Das Agrar-Unternehmen Ekosem soll in russischer Hand zur Ruhe kommen: Der Walldorfer Konzern sieht für seine andauernden finanziellen Probleme eine Lösung im Verkauf zweier Anleihen. Darüber hinaus soll das operative Geschäft aus Russland mit dem deutschen zusammengeführt werden. Das gab der Konzern am heutigen Montag bekannt.
Der Vorstand sowie der Aufsichtsrat des auf Milchprodukte spezialisierten Unternehmens haben beschlossen, ihren Gläubigern zweier Inhaber-Teilschuldverschreibungen jeweils ein Restrukturierungskonzept vorzulegen. Betroffen sind zum einen die 2012 begebene Anleihe über 78 Millionen Euro, die mit einer Laufzeit von 15 Jahren und einem Kupon von 2,5 Prozent versehen ist, zum anderen die 2019 begebene Anleihe über 100 Millionen Euro, die zehn Jahre laufen soll und ebenfalls einen Kupon von 2,5 Prozent bietet.
Investoren winken mit einer Finanzspritze für Ekosem
Das Konzept sieht vor, dass die Anleihegläubiger sämtliche Schuldverschreibungen der Anleihen sowie die aufgelaufenen Zinsen zu einem Kaufpreis in Höhe 300 Euro je Schuldverschreibung mit einem Nennwert von 1.000 Euro verkaufen. Die Gläubiger könnten damit immerhin mit 30 Prozent ihres Einsatzes rauskommen. Bezahlen sollen die Transaktion Investoren, die zusätzlich Interesse an einer Eigenkapitalbeteiligung an der Gesellschaft haben. Am 2. Mai soll bei den dafür anberaumten Anleihegläubigerversammlungen darüber angestimmt werden.
„Unsere Anleihen waren seit 2012 eine wichtige finanzielle Stütze beim Aufbau unseres Geschäfts, verbunden mit einer attraktiven Rendite für unsere Anleihegläubiger. Angesichts einer weiter ungewissen politischen Entwicklung halten wir einen Verkauf der ESA-Anleihen zu einem Kurs von mehr als 165 Prozent über den Durchschnittskursen des ersten Quartals 2024 für eine große Chance für die Anleger, zumindest einen Teil ihres ursprünglichen Investments zurückzuerhalten“, sagt Stefan Düss, Vorstand von Ekosem-Agrar.
Russisches und deutsches Geschäft sollen eins werden
Darüber hinaus hat die Gesellschaft heute bekanntgegeben, dass sie die deutsche Holdinggesellschaft mit dem in Russland angesiedelten operativen Geschäft zusammenführen will. Dazu will sie direkt und indirekt gehaltene Anteile an den russischen Zwischenholdings verkaufen. Käuferin ist eine russische Erwerbergesellschaft, die von aktuellen Aktionären der Gesellschaft gehalten werden wird.
Die interessierten russischen Investoren sollen eine Finanzspritze von bis zu 100 Millionen Euro beabsichtigen, die in jene russische Erwerbergesellschaft investiert werden soll, so der Konzern. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass die Umstrukturierung der Anleihen und die Übertragung der Anteile an den russischen Zwischenholdinggesellschaften umsetzt werden.
Gläubigervertreter und der Gläubigerbeirat begrüßen die vorgeschlagenen Maßnahmen angesichts der politischen Situation sowie der Entwicklung der Börsenkurse, wollen das Konzept allerdings triefgreifend prüfen.
Ekosem-Agrar erlebt unruhige Zeiten
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die darauffolgenden westlichen Sanktionen haben Ekosem-Agrar erheblich belastet: Auf Basis vorläufiger Zahlen fiel das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 2023 gegenüber dem Vorjahr um 52 bis 60 Prozent auf 160 Millionen bis 195 Millionen Euro. Das Management führt dies primär auf gestiegene Produktionskosten bei niedrigeren Milchpreisen zurück.
Erst im August 2023 wurde der Jahresabschluss 2021 des deutsch-russischen Agrarkonzerns erneut nicht testiert. Grund dafür soll das schon längerfristig vorherrschende Liquiditätsrisiko sein. Darüber hinaus musste Ekosem in der zweiten Jahreshälfte 2022 mehrmals die Stundung von Zinszahlungen seiner beiden Mittelstandsanleihen ersuchen, die es Mitte 2022 bereits restrukturieren musste.
Der langjährige CFO Wolfgang Bläsi hatte die Walldorfer Ende 2022 „aus persönlichen Gründen“ verlassen. Sein Nachfolger wurde Alexander Krastilevskiy, der zuvor als CFO einer Einheit der Suek-Gruppe, dem größten russischen Kohleförderer, fungierte.
Der Vorstand sieht im Verkauf den richtigen Schritt, um das operative Geschäft zu erhalten und den Fortbestand der Gruppe zu gewährleisten.
Esra Laubach ist Redakteurin bei FINANCE und widmet sich schwerpunktmäßig den Themen Transformation, Restrukturierung und Recht. Sie ist Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin. Vor FINANCE war sie rund fünf Jahre als Legal-Journalistin für den Juve Verlag in Köln tätig, wo sie auch ihr journalistisches Volontariat absolvierte. Esra Laubach arbeitete während ihres Studiums multimedial u.a. für das ARD-Morgenmagazin, mehrere Zeitungen und moderierte beim Hochschulradio Kölncampus.
