem dann zugetraut wird.

Aktuell prüft KPMG mit 18 Konzernen die mit Abstand meisten Dax30-Konzerne. Viele dieser Mandate wird KPMG in den nächsten Jahren abgeben müssen. EY als zweitgrößte WP-Gesellschaft müsste doch gute Chancen haben, der neue Wirtschaftsprüfer mit den meisten Mandaten zu werden. Trauen Sie sich nicht mehr als sechs Mandate zu?
Nein, das ist nicht der Grund. Wir wollen gar nicht unbedingt die meisten Mandate haben – wir wollen, dass das Verhältnis zwischen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Managementberatung ausgewogen ist. Außerdem sind wir als Prüfer auch stark bei den großen international aufgestellten Unternehmen im Mittelstand vertreten sowie bei den Dax-Plus-Unternehmen, also bei Konzernen mit einem hohen Unternehmenswert, die nicht an der Börse notiert sind. Das ist eine gute Mischung.

Waldersee: „Kunde entscheidet, ob wir Berater oder Prüfer sind“

Denkbar wäre allerdings auch, dass Sie nicht so viele Mandate wollen, damit Sie dort, wo Sie nicht prüfen, beraten können. Die Beratungshonorare sind bekanntlich höher als die Prüfungshonorare.
Ob uns der Kunde als Prüfer oder als Berater haben möchte, darüber entscheiden am Ende nicht wir, sondern der Kunde.

Sie könnten sich dazu entscheiden, zu einer Ausschreibung nicht anzutreten.
Nicht anzutreten, nur um den Beratungsumsatz nicht zu verlieren, wäre für uns undenkbar. Wir werden uns immer erstklassig präsentieren, allein schon, um unsere Marke nicht zu beschädigen.

Bei den Ausschreibungen für die großen Dax-Mandate dürften Sie immer gegen PwC, KPMG und Deloitte antreten. Wie wollen Sie sich von diesen drei Konkurrenten abheben? Nach außen hin wirken die Big Four sehr ähnlich.
Das mag der erste Eindruck sein, doch es gibt einiges, was uns unterscheidet: So ist EY die mit Abstand am stärksten global integrierte Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Der hohe Integrationsgrad ist ein handfester Wettbewerbsvorteil.

EY-Chef Waldersee: „Niedriges Honorar bringt keinen Vorteil“

Wie international ist EY denn?
Dazu müsste ich kurz ausholen. Bereits im Jahr 2008 wurden weltweit vier operative Einheiten gebildet: Amerika, EMEIA – also Europa, Mittlerer Osten, Indien und Afrika – Asien-Pazifik und Japan. Damals haben sich alle etwa 90 EMEIA-Länder unter der Dachgesellschaft Ernst & Young Europe LLP zusammengeschlossen. Die Partner der Mitgliedsländer sind dort Gesellschafter. Eine vergleichbar durchgängige und straffe globale Gesellschaftsstruktur hat keiner unserer Wettbewerber. Unser hoher Integrationsgrad zeigt sich in der Weise, wie wir über Landesgrenzen und die unterschiedlichen Servicebereiche hinweg gemeinsame Ziele verfolgen und in der Betreuung unserer globalen Kunden nahtlos zusammenarbeiten. Es ist eine gemeinsame Kultur, die uns auszeichnet.

Welche Rolle spielen die geforderten Honorare im Auswahlprozess? Man hört immer wieder, dass WP-Gesellschaften über Dumping-Preise versuchen, ein Mandat für sich zu gewinnen.

Ich bin mir grundsätzlich sicher, dass die Honorare der Big Four sich alle in einer ähnlichen Spanne bewegen. Und selbst wenn ein Prüfer einmal ein außergewöhnlich niedriges Honorar verlangt, so glaube ich nicht, dass ihm das zum Vorteil gerät. Im Gegenteil: Beim Mandanten hinterlässt das den Eindruck, dass der Prüfer die Komplexität des Geschäfts womöglich nicht verstanden hat.

julia.schmitt[at]finance-magazin.de

Info

Lesen Sie hier im zweiten Teil des Interviews mit EY-Chef Georg Waldersee, wie Ernst & Young sich gegen McKinsey, Bain & Co behaupten will und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt.

Auf unserer Themenseite Big Four können Sie außerdem nachlesen, mit welchen Strategien KPMG, PwC und Deloitte die besten Dax-Mandate gewinnen wollen.

Julia Schmitt ist Redaktionsleiterin von FINANCE-Online und Moderatorin bei FINANCE-TV. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre und Publizistik an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz stieg sie 2014 bei F.A.Z. BUSINESS MEDIA ein. Sie betreut die Themenschwerpunkte Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung und ist Trägerin des Karl Theodor Vogel Preises der Deutschen Fachpresse.