Wie viele „Leadermen“ habe ich über die Jahre schon beobachten dürfen! Sie alle präsentieren sich auf interessante Art und Weise: sei es mit Charme und Humor, mit einprägsamen Bildern oder militärstrategischen Sprüchen.
Gut inszeniert, lässt ihr gekonnter Auftritt das Publikum meist gar nicht bemerken, dass die unternehmerischen Herausforderungen eigentlich gar nicht richtig adressiert worden sind. Stattdessen haben sie den Mitarbeiter Proaktivismus verkauft – auf Kosten der organisatorischen Nachhaltigkeit. Ganz ehrlich: Leaderment als One-Man-Show ist nicht mein Ding.
Der Leaderman wird’s schon wissen
Sicher, auf CFO-Ebene werden sowohl Leadership als auch Management gebraucht, wenn es um die zwei Fragestellungen geht: Tun wir die richtigen Dinge, und werden diese Dinge richtig umgesetzt? Diese Fragen zu stellen ist unabdingbar, und man braucht analytische Kompetenz, um sie zu beantworten.
Trotzdem ist es falsch zu denken, dass sich CFOs primär mit Zielen und Initiativen beschäftigen und ihren Mitarbeitern klare Kennzahlen vorsetzen müssen. Denn eigentlich geht es ja darum, den Mitarbeitern den „State of the Union“ zu verdeutlichen – als ein unternehmerisches Spannungsfeld zwischen dem, was eigentlich getan werden muss und dem, was praktisch getan werden kann.
Uns allen ist klar: So gut wie alle Mitarbeiter und Anteilseigner wissen es zu schätzen, wenn das Top-Management seine Herausforderungen, Einschätzungen und Abwägungen offenlegt. Schließlich kann nur im Sinne des Unternehmens agieren, wer die Rahmenbedingungen kennt und versteht. Der Rahmen wird durch Strategie, Struktur und Prozesse vorgegeben, die unternehmerischen Bedingungen durch Cash, Kosten und Kunden.
Kurz: Wichtig ist es, das Unternehmen in den Vordergrund zu stellen – nicht die Führungskräfte, nicht die Leistungsforderungen als solche und schon gar nicht Visionen und Kennzahlensysteme. Langfristig motiviert ist nur derjenige, der sich mit der Frage auseinandersetzen kann, ob er entsprechend bekannter Rahmenbedingungen richtig handelt. CFOs sollten sich daher damit auseinandersetzen, wie Strategie und Prozesse im Pflichtenheft darstellbar sind – und wie die Kostenlage und die Wünsche der Kunden die Rolle jedes Einzelnen definieren.
„Shoot Saly“: Warum eigentlich?
Wie sieht es bei Ihnen aus? Wofür fühlen sich Ihre Mitarbeiter eigentlich verantwortlich? Mitarbeiter sind „stets bemüht“, sie führen ihren Job mit großer Sorgfalt aus – zumindest mit Sorgfalt für das, wofür sie individuell zuständig sind. Manche glauben, dass der „Leaderman“ Liquidität, Kosten und Kunden schon im Griff hat.
Das hat Folgen, die fast jeder kennt: Cash, Kosten und Kunden werden nicht als gemeinsame Herausforderung wahrgenommen. Und noch schlimmer: Anreize und variable Vergütung werden fast ausschließlich auf die Performance-Steigerung jedes einzelnen Mitarbeiters zugeschnitten. Ist dies der Fall, sollten dringend nicht mehr Management- und Leadership-Ereignisse im Mittelpunkt des Controllings stehen, sondern die Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns.
Aber was soll der CFO da bloß tun? „Shoot Saly”, rät der US-Management-Experte Noah Barsky und adressiert nicht eine spezifische Mitarbeiterin, sondern das Ritual im Sketch „Dinner for One“, wo der Butler James vor jedem Gang Miss Sophie fragen muss: „Same Procedure as Last Year?“
„Saly“ bedeutet in den meisten Controllingteams, dass die Controller jede vierte Woche das ganze Jahr hindurch aufbringen, um den Monatsabschluss zu erstellen und, dass gar knapp die Hälfte ihrer Arbeitszeit insgesamt für Planung und Budgetierung draufgeht. Allen anderen mit Analyse, Beratung und Coaching beizustehen, fällt hinten runter. Aus Management- und Leadership-Sichtweise ist dies bitter, schließlich glauben die meisten CFOs, dass die Controller proaktiv zum Geschäftserfolg beitragen müssen.
Aber müssen sie das wirklich? Statt vom Leaderment-Ideal auszugehen, in dem Ziele gesetzt werden und Initiative gezeigt wird, ist es meines Erachtens viel wichtiger, dass man die Hauptaufgabe der Controller anders definiert: Sie sollten ständig die Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns beleuchten können.
Controller sollen keine Leadership-Happenings veranstalten
Dazu gehört, dass Controller in der Lage sein müssen, die Geschäftsfelder des Unternehmens strategisch zu segmentieren, etwa gemäß der Matrix „Build/Hold/Harvest/Divest“. Und sie müssen Aufbau- und Ablaufstruktur der Organisation kennen, um interne und externe Abrechnungen begleiten zu können. Schließlich müssen die Controller Liquidität, Kosten und Kundenpositionen darstellen können, um dadurch die Maßnahmen anderer Betriebsfunktionen kalkulieren, koordinieren und moderieren zu können.
In der Literatur werden diese drei Aufgaben oft als „Entscheidungshilfe“ beschrieben, Management- und Leadership-Coaches bezeichnen sie als „Prozess-irgendwas“. Aus meiner Sicht ist es aber wichtig, dass diese Aktivitäten der Controller das unternehmerische Handeln anderer Funktionen darstellen – als ein Spannungsfeld entgegengesetzter Kräfte, zum Beispiel zwischen langfristiger Strategie und kurzfristiger Liquidität. Diese Arbeit verlangt eine explizite Abwägung zwischen dem, was getan werden kann und dem, was getan werden muss.
Anders gesagt: Controller müssen in Szenarien denken können und diese der Organisation zur Verfügung stellen, damit Entscheidungsträger quer durch die Hierarchie ermessen können, was die mögliche Konsequenz verschiedener (Nicht-) Entscheidungen sein könnte. Mitarbeiter, die gezwungen sind, sich mit den Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen, werden sich schwer tun, nur im eigenen Interesse zu handeln. Was Controller hingegen nicht tun müssen, ist, durch irgendwelche Management- und Leadership-Happenings in die Organisation einzugreifen.
Eine Frage an den CFO
Nun zum Abschluss eine Frage an Sie als CFO: Tragen Sie in ihrem Unternehmen Strategie und Cash, Struktur und Kosten, Prozesse und Kunden als Spannungsfeld zusammen, in dem die Organisation agiert?
Wenn ja, dann werden Sie wahrscheinlich auch auf den Gedanken gekommen sein, dass Sie eigentlich daran arbeiten, Controlling als eigenständige Disziplin gegenüber Management und Leadership zu positionieren. Gut so!
redaktion[at]finance-magazin.de
Info
Niels Dechow, PhD, ist Professor für Unternehmensrechnungslegung und Controlling an der European Business School (ebs). Für FINANCE bloggt er regelmäßig zu den neuesten Trends im Controlling. Alle Beiträge seines Blogs „Controlling 2020“ finden Sie hier.
In seinem nächsten Blogbeitrag wird Niels Dechow verraten, wie genau aus seiner Sicht die Rahmenbedingungen die Pflichten, Verantwortung und Rolle jedes Einzelnen festlegen.