O2-Mutter Telefónica auf Datenjagd

Was sind schon 3 Prozentpunkte? Die von der Bundesregierung im vergangenen Sommer beschlossene Senkung der Mehrwertsteuer bis Jahresende 2020 mag auf den ersten Blick läppisch wirken. Doch für den Mobilfunkriesen Telefónica Deutschland war die Umsetzung der Vorgabe alles andere als trivial. Innerhalb von drei Wochen musste der O2-Konzern die Reduzierung von 19 auf 16 Prozent umsetzen. „Das Thema hat Dutzende Kollegen in Vollzeit beschäftigt. Wir hatten erhebliche Investitionen für IT-Anpassungen und buchhalterische Prozesse“, sagt CFOMarkus Rolle rückblickend. Die Mehrwertsteuersenkung legte nochmals schmerzhaft offen, was Rolle und seinem Team bereits bewusst war. Längst nicht alle Prozesse bei Telefónica laufen Stand heute vollautomatisiert. Wenn es schnell gehen muss, braucht es oft noch viel Manpower. Telefónica Deutschland und sein CFO haben sich daher ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: „Wir wollen in den kommenden fünf Jahren einen Wandel vollziehen und ein durch und durch datengetriebener Konzern werden. Die Art, wie wir arbeiten, wird sich komplett verändern.“ Telefónica will Daten gewinnbringend nutzen Das Zielbild heißt konkret: Der Finanzbereich soll weg vom vielfach aufwendigen manuellen Sammeln von Daten hin zu größtmöglich automatisierten Prozessen und Lösungen. Die Menge an Daten, mit denen Telefónica umgeht, ist enorm. Allein in Deutschland zählen die Münchener 44 Millionen Kunden, „hier entstehen 5 Milliarden Datenpunkte pro Tag“, sagt Rolle, der in seiner Funktion auch die Datenanalyse des Konzerns und das Start-up-Labor Wayra verantwortet. Der Weg zum vollen und automatisierten Handling dieser Daten ist indes noch weit: Telefónica ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, unter anderem durch den Kauf des Konkurrenten E-Plus. Die über die Jahre entstandene Systemlandschaft der Münchener bezeichnet CFO Rolle als „stark fragmentiert“. Bei einem einzigen Prozess, zum Beispiel der Kundenabrechnung, nutzt ein Mitarbeiter bis zu 17 Anwendungen, hat eine Analyse ergeben. FINANCE-Köpfe Markus Rolle, Telefonica Deutschland Holding AG Markus Rolle startet seine berufliche Karriere 2001 beim Mobilfunkanbieter E-Plus, wo er zunächst als Business Analyst im Controlling tätig ist. Dort steigt der Manager schrittweise auf: Ab 2004 bekleidet der Diplom-Kaufmann verschiedene leitende Positionen im Finanzbereich der E-Plus-Gruppe und des damaligen niederländischen Eigentümers KPN. Bei E-Plus arbeitet Rolle unter anderem als Director Controlling, bei KPN als CFO des Bereichs Consumer Mobile. Von November 2013 bis September 2014 fungiert Rolle als Integration Manager im Post-Merger-Integrationsprozess zwischen Telefonica Deutschland und E-Plus. Im Anschluss leitet Rolle das gruppenweite Controlling. Im August 2017 steigt der Manager zum CFO von Telefonica Deutschland auf. zum Profil „Wir wollen runter auf maximal fünf“, erklärt Rolle. Eine seiner ersten Amtshandlungen im Zuge der digitalen Transformation des Unternehmens war etwa die Weiterentwicklung der klassischen Business Intelligence in ein Digital & Data Competence Center. „Dort werten wir interne Daten und Marktdaten aus, nutzen KI-Anwendungen und haben ein Digitallabor, über das wir Startups suchen, die für uns interessant als Dienstleister oder Beteiligung sind“, erklärt CFO Rolle. Doch das neue Transformationsprogramm „Finance in Transformation“ („Fit“) geht darüber hinaus und greift in viele Kernprozesse im gesamten Konzern ein, weshalb CFO Rolle sich für die Planung viel Zeit genommen hat. Hierfür erarbeitete er zusammen mit der Unternehmensberatung Hackett im Zuge einer „Visionsphase“ ein klares Zielbild. Viele kleine Schritte in einem Marathon Telefónica-Finanzchef Rolle will sich dem Ziel des digitalen Konzerns Stück für Stück nähern: „Wir möchten viele kleine verdaubare Projekte angehen“, erläutert der seit Sommer 2017 amtierende CFO. Das hat zwar auch technische Gründe, vor allem aber menschliche: „Es ist unheimlich wichtig, die Mitarbeiter mitzunehmen“, sagt er. „Viele kleine Projekte, die funktionieren, motivieren mehr als ein großes, das schiefgeht oder einen viel zu weit entfernten Endpunkt hat.“ „Einige manuelle Tätigkeiten wird es nicht mehr geben. Da muss sich das Team drauf einstellen.“ Markus Rolle, Telefónica-Finanzchef Rolle versucht, seinen Mitarbeitern zudem die Angst vor den neuen Technologien zu nehmen. Die Aufgabenportfolien würden sich durch die Transformation tatsächlich wandeln, sagt Rolle. „Einige manuelle Tätigkeiten wird es nicht mehr geben. Da muss sich das Team drauf einstellen.