Das Schlagwort „Moderne CFOs“ ist in aller Munde. Als langjähriger CFO gewinne ich gelegentlich den Eindruck, dass wir erst noch einen Entdecker wie Kolumbus losschicken müssten, um diese geheimnisvollen CFOs zu finden. Das halte ich – gelinde formuliert – für Unsinn. Selbstverständlich sind CFOs, die sich nicht mit Strategie- oder Geschäftsmodellen beschäftigen, heute gar nicht mehr vermittelbar. Aber das waren sie auch vor zwanzig Jahren schon nicht, zumindest nicht in US Konzernen.
Als ich „groß geworden bin“ als Länder- oder DACH-CFO bei Nike, Pepsi oder Dell waren die zwei wichtigsten Fragen in meiner Jahresbeurteilung stets, wie ich das Geschäft beeinflusst habe („Influencing the business and adding value“) und wie ich meine Organisation weiterentwickelt habe („hiring talent“). Ich hätte diese Ziele nie erreichen können, wenn ich mich als CFO nur auf die Zahlen konzentriert hätte. Bei sämtlichen Präsentationen zur Marktentwicklung – Wachstum, Pricing-Trends, Alleinstellungsmerkmale unserer Produkte – musste ich Bescheid wissen, auch wenn die Marketing-Chefs sie vortrugen.
„Schumi will blow your budget, Paul“
Ich hätte mich damals nicht als „moderner CFO“ von meinen Kollegen abgegrenzt und würde das auch heute nicht tun. Das Finanzteam hatte schlicht und einfach die Aufgabe, dafür sorgen, dass nicht nur die kurzfristigen Ziele mit den Budgets zusammenpassten, sondern auch die mittelfristigen Ziele nicht aus dem Blick gerieten.
Niemals werde ich eine leidenschaftliche Diskussion im Sommer 1998 mit Erik vergessen, meinem damaligen Vorgesetzten aus der Konzernzentrale von Nike. Wir hatten die Chance, einen Werbevertrag mit Michael Schumacher abzuschließen. Schumacher war damals schon zweimaliger Formel-1-Weltmeister, hatte aber seit seinem Wechsel zu Ferrari nichts mehr gewonnen. Es zeichnete sich aber ab, dass Schumacher und Ferrari immer besser in Schwung kamen.
Im Cockpit trug Schumi Nike-Schuhe. Erik sagte: „You will blow your budget, Paul!“, und er hatte Recht. Nichtdestotrotz haben wir den Schumacher-Deal gemacht, und das hat die Marke Nike in Deutschland vorangebracht. In US-Konzernen sind Diskussionen, die auf eine große Abweichung vom Budget hinauslaufen, nicht trivial. Aber wir sind damit durchgekommen, weil der Nike-Gründer und CEO Phil Knight selbst in der Adidas-Heimat nur mit der Nummer 1 zufrieden gewesen wäre.
Das hat Nike zwar bis heute nicht erreicht, aber die Schumacher-Diskussion ist für mich idealtypisch für die Abwägung zwischen kurzfristigen Zielen und mittelfristiger Wertsteigerung. Als CFO musst du in solchen Situationen überzeugen und deine Glaubwürdigkeit riskieren.
Private Equity ist eine Kaderschmiede für CFOs
Bei der Suche nach den modernen CFOs zeigen viele Karriereberater immer wieder auch auf den Private-Equity-Markt, wo es um nichts anderes als um kurz- und mittelfristige Wertsteigerung geht. Auch ich glaube, dass viele CFOs aus PE-finanzierten Unternehmen den Konzern-CFOs in mancher Hinsicht voraus sind.
Das hat eine strukturelle Ursache, die ich selbst mit erlebt habe, als ich CFO bei Private-Equity-finanzierten Unternehmen gewesen bin. Als CFO war ich stets Member of the Board mit gleicher Gewichtung wie der CEO. Keine wichtige Entscheidung wurde ohne den CFO getroffen. Im Gegenteil: Da die PE-Fonds sehr zahlenaffin operieren, war der CFO häufiger ihr Ansprechpartner als der CEO.
In diesem Umfeld wurde die Strategie ständig diskutiert und hinterfragt, und es gab einen regen Austausch mit erfahrenen Industrie-Experten, meist Ex-CEOs, aus dem Netzwerk des PE-Investors. Beides empfand ich als äußerst inspirierend.
Meiner Meinung nach sollte jeder CFO, der Karriere machen will, Erfahrungen in einem PE-Projekt gesammelt haben. Natürlich muss man in Kauf nehmen, dabei teilweise smarte junge Akademiker anzutreffen, die vom Business an sich gar keine Erfahrung haben, aber der Überzeugung sind, die Welt erfunden zu haben. Das ist nicht immer lustig! Dafür haben alle Senior Guys der Private-Equity-Häuser nach meiner Erfahrung immer ein offenes Ohr für ihre Managementteams. „Teach them Paul, teach them!“, haben sie mir empfohlen, wenn ich mich mal wieder über die Interventionen ihrer Investmentmanager beklagt habe.
Und oft lassen sich Private-Equity-Projekte auch noch mit einer anderen wichtigen Erfahrung verknüpfen: Ich erachte auch die Automobilbranche für jeden erfolgreichen CFO als sehr lehrreich.
Dort arbeitet man quasi ohne Verträge – kaum ist die Tinte trocken, kommen die OEMs mit komplett neuen Anforderungen. Die langfristige Wertsteigerung auch in einem komplexen Umfeld zu pushen, ist das erste Merkmal, das aus meiner Sicht einen „modernen CFO“ prägt.
„I think it’s Armageddon, Paul!“: Den CEO nicht aus der Pflicht entlassen
Das zweite entscheidende Merkmal guter CFOs ist ihre Beweglichkeit. Während der großen Rezession nach Lehman war ich CFO eines Private-Equity-Portfoliounternehmens. 50 Prozent Umsatzeinbußen von 2007 zu 2008 standen zu Buche, die Covenants brachen. Mein CEO sagte damals: „I think it´s Armageddon, Paul“. Bei solch dramatischen Entwicklungen ist das Management gefordert, schnell zu handeln und aus der Defensive zu kommen, aber auch, das Geschäftsmodell womöglich neu zu erfinden.
Hier muss der CFO ein Leader sein, die üblichen Konsolidierungsmaßnahmen aber zwingend im Tandem mit dem CEO umsetzen. Auch ich habe erlebt, wie der CEO gesagt hat: „Mach Du als CFO lieber die Kostenseite, ich kümmere mich um das Geschäft!“ Schwachsinn, sage ich!
Der Ansatz muss holistisch sein. Genau so wenig, wie man Soll ohne Haben buchen kann, kann man in einer Restrukturierung Kostenreduzierung ohne Nachfrageoptimierung durchführen. Und das führt mich zum Schluss zum dritten Merkmal guter CFOs: Der Fähigkeit, im Tandem mit dem CEO zu arbeiten und den CEO auch in die Pflicht zu nehmen. Sind diese drei Punkte alle modern? Möglicherweise. Auf jeden Fall aber sind sie der Schlüssel zu einer erfolgreichen Karriere. Reine IT-Kenntnisse sind es nicht.
Info
Künftig wird CFO-Veteran Paul Taaffe an dieser Stelle regelmäßig bloggen. Lesen Sie mehr von ihm in seinem FINANCE-Blog „Chief Future Officer“.