Reverse Mentoring: Wie CFOs von der Generation Z lernen

Als Britta Alisa Layendecker im Januar dieses Jahres ihre neue Rolle als CFO bei dem Messtechnikspezialisten Zeiss in der Sparte Industrial Quality & Research antrat, erwartete sie ein sportliches Onboarding. Nach 16 Jahren beim Maschinenbauer Voith musste sie sich schnell in einer komplett anderen Welt zurechtfinden: neue Branche, neue Märkte, neue Produkte, neue Prozesse und nicht zu vergessen eine neue Unternehmenskultur. „So ein beruflicher Neustart ist aufregend und herausfordernd zugleich. Es erschien mir als ein günstiger Zeitpunkt, um mich persönlich weiterzuentwickeln“, erzählt sie im Gespräch mit FINANCE. In diesem Zusammenhang wollte sich die CFO vor allem zu Trends und Entwicklungen schlau machen: Zum einen interessierten sie die zuletzt im Zuge des Booms um Künstliche Intelligenz (KI) rasant gestiegenen Möglichkeiten, den Arbeitsalltag mit innovativen Tools zu erleichtern. Zum anderen wollte sie mehr über die derzeit in die Arbeitswelt einziehende „Generation Z“ (Jahrgänge 1995 bis 2010) erfahren. Neue Perspektiven durch Generation Z Die 39-Jährige stieß dabei auf „Reverse Mentoring“, ein relativ junges Konzept im Bereich der Führungskräfteentwicklung. CFOs wie Layendecker lernen dabei als Mentee von jüngeren Personen (Mentoren) mehr über Themen, in denen diese einen Wissensvorsprung gegenüber älteren Generationen haben. Dazu gehören Technologien, New Work, Start-ups, Social Media oder eben die Denke der Gen Z. „Ich hatte bei Voith bereits gute Erfahrungen mit klassischem Mentoring gemacht, bei dem ich als Mentorin Wissen und Erfahrungen an jüngere Kollegen weitergegeben habe. Nun in die Rolle der Mentee zu schlüpfen, war sehr reizvoll und erfrischend“, sagt Layendecker. Blinde Flecken aufdecken dank Mentoring Das Besondere: Layendeckers Tandempartner kam nicht aus dem eigenen Unternehmen. Stattdessen lief das Programm über das Digital-Native-Netzwerk „Digital 8“, bei dem Teilnehmer mit „handverlesenen Persönlichkeiten der jungen Generation“ über eine Online-Plattform gematcht und über die gesamte Laufzeit begleitet werden. „Das hat den Vorteil, dass sehr ehrliches Feedback zurückkommt. Genau das wollte ich auch: Nach so langer Zeit bei einem Unternehmen ist nicht auszuschließen, dass es den ein oder anderen blinden Fleck gibt, der mir nicht bewusst ist.“ Info Die CFO Britta Alisa Layendecker startete ihre Laufbahn 2005 als Trainee bei dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim. Drei Jahre später folgte der Wechsel in die Finanzabteilung des Maschinenbauers Voith, wo Layendecker schnell die Karriereleiter nach oben kletterte. Vor ihrem Wechsel zu Zeiss Anfang 2025 fungierte die studierte Betriebswirtin fünf Jahre als CFO der Voith-Sparte Paper Fabric & Roll Systems. Als Layendeckers Mentor fungierte Dominik Klepek, CEO und Gründer von Grammario, einer KI-Lernplattform für den Sprachunterricht. „Für mich war es auch die erste Erfahrung mit Reverse Mentoring. Ich hatte also keine Vorstellung, wie es ablaufen würde“, lächelt der 22-Jährige, der es im vergangenen Jahr in die Forbes-Liste „30 Under 30“ geschafft hat. Offener Austausch zwischen CFO und Gen-Z-Mentor Beim Kick-off-Termin im Februar stellten die beiden zur gegenseitigen Erleichterung schnell fest, dass es zwischenmenschlich gut passt. „Britta ist eine sehr offene und reflektierte Person, was es mir leichtgemacht hat, meine zu Beginn schon etwas gewöhnungsbedürftige Rolle als Mentor einzunehmen“, so Klepek. Bis Juni haben sich die beiden im Vier-Wochen-Takt per Videocall gesehen, da Layendecker in Oberkochen (Baden-Württemberg) und Klepek rund 400 Kilometer entfernt in Düsseldorf tätig ist. Eine Session dauerte rund eine Stunde. „Dominik schaut ganz anders auf so einen Konzernalltag.