HHLA-CFO: „Ich habe gelernt, ruhig zu bleiben“

FINANCE: Frau Walter, Sie sind jetzt 16 Monate bei der HHLA in Hamburg an Bord. Als gebürtige Düsseldorferin trifft da die rheinische Frohnatur auf die doch eher als unterkühlt geltenden Nordlichter. Wie haben Sie sich eingelebt?Walter: Mir ist es leichtgefallen. Ich bin Rheinländerin, aber vom Naturell her ist mir schon öfters unterstellt worden, ich sei Norddeutsche. Wenn man offen auf die Menschen zugeht und ins Gespräch kommt, wird man gut aufgenommen. Und Hamburg macht es einem auch sehr leicht. Das Lebensgefühl, die Freundlichkeit der Menschen zeugen von einer offenen Kultur. FINANCE: Es war eine unruhige Zeit, in der Sie als CFO zur HHLA gestoßen sind. Das Jahr 2023 war für das Unternehmen schwächer verlaufen, dazu kam die Trennung von Ihrer Vorgängerin Tanja Dreilich, bei der auf beiden Seiten doch einiges an Porzellan zerschlagen wurde. Wie viel Zeit hatten Sie, um wirklich anzukommen?Walter: Ich habe mich natürlich vorbereitet und bin im Vorfeld in Gesprächen mit meinen Vorstandskollegen gewesen. Eine solche Aufgabe fängt man ja nicht wirklich am ersten Arbeitstag an, sondern man beschäftigt sich schon vorher damit. Von daher habe ich für mich selbst keine lange Eingewöhnung in Anspruch nehmen müssen. Und gerade weil wir im Unternehmen auch eine Reihe von Veränderungen und aktuelle Themen hatten, die es anzupacken galt, versteht man schnell, worauf es sich zu konzentrieren gilt, und kommt in die Tiefe der Themen. FINANCE: Haben Sie in der Hansestadt schon einen Lieblingsplatz oder gleich mehrere gefunden?Walter: Ich gehe am liebsten an der Außenalster spazieren. Aber auch unsere Terminals, die das Stadtbild hier prägen, faszinieren mich. Wenn ich am Ufer der Elbe stehe und auf die andere Seite hinüberschaue, zum Beispiel auf unseren größten Terminal Burchardkai, ist das immer wieder spannend: Die Technologie, die dahintersteckt, die schiere Größe der Schiffe und die Geschwindigkeit, mit der diese entladen werden, faszinieren mich. Mehr zum Thema HHLA findet neue CFO bei Steag Nach dem Drama um die ehemalige CFO Tanja Dreilich hat die HHLA eine neue Finanzvorständin gefunden: Annette Walter wechselt von der Essener Steag zu dem Logistikkonzern. Mehr lesen Annette Walter startete Karriere bei der Deutschen Bank FINANCE: Zu Beginn Ihrer Laufbahn war nicht absehbar, dass Sie einmal HHLA-CFO werden. Begonnen haben Sie nicht in der Industrie, sondern bei einer Bank.Walter: Am Anfang meiner beruflichen Laufbahn war für mich völlig klar: Ich gehe zu einer Bank, gern dann auch zur Deutschen Bank. Die Entscheidung, in die Industrie zu wechseln, war letztlich eine gute Gelegenheit, die sich bot. Ich bin 2006 zum Energieversorger E.on gewechselt, um beide Welten miteinander zu kombinieren. Das war für mich ein logischer Fit. Die Erfahrung, wie Banken agieren, hilft, effizient die Bedürfnisse eines Industrieunternehmens mit den Bankpartnern umzusetzen. Die beste Mischung macht die Erfahrung in mehreren Branchen. FINANCE: Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken, was war die größte Herausforderung oder auch die schönste Erinnerung?Walter: Für mich gibt es kein einzelnes Highlight. Aber was sich ein bisschen wie ein roter Faden durchzieht, ist, dass ich in meinem beruflichen Leben viele Krisen erlebt und begleitet habe, sei es die Asienkrise, Lehman oder Corona. „Ich habe in meinem beruflichen Leben viele Krisen erlebt.