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Brenntag: Streit um Aufsichtsrat geht in die nächste Runde

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Die Aufsichtsrats-Frage bleibt weiterhin umstritten. Nun hat Brenntag vom Aktionär Kühne Rückenwind erhalten. Foto: nmann77 – stock.adobe.com
Die Aufsichtsrats-Frage bleibt weiterhin umstritten. Nun hat Brenntag vom Aktionär Kühne Rückenwind erhalten. Foto: nmann77 – stock.adobe.com

Der Countdown bis zur entscheidenden Hauptversammlung bei Brenntag Mitte Juni läuft – und könnte kaum konfliktreicher sein: Bereits vor gut einem Monat äußerte der Hedgefonds Primestone, der zu rund 2 Prozent an dem Chemiedistributor beteiligt ist, in einem offenen Brief Zweifel an den von Brenntag vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitgliedern und stellte seinerseits zwei Gegenkandidaten auf. Unterstützung bekommt Primestone nun vom US-amerikanischen Stimmrechtsberater ISS, der sich am vergangenen Freitag für die Kandidaten des Hedgefonds ausgesprochen hatte.

Stimmrechtsberater ISS unterstützt Primestone

Es ist das erste Mal in Deutschland, dass sich ISS gegen die Kandidaten des Unternehmens ausspricht und Investoren empfiehlt, die Gegenkandidaten zu wählen, so Primestone. Das könnte dem aktivistischen Investor helfen, der mit seinen Forderungen um Unterstützung anderer Fonds wirbt. Die zentrale Forderung des Aktivisten ist die Aufspaltung des Chemikalienhändlers. Auch kritisierte Primestone die Kommunikation sowie die Führung der Essener. Die Empfehlungen von ISS sind einflussreich, wie sich beispielsweise beim Vertrauensentzug gegen Bayer-Chef Werner Baumann gezeigt hatte.

Als Gegenkandidaten hat Primestone Geoff Wild und Joanna Dziubak ins Rennen geschickt. Dziubak kommt von der US-Investmentbank Goldman Sachs, Will leitete einst die deutsche Spezialchemie- und Ausrüstungsfirma Atotec. Der Vorschlag von Brenntag sieht indes die Wiederwahl von Richard Ridinger vor, der nach drei Jahren im Aufsichtsrat dann auch den Vorsitz übernehmen soll. Neu in den Aufsichtsrat soll Suja Chandrasekaran gewählt werden, sie soll dort auf die bisherige Chefkontrolleurin Doreen Nowotne folgen.

In dem am heutigen Dienstag veröffentlichten Brief wirbt Primestone für die eigenen Kandidaten und zitiert ISS: „Wild, mit einem akademischen Hintergrund in Chemie, Erfahrung auf CEO-Ebene und Branchenkenntnissen, wäre eine qualifizierte Ersatzkraft für Ridinger, während Dziubaks Finanzexpertise für die aktuellen Bedürfnisse des Vorstands wichtiger zu sein scheint als Chandrasekarans technologisches Fachwissen.“ Ridinger hingegen sei aus Sicht von Primestone bei der Berufung in den Aufsichtsrat vor drei Jahren „eine starke Ergänzung auf dem Papier“ gewesen, habe aber seine Chance gehabt und solle nun nicht wiedergewählt werden.

Brenntag und Primestone liefern sich Schlagabtausch

Brenntag reagierte noch am vergangenen Freitagabend auf die Empfehlung von ISS und stellte klar, dass man der Beurteilung entschieden widerspreche. Der Chemikalienhändler empfiehlt seinen Aktionären weiterhin, für die vorgeschlagenen Kandidaten zu stimmen und betont, dass beide Kandidaten absolut unabhängig seien. In der Stellungnahme wird Geoff Wild, den von Primestone vorgeschlagenen Kandidaten, diese Unabhängigkeit abgesprochen. Wild habe zudem nur Erfahrungen mit der Spezialchemie für den Elektronikbereich, ihm fehle es an breiterer Erfahrung im Chemiesektor.

