Ungeduldig warten deutsche CFOs von Industrieunternehmen auf IFRS 9, denn dieser Standard wird ihnen endlich erlauben, ein gutes Risikomanagement angemessen in der Bilanz abzubilden. Umso mehr dürften sich viele wundern, dass das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) den gesamten Standard in einer aktuellen Pressemitteilung in Frage stellt. Zwar begrüßt das IDW die Neuregelungen zum Hedge Accounting. Insgesamt aber, so der IDW, werde das Ziel einer Vereinfachung nicht erreicht und damit stelle sich die Frage, „ob eine Umstellung von IAS 39 auf IFRS 9 aus konzeptioneller und praktischer Sicht überhaupt noch Sinn macht.“
Anlass der IDW-Kritik ist die Mitte Mai vom IASB gefällte Entscheidung, eine zusätzliche Bewertungskategorie („fair value through other comprehensive income“) in den IFRS 9 einzuführen. Hintergrund hierfür war, dass IFRS 9 anfangs sehr stark mit Bankenfokus entwickelt worden war und die Auswirkungen auf die ebenfalls stark betroffene Versicherungswirtschaft außer Acht gelassen wurden. Mit der zusätzlichen Bewertungskategorie will das IASB dem Geschäftsmodell der Versicherungen stärker Rechnung tragen. Das IDW kritisiert nun, dass hiermit ein „Verzicht auf Komplexitätsreduktion“ verbunden sei und dass mit dieser neuen Kategorie viele IAS 39-Anwendungsprobleme wieder auftauchen dürften.
IFRS 9 stoppen?
Iris Helke, Partnerin bei KPMG und IFRS-Expertin, will sich der Generalkritik an IFRS 9 nicht vollständig anschließen: „Es ist richtig, dass die vielen Änderungen an IFRS 9 vor allem für deutsche Banken einen hohen Aufwand mit sich bringen. Gleichwohl ist IFRS 9 seinem Vorgänger IAS 39 in zwei sehr wichtigen Punkten überlegen: Zum einen ersetzt IFRS 9 das spätestens mit der Finanzmarktkrise überholte Incurred-Loss-Modell durch das Expected-Loss-Modell. Zum anderen ist es dank der General-Hedge-Accounting-Regelungen zukünftig möglich, bestehende Risikomanagementstrategien besser in der Bilanz abzubilden.“
Die zähen Diskussionen um IFRS 9 bringen CFOs insbesondere von Finanzinstituten in eine Zwickmühle: Entweder sie setzen die IFRS 9-Umsetzungsprojekte fort und riskieren damit, viel Geld und noch mehr Nerven in den Sand zu setzen. Oder sie stoppen die Projekte, um auf den finalen Standard zu warten, riskieren damit aber am Ende zeitliche Engpässe. Denn eins ist trotz aller Kritik des IDW weiterhin sicher: IFRS 9 wird kommen. Das IASB hat inzwischen viel zu viel in den neuen Standard investiert, um ihn einfach wieder zu begraben. Für die meisten CFOs jenseits der Finanzindustrie ist dies allerdings ein Grund zur Freude.
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