“ FINANCE: Was haben Sie daraus mitgenommen?Walter: Für mich war das Spannendste, dass all diese Krisen, so unterschiedlich sie waren, zunächst immer die gleichen Verhaltensmuster ausgelöst haben: Am Anfang steht eine große Hektik, teilweise sogar Panik bei den Betroffenen. Ich habe gelernt, ruhig zu bleiben, wenn so etwas passiert. Und dann überlege ich, wie ich damit umgehe. FINANCE: Und wie kann man das?Walter: Am besten geht man damit um, wenn man vorbereitet ist. Grundsätzlich zeigt sich in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, dass sich private Finanzinstitutionen häufig zurückziehen oder ihr Engagement reduzieren. Daher ist es wichtig, die richtigen Begleiter auf der Kapitalseite schon vor einer Krise zu finden und an sich zu binden. Zusätzlich sollte man als Unternehmen über ausreichend Liquidität verfügen. CFO Walter will die Liquiditätspolster der HHLA stärken FINANCE: Weil Sie es gerade sagten, es ist schön, die nötige Liquidität zu haben. Die ist bei der HHLA zuletzt abgeschmolzen. Mit welcher Cash-Position wären Sie zufrieden?Walter: Wir sind längst dabei, die nötige Liquidität wieder aufzubauen. Diese setzt sich neben der reinen Cash-Position natürlich auch aus möglichen fest zugesagten Kreditlinien zusammen. Basierend auf der Erfahrung, dass in volatilen Zeiten Liquidität ein unerlässlicher Erfolgsfaktor ist, haben wir eine hinreichende Vorsorge getroffen, die ich als Risikopuffer etwas großzügiger bemessen habe. FINANCE: Haben Sie vor diesem Hintergrund den Banken-Pool im vergangenen Jahr noch mal vergrößert oder verändert?Walter: Wir arbeiten mit einer relativ kleinen Bankengruppe, haben aber Zugriff auf weitere Häuser. In den vergangenen Jahren habe ich mit vielen Bankern und CFOs gesprochen, und dabei ging es viel um Finanzierungskriterien wie die Eigenkapitalquote oder den Laufzeitenmix. Das ist mir zu technisch. Es geht, bei aller Technik, auch um Geschäftspartnerschaft, und die hat immer was mit Verlässlichkeit zu tun. Wir müssen bei der Auswahl also sicherstellen, dass wir Finanzierungspartner haben, die historisch für eine gewisse Stabilität und Kontinuität bekannt sind und die nicht bei der ersten Krise weg sind. Alles zum Thema CFO-Interviews Egal ob gelungene Finanzierungen, komplexe M&A-Deals oder verpatzte Restrukturierungen: Finanzchefs müssen hier die Fragen der FINANCE-Redaktion parieren. Mehr lesen FINANCE: Eine Erfahrung, die viele deutsche CFOs in der Vergangenheit mit US-Banken durchaus gemacht haben.Walter: Diese Erfahrung teile ich. FINANCE: Wie sieht es mit den europäischen Banken aus?Walter: Die krisenfeste Finanzierung kritischer Infrastruktur wie im Hamburger Hafen gelingt nur im starken Netzwerk aus Banken, Unternehmen und auch staatlichen Finanzierungsträgern. Damit meine ich beispielsweise die Europäische Investitionsbank oder hier in Deutschland die KfW. Geschäftsbeziehungen mit diesen Häusern erfordern vielleicht zunächst mehr Aufwand, um eine Beziehung aufzubauen. Sie sind als öffentliche Banken in manchen Dingen bürokratischer als eine Privatbank. Aber wenn es zu Verwerfungen kommt, sind sie ein Stabilitätsanker. Und dieser Stabilitätsanker gibt einem Unternehmen in herausfordernden Zeiten die Möglichkeit, schnell handlungsfähig zu sein. Hamburger Hafenlogistik ist Teil der kritischen Infrastruktur FINANCE: Stichwort kritische Infrastruktur: Was sind die Herausforderungen, mit denen Sie aktuell zu tun haben?Walter: Wie die meisten Branchen sind auch wir im Wandel und stehen vor zahlreichen Herausforderungen, die bei der HHLA bereits seit ein paar Jahren angegangen werden. Dazu zählen vor allem die Modernisierung und die