Vier Jahre lang wurde hart gerungen, Mitte April haben EU-Kommission, EU-Parlament und der Europäische Rat dem Entwurf zur Reform der Abschlussprüfung zugestimmt. Doch Klarheit hat Brüssel kaum geschaffen. Delegationsmöglichkeiten, Auslegungsspielraum und Ausnahmeregelungen geben dem deutschen Gesetzgeber noch viele Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand. Wie viel sich für Wirtschaftsprüfer, Aufsicht und Unternehmen in Deutschland tatsächlich ändern wird, ist also noch offen.
Offene Punkte gibt es viele. Der erste sind die Regelungen zum Aufsichtssystem: Je nachdem, wie der Gesetzgeber bestimmte Delegationsmöglichkeiten nutzt, könnte das Aufsichtssystem, wie es derzeit in Deutschland herrscht, fast unverändert beibehalten werden. Konkret würde das bedeuten: Die Erstverantwortung für die Aufsicht über Wirtschaftsprüfer bleibt bei der Wirtschaftsprüferkammer WPK und die Letztverantwortung bei einer Behörde, bestehend aus Mitgliedern, die von Beruf her nicht Wirtschaftsprüfer sind – in Deutschland gibt es seit fast zehn Jahren dafür die Abschlussprüferaufsichtskommission APAK.
WPK verliert zu Gunsten der APAK
Der einzig wirklich einschneidende Unterschied, den auch der Gesetzgeber nicht mehr beeinflussen kann, liegt im Bereich der Verordnung. War bisher die WPK für Unternehmen von öffentlichem Interesse in erster Instanz zuständig, fällt diese Aufgabe zukünftig an die Behörde mit berufsfremden Mitgliedern, also vermutlich an die APAK. Damit büßt die WPK Kompetenzen ein, die womöglich der APAK zugute kommen.
Für die zukünftigen Aufgaben fehlt der APAK zwar noch der „organisatorische und rechtliche Unterbau”, wie Tim Volkmann von der APAK betont, doch „wir werden Gespräche mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und der WKP führen, um die notwenigen Veränderungen in die Wege leiten zu können”. Künftig könnte die APAK selbst Sanktionen für Wirtschaftsprüfer aussprechen – ein starker Einschnitt in die Selbstverwaltung des Berufsstands.
Und auch das hitzig diskutierte Verbot prüfungsfremder Leistungen ist nicht so trennscharf geworden, wie es sein könnte. Zwar stehen bestimmte Leistungen ganz eindeutig auf der „Blacklist” der Prüfer, allen voran Steuerberatungs-, Buchhaltungs- und Beratungsleistungen. Ein absolutes Verbot prüfungsfremder Leistungen gibt es aber nicht – hier hatte sich die Lobby der Wirtschaftsprüfer schon im vergangenen Jahr überraschend durchgesetzt. Grundsätzlich darf ein Prüfer in allen Bereichen beraten, die nicht Gegenstand der Prüfung sind. „Doch auch hier gibt es viel Auslegungsspielraum”, gibt WPK-Präsident Claus C. Securs zu bedenken. „Strategieberatung ist beispielsweise nicht erlaubt. Doch wie Strategieberatung in jedem konkreten Fall definiert wird, ist eine andere Sache.“
CFO profitiert nur auf kurze Sicht
Auch was die umstrittene externe Rotation der Wirtschaftsprüfer angeht, werden Ausnahmenregelungen diskutiert: Zwar soll die Gesamtbestelldauer eines Wirtschaftsprüfers auf zehn Jahre begrenzt werden. Doch kann diese um weitere zehn Jahre verlängert werden, wenn eine Ausschreibung erfolgt und die prüfende Praxis diese erfolgreich absolviert. Bei einem Joint Audit kann die Bestelldauer sogar auf 24 Jahre verlängert werden.
Von einem regelmäßigen Wechsel der Wirtschaftsprüfer kann damit keine Rede mehr sein. Die meisten CFOs begrüßen diese Entwicklung aus kurzfristigen Gesichtspunkten, denn mit einem eingearbeiteten Prüfer lässt es sich leichter zusammenarbeiten. Doch der kritische Blickwinkel eines neuen Prüfers, der dem CFO auch ein frischer Sparringspartner sein kann, entfiele, wenn CFOs die maximale Bestellungsdauer ihrer WPs ausschöpfen.
WPK-Präsident Claus Securs: Next 10 könnten Big 4 einholen
Die ursprünglich angestrebte Auffächerung des Marktes mit besseren Markteintrittschancen für kleinere Prüfgesellschaften jenseits der Big 4 wird so kaum möglich sein. Und doch erwartet WPK-Präsident Securs Veränderungen auf dem Wirtschaftsprüfermarkt: „An der zunehmenden Konzentration wird sich nichts ändern. Aber der Kreis der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wird größer werden: Bald werden dazu vielleicht nicht nur die Big 4, sondern die Next 10 gehören”, mutmaßt er.
In zwei Jahren sollen die neuen Verordnungen aus Brüssel in allen Mitgliedsstaaten der EU gelten. So lange hat auch Berlin noch Zeit, um die zentralen Punkte endgültig zu klären – und mehr Klarheit für Wirtschaftsprüfer, Aufsicht und Unternehmen herzustellen.