“ Britta Alisa Layendecker, Zeiss Inhaltlich hatten die beiden zu Beginn einen groben Rahmen abgesteckt, der im Anschluss aber flexibel gehandhabt wurde. „Im Fokus stand Brittas Ambition, neue Technologien und die Gen Z besser zu verstehen. Dabei versuchte ich, sie mit Rat und Tat zu unterstützen“, erzählt Klepek. Mentee Layendecker schätzt nicht zuletzt den Start-up-Background ihres Tandempartners: „Dominik schaut ganz anders auf so einen Konzernalltag und bemerkt Routinen, die mir nach so vielen Jahren selbstverständlich erschienen – nicht aber unbedingt immer effizient sein müssen.“ Innovative Tools und Mut zur Lücke Ein gutes Beispiel seien klassische To-dos von CFOs wie Ergebnispräsentationen oder KPI-Übersichten: „Ich weiß, dass es da inzwischen Alternativen oder zumindest Ergänzungen zu Powerpoint und Excel gibt. Dominik hat mir geholfen, die für meine Bedürfnisse besten Tools zu finden und zu nutzen.“ Durchaus kontrovers haben die beiden über die Inhalte diskutiert. „Klar muss eine CFO in der Ansprache der Stakeholder gewisse Vorgaben erfüllen. Ich glaube aber, dass zu viel Zahlenmaterial erschlagend wirken und so die zu übermittelnde Botschaft abschwächen kann. Etwas Mut zur Lücke kann da Wunder bewirken“, glaubt Klepek. Als wertvoll erachtet die CFO zudem Klepeks Einschätzungen zu den veränderten Kommunikationsformen der Gen Z. „Mir war nicht klar, wie asynchron die junge Generation hier inzwischen unterwegs ist. Selbst im Berufsleben spielen Messengerdienste wie Whatsapp eine immer wichtigere Rolle, um sich kurz und bündig mit den Kollegen auszutauschen. Die klassische E-Mail wirkt da fast aus der Zeit gefallen.“ Ob so eine legere Ansprache in einem Konzern wie Zeiss sinnvoll beziehungsweise durchsetzbar wäre, stehe freilich auf einem anderen Blatt, so Layendecker. „Aber allein dafür sensibilisiert zu werden, hat mir geholfen.“ Digitalisierung und Recruiting im Fokus von Zeiss Layendecker beschreibt ihren neuen Arbeitgeber als Industrieunternehmen, bei dem Digitalisierung und Transformation stark vorangetrieben würden. „Die Entwicklung ist rasant. Fast überall, wo früher Hardware benötigt wurde, steckt heute auch Software drin.“ Entsprechend konkurriere man auch um den begehrten, aber knappen IT-Nachwuchs. „„Die allermeisten Konzerne denken zu konservativ.“ Dominik Klepek, Grammario Klepek hält das Vorgehen der „Old Economy“ insgesamt bislang für wenig effektiv: „Die allermeisten Konzerne denken zu konservativ. Die Potentiale moderner Kanäle wie Instagram oder Tiktok werden nicht annähernd ausgenutzt, um junge Talente auf sich aufmerksam zu machen.“ Immerhin: Zeiss ist auf beiden Plattformen bereits vertreten und will diese künftig noch stärker bespielen. „Gerade im Recruiting versprechen wir uns da einen Vorteil“, sagt Layendecker. Positives Fazit zu Reverse Mentoring Zu ihrer jüngst zu Ende gegangenen Mentor-Mentee-Beziehung ziehen die beiden ein positives Fazit: „Das Programm hat meine Erwartungen voll erfüllt“, betont die CFO. Für Klepek war die Zusammenarbeit keine Einbahnstraße: „Ich habe viel von Britta gelernt.“ Einen Wechsel ins Konzernleben kann er sich vorerst aber nicht vorstellen: „Dafür schätze ich die Strukturen und kurzen Entscheidungswege bei Grammario einfach zu sehr.“ CFO-Kollegen, die sich Ähnliches vorstellen können, empfiehlt Layendecker, mit dem richtigen Mindset an die Sache ranzugehen: „Intrinsische Motivation ist wichtig, denn bei dem Konzept muss man Arbeit hineinstecken.“ Zudem gelte es, sich auf die ungewohnten Rollen einzulassen: „Bei vielen Führungskräften dürfte es eine Weile her sein, dass ihnen berufliche Dinge erklärt wurden, noch dazu von jüngeren Personen. Genau das macht Reverse Mentoring aber so wertvoll und lehrreich.“ Info Reverse Mentoring in Unternehmen: Das Programm Die kostenpflichtigen Reverse-Mentoring-Programme von Digital 8 laufen typischerweise zwischen 3 und 12 Monaten. In der Regel melden Unternehmen 10 bis 20 Führungskräfte simultan als Mentee an, die dann jeweils einen Mentor aus der Generation Z zur Seite gestellt bekommen.

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