Herr Tauber, noch vor drei Jahren war Viessmann ein kaum beschriebenes Blatt am M&A-Markt. Als Sie im Jahr 2016 zu dem Heiztechniker wechselten, wie war das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt M&A-seitig aufgestellt?
Viessmann hat auch vor meiner Zeit viele M&A-Aktivitäten getätigt. Allerdings liefen die Transaktionen damals aus dem Bereich „Corporate Development”. Im Jahr 2016 haben wir uns dann dazu entschlossen, unsere M&A-Aktivitäten in einem eigenen Team mit dedizierten Investment Targets zu bündeln, verbunden mit dem klaren Ziel, noch viel stärker zu einem ‚Unternehmen für Unternehmer‘ zu werden. Das bedeutet für uns, dass wir unser M&A-Mandat nun deutlich flexibler betrachten und neben klassischen 100-prozentigen Beteiligungen auch Minderheitsbeteiligungen eingehen. So können wir insbesondere Gründerunternehmer auch nach einer Übernahme langfristig in unserem Team halten.
Viessmann: Die drei Gründe für die M&A-Abteilung
Wie ging es nach diesem Startschuss weiter?
Ähnlich wie in der Automobilindustrie wandert in unserer Branche die Nachfrage von Heizsystemen mit fossilen Energieträgern stärker zu elektrobasierten Heizlösungen. Deshalb wollen wir uns künftig zu einem Lösungsanbieter für den kompletten Lebensraum mit nahtlosen Klimalösungen entwickeln. Dieses Ziel erklärt daher nicht nur die Erweiterung unseres Produktportfolios um Kühl- und Lüftungssysteme, sondern auch unsere M&A-Strategie, die wir aus unserer übergeordneten Unternehmensstrategie und dem damit verbundenen Leitbild „We create living spaces for generations to come“ abgeleitet haben.
Wie sieht diese M&A-Strategie konkret aus?
Wir werden unser Geschäft stärker internationalisieren und uns geographisch weiter diversifizieren. Aktuell wird noch ein bedeutender Teil unseres Umsatzes von zuletzt 2,5 Milliarden Euro in Deutschland erzielt.
Was kennzeichnet Viessmanns M&A-Strategie noch?
Wir fokussieren uns auf Unternehmen, die portfolioseitig, unternehmerisch und kulturell zu uns passen. Die Bandbreite potenzieller Partner ist groß: Wir sprechen von Unternehmen mit Jahresumsätzen zwischen 10 und 250 Millionen Euro, mit einem Geschäftsschwerpunkt außerhalb Deutschlands und mit starken Management- oder Gründerteams, die durch eine gemeinsame Plattform mit uns noch stärker wachsen können. Insgesamt haben wir im Moment über 20 potenzielle Targets in der Pipeline.
„Im Moment haben wir über 20 Targets in der Pipeline.“
Recruiting war Viessmanns größte Herausforderung
Was waren die größten Schwierigkeiten beim Aufbau Ihrer M&A-Abteilung?
Tatsächlich haben wir anfangs unterschätzt, wie viel Zeit der Ausbau eines M&A-Teams erfordert. Schwierig war vor allem die Suche nach qualifizierten Kollegen, die sich mit unserer Unternehmenskultur, unseren Nachhaltigkeitszielen und unserer M&A-Strategie identifizieren und gleichzeitig auch noch Digitalkompetenzen mitbringen. Das hat viel Zeit in Anspruch genommen.
„Um unser vierköpfiges M&A-Team zusammenzustellen, haben wir mehrere Anläufe gebraucht.“
Warum war das so schwer? Es gibt zahllose Banken und Berater, die ihre M&A-Teams verkleinern.
Der Standort unseres Unternehmens in Allendorf an der Eder in Nordhessen ist für manche Bewerber aus klassischen M&A-Standorten wie Frankfurt, München, London oder Paris auf den ersten Blick weniger attraktiv. Deshalb haben wir mehrere Anläufe gebraucht, um das jetzt vierköpfige M&A-Team zusammenzustellen. Wir haben zwei Manager auf der Dealseite, einen M&A-Anwalt sowie einen Operations Manager.
Was genau macht Ihr Operations Manager?
Da unsere M&A-Strategie nicht nur auf 100-prozentige Übernahmen mit anschließend harter Integration abzielt, sind wir häufig zunächst minderheitlich an Unternehmen beteiligt. Die Option, die Anteile später aufzustocken, halten wir uns offen. Entsprechend betreut unser Operations Manager diese Beteiligungen sowohl im Tagesgeschäft als auch in der strategischen Weiterentwicklung.
Viessmann schließt zwölf Deals in nur zwei Jahren ab
Wie viele Deals haben Sie mit Ihrem neu formierten Team schon gemacht?
Seit 2017 haben wir zwölf Transaktionen getätigt, davon acht Zu- und vier Verkäufe. Zu unseren jüngsten Beteiligungen gehören beispielsweise der norwegische Kältetechniker IAC Vestcold sowie der Nah- und Fernwärmespezialist Pewo Energietechnik. Auf der Verkaufsseite haben wir uns hauptsächlich von Bereichen getrennt, die wir nicht mehr als Kerngeschäft oder Wachstumsfeld erachten. Dazu gehörte unsere Eisengießerei Weso, die wir vergangenes Jahr an die Serafin Gruppe veräußert haben.
Und wie soll es weitergehen?
Noch in diesem Jahr werden wir unser Team auf mehr als sechs Mitglieder vergrößern. Wenn wir das geschafft haben, sehen wir uns gut gewappnet für mehr internationale und auch größere Deals.
„Wir haben uns hauptsächlich von Bereichen getrennt, die wir nicht mehr als Kerngeschäft oder Wachstumsfeld erachten.“
Info
Wie genau der Aufbau der Viessmann-M&A-Abteilung ablief, berichtet Timo Tauber auf dem FINANCE M&A-Roundtable am 12. September in Frankfurt. Dort wird es auch noch zwei weitere interessante Werkstattberichte von M&A-Profis geben. Der Roundtable richtet sich ausschließlich an Corporate-M&A-Professionals. Sie gehören dazu und sind interessiert an der Teilnahme? Hier können Sie sich kostenlos registrieren.
Olivia Harder ist Redakteurin bei FINANCE und verfolgt schwerpunktmäßig die aktuellen Entwicklungen im Private-Equity- und M&A-Geschäft. Sie hat Philosophie, Politikwissenschaften, Soziologie und Geographie an der Justus-Liebig-Universität in Gießen studiert, wo sie auch einen Lehrauftrag innehatte. Vor FINANCE arbeitete Olivia Harder in den Redaktionen mehrerer Wochen- und Tageszeitungen, unter anderem beim Gießener Anzeiger.