Nach sechs Jahren, davon mehr als die Hälfte im Überlebenskampf, verlässt Finanzchef Nikolaus Weinberger Windeln.de. Wie der strauchelnde Versandhändler für Baby- und Kinderartikel mitteilte, wird Weinberger zum Ende dieses Monats seinen Schreibtisch räumen. Die CFO-Aufgaben übernimmt Vorstandschef Matthias Peuckert zusätzlich zu seinen anderen Aufgaben – womöglich auch, weil Windeln.de die finanziellen Mittel fehlen, um einen neuen CFO einzustellen.
Windeln.de platziert zahllose Kapitalerhöhungen
Die wirtschaftliche Lage des Online-Händlers erscheint nahezu hoffnungslos. Seit seiner Gründung hat es Windeln.de nie in die schwarzen Zahlen geschafft. Die Cash-Burn-Rate war durchgehend erheblich und erreichte in vielen Quartalen einen zweistelligen Anteil vom Umsatz.
Auch 2020 lief es deutlich schlechter als vom Management versprochen. Zwar verbesserte sich der Jahresumsatz um 6 auf 76,1 Millionen Euro, aber Windeln.de fuhr erneut einen 8,6 Millionen Euro hohen operativen Verlust vor Zinsen und Steuern ein. Der eigentlich für 2020 versprochene Sprung in die Gewinnzone wurde weit verfehlt.
Rund zwei Drittel des Geschäfts macht Windeln.de in China. Dort schrumpfte im vierten Quartal der Umsatz sogar von 15,6 auf 12,4 Millionen Euro. Aktuell verfügt das Unternehmen noch über 5 Millionen Euro an liquiden Mitteln – die Zuflüsse einer ganz frischen Kapitalerhöhung über 1,4 Millionen Euro sind dort schon eingerechnet. Ende Dezember lag die Kassenposition noch bei 8,5 Millionen Euro und wurde auch damals schon von einer Kapitalerhöhung gestärkt: Im Oktober platzierte Windeln.de Aktien im Wert von 3,4 Millionen Euro – was gerade so reichte, um den Cash-Burn des vierten Quartals zu kompensieren.
Windeln.de ist Kapitalvernichter des Jahres
Es ist bemerkenswert, dass es CFO Nikolaus Weinberger immer wieder gelang, frisches Kapital aufzutreiben. Allein seit Februar 2019 gab Windeln.de viermal neue Aktien aus. Die größte Cash-Injektion kam mit dem IPO im Frühjahr 2015, den Weinberger – erst wenige Wochen zuvor zum CFO ernannt – maßgeblich begleitete. Anschließend tätigte Windeln.de zahlreiche Zukäufe von Web-Shops in West- und Osteuropa. Die meisten davon hat das Unternehmen inzwischen aber schon wieder abgestoßen beziehungsweise versucht dies gerade.
FINANCE-Köpfe
Bevor er zu Windeln.de kam, war Weinberger als Investmentbanker bei Goldman Sachs in Frankfurt, London und San Francisco tätig und beriet dort unter anderem bei M&A-Deals in den Sektoren Konsumgüter, Einzelhandel und E-Commerce. Die amerikanische Investmentbank war als Venture-Capital-Gesellschafter vor dem Börsengang minderheitlich an Windeln.de beteiligt.
Auch Weinberger war als einer der ersten Manager mit einem nennenswerten Anteil an Windeln.de beteiligt. Zudem beteiligte er sich auch an einigen der späteren Kapitalerhöhungen. Dennoch haben die vielen Kapitalmaßnahmen seinen Anteil bis auf weniger als 1 Prozent verwässert. Dieses Paket ist aktuell kaum mehr als 100.000 Euro wert.
Die zahllosen Verwässerungen der Aktionäre haben Windeln.de auch ungewollte Prominenz verschafft. Vor wenigen Wochen „kürten“ Aktionärsschützer das Unternehmen zum größten Kapitalvernichter der vergangenen Jahre. Anleger, die beim Börsengang eingestiegen sind, haben über 99 Prozent ihres Investments verloren.
Info
Mehr über den Lebenslauf des scheidenden Windeln.de-CFOs lesen Sie im FINANCE-Köpfe-Profil von Nikolaus Weinberger.