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Virtuelle Teams nehmen im Finanzbereich zu

iStock / Thinkstock / Getty Images

Ohne Internet und mobile Endgeräte können Finanzchefs und Treasurer kaum mehr arbeiten. Auch sogenannte „virtuelle Teams“ kommen zunehmend zum Einsatz. Markus Kurfürst von Anzag agiert beispielsweise über Smartphones und Telefonkonferenzen mit seinem CFO Ralf Lieb und seinen Kollegen. Der Ressortleiter Treasury & Investor Relations des Pharmahändlers arbeitet auch in virtuellen Teams. „Das ist zwar nicht grundsätzlich so, aber tageweise schon“, sagt er gegenüber FINANCE. Auch Axel Gros, Director Corporate Finance bei Haniel, arbeitet teilweise in virtuellen Teams: „Allerdings nur projektbezogen. Dann aber auch mit externen Partnern wie Banken und Rechtsberatern. In diesen Fällen arbeiten wir verstärkt mobil, so zum Beispiel im Rahmen von Roadshows, die parallel durch zwei Teams durchgeführt werden. Hier müssen wir beispielsweise zu den Syndikaten und zu den Kollegen in der Heimatbasis regelmäßig Kontakt halten.“

Keine Einzelfälle

Kurfürst und Gros sind keine Einzelfälle. Bereits ein Drittel der Fach- und Führungskräfte arbeiten in virtuellen Teams. Das ergab eine Studie des Beratungsunternehmens ComTeam unter 447 Fach- und Führungskräften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Demnach erfolgt die virtuelle Zusammenarbeit fast zur Hälfte auf globaler, zu einem knappen Viertel auf europäischer Ebene und zu 30 Prozent mit Kollegen innerhalb eines Landes. Der Austausch finde dabei überwiegend über Smartphones und Telefonkonferenzen statt. In Zukunft würden Videokonferenzen und Tabletcomputer wichtiger.

Diese Ergebnisse sind nicht überraschend: Durch die Internationalisierung ergeben sich ganz neue Einsatzgebiete für CFOs. Ausländische Tochtergesellschaften, Kapitalmarktkommunikation und Investorensuche machen weltweites Reisen notwendig. Aber die Finanzchefs und Treasurer können nicht immer vor Ort sein. „Führen aus der Ferne ist im Zeitalter der Globalisierung und für international aufgestellt Konzerne nichts Außergewöhnliches, sondern notwendig und kann mit den modernen Kommunikationsmitteln ohne weiteres bewältigt werden“, ist ein Finanzchef überzeugt. Hinzu kommt, dass für die Karriere einige CFOs und Treasurer auch weitere Strecken zwischen Wohn- und Arbeitsort zurücklegen, weshalb sie ebenfalls nicht immer in der Unternehmenszentrale vor Ort sein können.

Fernbeziehung nicht beliebt

Besonders beliebt ist es allerdings nicht, wenn der Chef woanders sitzt. Nur ein Fünftel derer, die auf Distanz führen, gefällt diese Arbeitsweise, ergab die Umfrage von ComTeam. Auch bei den Mitarbeitern kommt das nicht gut an. Sie erwarten in der Regel, dass ihre Vorstände am Hauptsitz Flagge zeigen. Das hat CEO Heinz-Jürgen Bertram und CFO Bernd Hirsch des Duft- und Aromenherstellers Symrise auch dazu gebracht, vor einigen Jahren die Vorstandbüros sowie die Investor-Relations-Abteilung, die Unternehmensfinanzierung und Teile des Controllings aus Frankfurt am Main wieder zurück nach Holzminden, dem Unternehmenssitz von Symrise, zu holen.

Knapp 60 Prozent empfinden der ComTeam-Umfrage zufolge die erschwerte persönliche Kommunikation als einen der größten Nachteile. „Generell müssen Führungskräfte die Technik- und Medienkompetenzen noch stark verbessern, um die Potentiale neuer Medien und Arbeitsformen besser auszuschöpfen“, urteilt Lorenz Forchhammer, Leiter der Studie und ComTeam-Vorstand. „Führen aus der Ferne braucht manchmal ein paar Worte mehr, um Verbindung und Verbindlichkeit zu schaffen. Die Beziehungsebene wird oft außen vor gelassen.“ Die moderne Informationstechnologie ersetzt also nicht den persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitern. Axel Gros von Haniel bestätigt das: „Virtuelle Zusammenarbeit hat ihre Grenzen, da immer ein Teil der Kommunikation abgeschnitten wird.“ Seines Erachtens stellt sie eher eine Ergänzung als eine Ablösung von persönlichen Kontakten dar.

Angst vor steigender Belastung

Durch die moderne Technik sind alle, sowohl CFOs als auch Treasurer, ständig erreichbar, was nicht unbedingt positiv gesehen wird. 80 Prozent der von ComTeam Befragten erwarten künftig eine starke Belastung durch „always on“ und fast ebenso viele eine Informationsüberflutung. „Eine ständige Erreichbarkeit halte ich für eine Fehlentwicklung, die aufgrund der Belastung aber auch aufgrund übereilter Entscheidungen zu eher schlechteren als besseren Ergebnissen führt“, sagt Gros von Haniel zu diesem Punkt. „In speziellen zeitlich begrenzten Situationen, zum Beispiel während der Vermarktung einer Anleihe oder während der heißen Phase eines M&A-Deals, ist das eine andere Sache. Kurfürst von Anzag sieht es gelassen: „In einer guten Unternehmenskultur sollten zumindest Wochenende und Urlaub weitgehend zur Erholung da sein.“

Eins ist trotz der damit verbundenen Unannehmlichkeiten sicher: Die moderne Informationstechnologie ist heute zum selbstverständlichen Bestandteil der Verständigung geworden. Sämtliche Kommunikationswege wie E-Mail, Handy, Blackberry und Laptop werden genutzt. Markus Kurfürst von Anzag geht sogar davon aus, dass die virtuelle Zusammenarbeit durch die steigende Mobilität und technischen Möglichkeiten noch deutlich zunehmen wird.

sabine.paulus[at]finance-magazin.de

Sabine Paulus ist seit 2008 Redakteurin beim Fachmagazin FINANCE und der Online-Publikation DerTreasurer. Ihre Themenschwerpunkte sind Personal, Organisation, Karriere und Finanzierung. Sie ist M.A. und hat an der Universität Konstanz unter anderem das Hauptfach Deutsche Literatur studiert.