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CFOs begrüßen IFRS 9

Während die Bankenwelt nicht gerade glücklich über IFRS 9 sein dürfte, können sich CFOs von Unternehmen freuen.
Thinkstock / Getty Images

Lange haben sie darauf gewartet, jetzt können deutsche CFOs sich freuen: Der lang ersehnte Rechnungslegungsstandard IFRS 9 ist in greifbare Nähe gerückt. Ende Juli hatte der Internationale Standardsetzer IASB nach fünfjähriger Diskussion die endgültige Fassung veröffentlicht, die ab 2018 gelten soll. Sie regelt die Bilanzierung von Finanzierungsinstrumenten und könnte das Hedge Accounting nachhaltig zum Positiven verändern. „Viele Unternehmen atmen jetzt auf“, erklärt Jens Freiberg, Wirtschaftsprüfer und IFRS-Experte bei BDO. „Sie profitieren vom neuen Standard, weil sie jetzt ihre Absicherung besser abbilden können.“  

Mit dem bisherigen Standard IAS 39 haben Industrieunternehmen bislang das Nachsehen: Ihre schwebenden Waren- und Rohstoffgeschäfte müssen sie häufig mit Hilfe von Derivaten gegen Preisänderungen absichern. So sichern sich beispielsweise Luftfahrtunternehmen durch Termingeschäfte auf Rohöl gegen die hohe Volatilität bei den Kerosinpreisen ab. Das Problem: Bei Rohöl handelt es sich nur um eine einzige Komponente des Grundgeschäfts „künftige Kerosinbeschaffung“, die eine Rolle bei der Entwicklung des Kerosinpreises spielt. Nach IAS 39 ist die Absicherung einzelner Risikokomponenten – mit Ausnahme einer Währungskomponente – aber nicht möglich.

IFRS 9: Mehr Spielraum, weniger Volatilität

Für die Unternehmen bedeutete das bisher: Entweder müssen sie versuchen, weitere Komponenten in ihre Absicherungsstrategie hinzu zu nehmen. Doch dies ist häufig entweder zu kostspielig oder gar unmöglich, da nicht alle relevanten Produkte gehandelt werden. Oder sie nehmen die Ineffektivität hin – und damit einen nicht perfekten Hedge, der die  Gewinn- und Verlustrechnung beeinträchtigt.

IFRS 9 löst nun dieses Dilemma auf, da es künftig möglich sein wird, auch einzelne Komponenten im Hedging zu berücksichtigen. „Der neue Standard führt damit zu einem besseren Einklang zwischen Bilanzierung und Risikomanagement“, resümiert Freiberg. „Bilanziell hat man mehr Spielraum und weniger Volatilität“. Eine gute Nachricht für CFOs, denen die zuletzt eingeführten neuen Rechnungslegungsvorschriften wie IFRS 11 oder IFRS 15 die Gewinn- und Verlustrechnungen in Summe eher eintrübten. Beispielsweise können CFOs künftig nicht mehr so hohe Umsatzbeiträge bestimmter Joint Ventures in ihrer Konzern-GuV ausweisen wie in der Vergangenheit.

Auch Treasurer begrüßen die neuen Regelungen, so wie Klaus Gerdes, Leiter Corporate Finance und Treasury bei dem Spezialchemiekonzern Altana. Insbesondere die Abschaffung der starren Effektivitätsmessung von Sicherungsgeschäften sei ein Vorteil, sagte Gerdes gegenüber der FINANCE-Schwesterpublikation DerTreasurer: „IFRS 9 könnte dazu führen, dass wir unser Foreign-Exchange-Sicherungskonzept ausweiten, um währungsbedingte Schwankungen noch besser absichern zu können“, so Gerdes.

Nicht alle Unternehmen profitieren

Trotz aller Vorteile hält IFRS 9 aber auch einige Dämpfer bereit: Das gilt in erster Linie für Banken, die einige der kürzlich beschlossenen Neuregelungen als belastend empfinden. So werden die Banken darunter leiden, dass sie ihre Vermögenswerte künftig anders klassifizieren müssen, abhängig von der Art des Zahlungsstroms und des Geschäftsmodells. Die Folge: Sie werden ihre Forderungen vermehrt zum Fair Value statt zu Anschaffungskosten ausweisen müssen – das kann die Bilanz ordentlich eintrüben.  

Doch auch bei Industrieunternehmen könnten die Vorschriften negative Auswirkungen haben. So müssen künftig Unternehmen, die nach IFRS bilanzieren, ihre Kreditrisiken nach dem „Expected-loss“-Modell statt nach dem „Incurred-loss“-Modell abbilden. Konkret heißt das: Unternehmen müssen wesentlich früher als zuvor eine Wertminderung ihrer Forderungen bilanziell abbilden.

Sobald eine neue Forderung verbucht ist, muss der erwartete 12-Monatverlust erfasst werden. Falls sich das Kreditrisiko des Schuldners signifikant erhöht, ist der über die gesamte Restlaufzeit erwartete Verlust zu berücksichtigen. Das kann – je nach Geschäftsmodell – die Bilanz ordentlich verhageln. „Betroffen sind  vor allem Unternehmen, die langfristige Forderungen in ihrer Bilanz haben“, erklärt Freiberg. Dazu gehören beispielsweise Unternehmen, die in der Auftragsfertigung oder im Leasingbereich tätig sind.

Endorsement steht noch aus

Alles in allem überwiegen aber die Vorteile für CFOs. Verpflichtend ist eine Anwendung für Geschäftsjahre, die ab dem 1. Januar 2018 beginnen. Für deutsche CFOs ist IFRS 9 allerdings noch nicht endgültig in trockenen Tüchern: Erst muss der Standard durch die EU anerkannt werden (Endorsement), bis er in Europa gilt. Dann könnten CFOs ihn auch schon vorzeitig anwenden. Dass IFRS 9 dort jetzt noch scheitert, hält Freiberg allerdings für sehr unwahrscheinlich: „IFRS 9 ist ein so wichtiger und großer Teil der internationalen Rechnungslegung – es ist für Europa kaum denkbar, dass er tatsächlich abgelehnt wird.“

julia.becker[at]finance-magazin.de

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