Die Brenntag-Kandidatin Chandrasekaran bringe außerdem Expertise im Bereich digitale Transformation, IT und Supply Chain mit – Skills, die aus Sicht von Brenntag im Aufsichtsrat benötigt werden. Dziubak wiederum bringe keine neue Expertise in das Gremium ein. Weiterer Kritikpunkt des Chemikalienhändlers: Primestone würde mit zwei Mitgliedern einen Anteil von 33 Prozent im Aufsichtsrat haben, und dass bei nur rund 2 Prozent Beteiligung am Unternehmen. Darin sieht Brenntag die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates gefährdet.

Das ließ Primestone wiederum nicht lange auf sich sitzen und reagierte prompt: „Unsere Kandidaten Joanna Dziubak und Geoff Wild sind in jeder Hinsicht vollständig unabhängig von Primestone. Sie erhalten keine Vergütung von Primestone und haben niemals eine solche erhalten.“

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Kühne spricht sich für Brenntag-Kandidaten aus

Rückenwind bekommt Brenntag aber vom Unternehmer Klaus-Michael Kühne, der auch bei der Lufthansa engagiert ist. Am gestrigen Montag gab der Logistikkonzern Kühne bekannt, die von Brenntag vorgeschlagenen Kandidaten wählen zu wollen, schreibt das „Handelsblatt“. Die Hamburger Holding des Unternehmers Klaus-Michael Kühne hatte erst im April ihre Beteiligung von gut 3 Prozent auf über 5 Prozent aufgestockt.

Karl Gernandt, Executive Chairman von Kühne, erklärte gegenüber der Zeitung: „Aus unserer Sicht sind die Aktionäre von Brenntag, die an einer nachhaltigen und erfolgreichen Weiterentwicklung des Unternehmens und einer kontinuierlichen Steigerung des Unternehmenswerts interessiert sind, gut beraten, unserem Beispiel zu folgen.“

Anlässlich der Unterstützung der Kühne Holding meldete sich Primestone wieder zu Wort: „Wir wundern uns über die Doppelmoral von Brenntag: Auf der einen Seite scheint man ein Problem mit einem unserer Kandidaten zu haben, der zweifelsfrei unabhängig ist. Auf der anderen Seite erachtet man den stellvertretenden Aufsichtsratsvorsitzenden, Dr. Rittstieg, als unabhängig, obwohl er im Aufsichtsrat von gleich zwei Kühne-Gesellschaften sitzt, der Kühne Holding und Hapag-Lloyd.“

Brenntag-Aktie bleibt stabil

Allen Streitigkeiten zum Trotz entwickelt sich die Brenntag-Aktie gut. Am heutigen Dienstagvormittag konnte das Papier ein leichtes Plus verzeichnen, es notiert derzeit bei gut 75 Euro. Auf Sechsmonatssicht beträgt der Zuwachs sogar über 25 Prozent. Ob das so bleibt, wird unter anderem vom Verlauf und Ausgang der Hauptversammlung Mitte Juni abhängen.

Es ist schließlich noch offen, wie sich die anderen Großaktionäre positionieren, darunter der Vermögensverwalter Blackrock (5,26 Prozent), der US-Investor Capital Group (5,05 Prozent) und der Vermögensverwalter Flossbach von Storch (2,97 Prozent). Der zweite große amerikanische Stimmrechtsberater Glass Lewis hat noch keine Empfehlung für die Brenntag-Hauptversammlung abgegeben.

Hannah Weimann

Hannah Weimann ist Redakteurin bei FINANCE. Sie hat in Mainz Wirtschaftsrecht mit internationalem Schwerpunkt studiert. Während ihres Studiums hat sie bereits in verschiedenen Kanzleien im Bereich Medienrecht und Gesellschaftsrecht sowie in der Compliance-Abteilung eines Finanzinstituts gearbeitet. Vor ihrer Zeit bei FINANCE hospitierte Hannah Weimann in der Lokalredaktion der Allgemeinen Zeitung Mainz.