Automatisierung. Die HHLA setzt zudem nicht nur auf die klassische Hafenlogistik, mit der man uns meistens in Verbindung bringt, sondern verfügt mit Metrans auch über ein sehr starkes Bahngeschäft. Dieses macht fast die Hälfte unseres Geschäfts aus, Tendenz steigend. Das Ziel ist es, dieses Netzwerk auszubauen, also nicht nur die Schiffsladungen schnell zu löschen, sondern die Waren effizient und umweltschonend ins Hinterland zu transportieren. Das ist ein attraktives und zuweilen noch unterschätztes Wachstumsgeschäft. FINANCE: Wobei das mit dem Wachstum vor dem aktuell drohenden Handelskonflikt eine Herausforderung ist, oder? Zugleich müssen Sie in die Transformation der HHLA investieren. Was ändert das an Ihrer Finanzstrategie?Walter: So gut wie gar nichts. Die Investitionsstrategie ist schon 2019 aufgesetzt worden. Seitdem haben wir mehr als 1 Milliarde Euro ausgegeben, bis 2028 werden wir weitere 1,2 Milliarden investieren. Diese Technologieschübe sind notwendig, um auch kostenmäßig wettbewerbsfähig zu bleiben. FINANCE: Aber Sie müssen die Pläne doch durch all die Krisen hindurch anpassen.Walter: Unsere Aufgabe ist es, uns resilient aufzustellen und unser Netzwerk auszubauen, um auf Krisen reagieren zu können. Nach der Corona-Pandemie haben wir auch im Nachgang noch Verwerfungen in den internationalen Lieferketten gesehen. Diese könnten durch die US-Zölle wiederkommen. Sicher ist das aber keinesfalls. Aber deswegen schlafen weder meine Kollegen noch ich unruhig. Wir sind vorbereitet. FINANCE: Das klingt dennoch nach viel Optimismus …Walter: Wir sehen bei allen Problemen zu wenig die Chancen. Die neue US-Regierung hat eben eine andere Art, in Gespräche einzutreten, als wir es kennen. Die Verhängung von Zöllen hat auch Rückwirkungen auf die USA. Deswegen ist meine Überzeugung, dass es möglich sein wird, einen Interessenausgleich zu verhandeln. Kurzfristige Auswirkungen auf die Lieferketten wird es in jedem Fall geben, wir können allerdings noch nicht absehen, wie stark diese sein werden. „Wir sehen bei allen Problemen zu wenig die Chancen“. FINANCE: Eine Furcht vieler heimischer Unternehmen ist ja, dass aufgrund der US-Zölle viele chinesische Waren auf den europäischen Markt umgeleitet werden. Spüren Sie aktuell schon Auswirkungen auf Ihr Geschäft?Walter: Weltwirtschaftliche Entwicklungen wirken sich immer auch auf die Häfen und die Logistik aus. Wir sind da eine Art Frühindikator. China ist der wichtigste Handelspartner für den Hamburger Hafen. Hier sehen wir auch weiterhin ein Wachstum. FINANCE: Anlässlich Ihrer Berufung im vergangenen Jahr hat Aufsichtsratschef Rüdiger Grube Sie als Expertin rund um das Thema M&A gewürdigt. Planen Sie aktuell weitere Zukäufe?Walter: Wie viele Unternehmen reden auch wir nicht darüber. Wir kommunizieren, wenn es da etwas Neues gibt. Da bitte ich um Verständnis. FINANCE: Über Ihre Finanzabteilung haben wir noch gar nicht gesprochen. Was wollen Sie denn hier ändern, oder ist die so gut aufgestellt, dass Sie gar nichts anpacken müssen?Ich habe ein sehr gutes und motiviertes Team, aber natürlich sind Verbesserungen immer ein großes Thema. Wenn wir etwa den Umstieg auf SAP S/4 Hana betrachten, der in den meisten Unternehmen doch viel Geld verbrennt, ist uns dieser sehr gut gelungen. Wir haben es durch sehr viel internes Engagement geschafft, eine Erfolgsstory daraus zu machen. Das hätte so mancher Außenstehender einem so traditionsreichen, 140 Jahre alten Unternehmen wie uns vermutlich nicht zugetraut.

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