Als Anhänger des 1.FC Nürnberg macht man eine Menge mit. Das Bonmot „Der Club is a Depp“ gehört zum Lokalkolorit der Frankenmetropole wie die Bratwurst und der Christkindlesmarkt.
In der Vergangenheit hat der 1.FC Nürnberg auch viel dafür getan, diesem Anspruch gerecht zu werden – zuletzt in der abgelaufenen Saison: Der Abstieg des Clubs aus der Bundesliga kam völlig unerwartet, gerade erst schien sich der 1.FC Nürnberg endgültig in der Ersten Liga etabliert zu haben.
Kriminelle, Autokraten, Größenwahn – 1. FC Nürnberg
Auch mit seinem Finanzgebaren hat der Club seinem fragwürdigen Ruf lange Zeit alle Ehre gemacht. Beim 1.FC Nürnberg gaben sich die Hasardeure an der Vereinsspitze fast so regelmäßig die Klinke in der Hand wie die Trainer auf der Bank.
Unvergessen im Großraum Nürnberg ist der als Profilneurotiker abgestempelte Gerhard Voack, der von einer bedeutenden Rolle als Provinzpolitiker träumte und sich bundesweit einen Namen machte, als er den Trainer ausgerechnet nach einem 2:0-Sieg gegen Bayern München feuern ließ.
Oder der Schatzmeister Ingo Böbel, der den Club und das Finanzamt um jeweils 800.000 Mark erleichterte und vom Club-Management in den Knast wechselte. Gerd Schmelzer, Club-Chef in den Achtzigerjahren, sorgte seinerzeit für einen der größten Fußball-Aufreger des Jahrzehnts, als er in einer Mischung aus Machtrausch und Tobsuchtsanfall einmal nahezu die komplette Mannschaft auf einmal feuerte und sich anschließend dafür feiern ließ, dass der Club am folgenden Samstag dennoch elf Feldspieler auf den Platz brachte.
Von 1994 bis 2009 schließlich amtierte als Club-Präsident Michael A. Roth („Napoleon vom Valznerweiher“), der in seiner Amtszeit 13 Trainer feuerte. Er hatte den Club von Voack als Sanierungsfall mit 30 Millionen D-Mark Schulden übernommen. Aus dem Gedenkstein vor der Vereinszentrale ließ er kurzerhand die Namen seiner Amtsvorgänger Schmelzer und Böbel heraus meißeln.
Der autoritäre Teppichhändler („Erfolg gibt es nur dort, wo einer das Sagen hat“) hielt den Verein mit zig Millionen aus seiner Privatschatulle über Wasser. Aber als er 2009 abtrat und die Macht an einen mehrköpfigen Vorstand übergab, stand dem Club das Wasser noch immer bis zum Hals.
Club-Chefs Bader und Woy: Gewinne statt Skandale
Die auf Roth folgende Doppelspitze aus Martin Bader (Sportvorstand) und Ralf Woy (Finanzen) hat mit der Vergangenheit gebrochen: Sie ist die erste Führungscrew, die es geschafft hat, den Club finanziell vernünftig aufzustellen. Das beweisen sie dem Nürnberger Publikum – durch den Abstieg skeptisch geworden – gerade in diesen Tagen wieder: Dank cleverer Verträge hat der Club aus den Verkäufen seiner Leistungsträger jetzt schon Ablösesummen von über 18 Millionen Euro eingestrichen. Nur 4 Millionen Euro davon wurden bislang für Neuverpflichtungen wieder ausgegeben. Dieser hohe Transferüberschuss dürfte einen guten Teil des Lochs stopfen, das der Abstieg in die Vereinskasse gerissen hat.
Auch vorher schon hatten Bader und Woy angenehm anders gewirtschaftet als ihre Vorgänger: Im Sommer 2010 stand der 1.FC Nürnberg bei Banken noch mit 2,6 Millionen Euro in der Kreide, als Altlast aus der Ära Roth türmte sich in der Bilanz damals ein nicht durch Vereinsvermögen gedeckter Fehlbetrag von 10,6 Millionen Euro auf. Nach Steuern fuhr der Club in jener düsteren Saison einen Verlust von 5,3 Millionen Euro ein. Die Zeichen standen eher auf Bezirksliga denn auf Bundesliga.
Doch dann folgten drei Jahre, in denen Bader und Woy den Club beständig im Plus hielten und über 9 Millionen Euro Gewinn erwirtschaften. Die Bankschulden zahlten sie zurück, der bilanzielle Fehlbetrag schmolz bis Ende Juni 2013 auf 1,6 Millionen Euro zusammen.
Der 1.FC Nürnberg baut die Altlasten ab
Nicht durch Vermögen gedeckter Fehlbetrag in Mio. €
Quelle: 1.FC Nürnberg
Trotzdem immer noch der Depp
Die Nürnberger sind zumindest dieses Mal nicht Schuld daran, dass der Club trotzdem immer noch der Depp ist. Das liegt vor allem daran, dass ein Verein wie Hoffenheim dank der Hopp-Millionen an den Franken vorbeigezogen ist – und andere Kontrahenten wie der Hamburger SV, obwohl so gut wie pleite, das Geld immer noch fröhlich zum Fenster rauswerfen. Wenn der HSV in den vergangenen Jahren so sparsam am Transfermarkt aufgetreten wäre wie der Club, dann hätte es die Nürnberger in der vergangenen Saison wohl nicht erwischt. Für den zweiten Absteiger, den inzwischen ebenfalls sanierten früheren Skandalverein Eintracht Braunschweig, gilt das Gleiche.
Einem Verein, der solide wirtschaftet und auch deshalb absteigt, kann man den schnellen Wiederaufstieg in die Bundesliga nur wünschen. Der Anfang ist gemacht: Das Eröffnungsspiel der neuen Zweitligasaison gegen Erzgebirge Aue gewannen die Nürnberger mit 1:0.
Info
Rekordgewinn beim FC Bayern, Börsenprobleme bei Borussia Dortmund, Finanz-Irrsinn beim HSV: Mehr Beiträge aus dem FINANCE-Blog „3. Halbzeit“ finden Sie hier.
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