“ Die etwa 400 Mitarbeiter im Finanzbereich würden jetzt systematisch für künftige Anforderungen geschult. Auch finanziell muss die Transformation bewältigt werden. Die kleinen Projekte summieren sich zu einem stattlichen Betrag: Rolle erwartet, dass allein die Finanzprojekte einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag kosten werden. „Im gesamten Unternehmen kommen wir auf einen niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenbetrag.“ Rolle spricht in Bezug auf das Transformationsprojekt jedoch gern von einem „Self-funding Case“: „Wir wollen nur so viel investieren, wie wir im Gegenzug auch einsparen“, sagt er. Forderungsverbriefung mit KI Erste Projekte, die auf Prozessautomatisierung und Datenanalyse abzielen, hat die Finanzabteilung von Telefónica bereits umgesetzt. So hat das Unternehmen Sepa Instant Payments eingeführt, um die Prozesse für seine Kunden zu verbessern. Im Working Capital Management nutzt Telefónica mittlerweile immer öfter Künstliche Intelligenz, um beispielsweise die Ausfallwahrscheinlichkeiten bei Lieferungen und Leistungen zu berechnen. Insbesondere eine bilanzielle Eigenart der Mobilfunkbranche soll die Technologie kosteneffizient lösen: O2 finanziert seinen Kunden auf Wunsch die immer teurer werdenden Smartphones vor. „Das führt zu einem riesigen ausgehenden Cashflow am Anfang des Vertrags, die Forderungen werden von den Kunden aber erst im Laufe der Vertragslaufzeit zurückbezahlt. Den Dip will ich als CFO aber nicht haben.“ FINANCE-Themenseite Robotics und Künstliche Intelligenz Eine Reihe von Routinearbeiten im Finanzbereich lassen sich über Algorithmen bereits automatisiert abwickeln. Selbstlernende Systeme sollen bald noch komplexere Aufgaben stemmen. Mehr zum Thema Telefónica verbrieft die Forderungen daher und verkauft sie an Banken. „Wir nutzen dabei jetzt KI-basierte Tools und können dadurch genau auf Ausfallrisiken analysierte Datensätze an die Banken übertragen.“ Das größte Volumen einer Transaktion lag bislang bei über 250 Millionen Euro. Telefónica will S/4 Hana einführen Doch nicht jede Nutzung neuer Technologien verläuft immer reibungslos. Im Sommer geriet Telefónica in die Schlagzeilen, weil der O2-Konzern ein neues Produkt des Bonitätsprüfers Schufa nutzte. Die Schufa wollte über einen einfachen Opt-in Konteneinsicht bei Telefónica-Kunden erlangen, wie Medien berichteten. „Die Zusammenarbeit mit der Schufa war ein kleiner Test mit einer Handvoll Kunden“, erklärt CFO Rolle hierzu. „Das war von unserer Seite alles rechtlich geprüft, und wir haben uns zu jeder Zeit an die Datenschutzgrundverordnung gehalten.“ Man sei schließlich zu dem Schluss gekommen, dass das Produkt schlicht keinen ausreichenden Mehrwert liefere. „In drei bis vier Jahren soll S/4 Hana vollständig eingeführt sein.“ Markus Rolle, Telefónica-Finanzchef Nun steht für CFO Rolle erst einmal die Verkleinerung der ERP-Landschaft an: „Unsere alten Legacy-Systeme sollen abgestellt oder auf SAP S/4 Hana integriert werden“, erklärt Finanzchef Rolle. Der Mobilfunkkonzern befindet sich dabei aber noch in der Analysephase. „Vollständig eingeführt sein soll SAP S/4 Hana in drei bis vier Jahren.“ Derzeit analysieren die Finanzer, welche Module sie konkret nutzen möchten. Ziel ist es letztlich, auf Knopfdruck Analysen ziehen zu können. Wie in vielen Unternehmen verbringen Telefónica-Finanzer noch viel Zeit mit dem Sammeln der Daten. Finanzchef Rolle hat ein klares Ziel: „Unsere Mitarbeiter sollen einen größeren Anteil ihrer Arbeitszeit für die Analyse aufwenden und zukunftsgerichtete Entscheidungen unterstützen.“ Auch soll der Finanzbereich in Zukunft anderen Fachbereichen viel stärker als Berater zur Seite stehen können. „Der Einkauf kann sich die Zahlen künftig etwa in Echtzeit selbst ziehen, bei der Interpretation hilft dann mein Team.“ jakob.eich[at]finance-magazin.de Info Wollen Sie mehr über den Telefónica-CFO erfahren? Dann schauen Sie auf das FINANCE-Köpfe-Profil von Markus Rolle. Wissenswertes finden Sie auch auf unseren Themenseiten zu Künstliche Intelligenz & Robotics und SAP S/4 Hana.

Private-Equity-News: Auctus, Nord Holding, Indus

Die 5 spektakulärsten CFO-Wechsel 2025

KPMG überholt Deloitte knapp

Vom Vorstand zum Krisenmanager

O2-Mutter Telefónica auf Datenjagd

Aktuelle Artikel

Brockhaus Technologies tütet Bikeleasing-Exit vor Weihnachten ein

Warum Investoren Deutschlands Infrastruktur im Visier haben

FINANCE Daily

Weitere Inhalte zum Thema

Ebit oder Ebitda – welche Kennzahl entscheidet den Deal?

So ist ECM der Millionenexit bei Yellowfox ohne Add-ons gelungen

Brockhaus Technologies tütet Bikeleasing-Exit vor Weihnachten ein

FINANCE Multiples-Blog

Ebit oder Ebitda – welche Kennzahl entscheidet den Deal?

Multiples im E-Commerce: KI und faire Preise locken Investoren

Die neuen Multiples für November 2025 sind da!

Nachrichten

Themen

Unternehmen

FINANCE TV

FINANCE Köpfe

FINANCE Podcast

FINANCE Magazin

FINANCE Multiples

Research

Events

Newsletter

Abonnements

Mediadaten

Redaktion

Stellenmarkt

Partner

Kontakt