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China: Keine Chance für die Insolvenzanfechtung

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Die Insolvenzgefahr in China steigt. Das Oberste Volksgericht hat Gläubigern den Rücken gestärkt.
TongRo Images/Thinkstock/Getty Images

Mehr als 90 Tage mussten viele Unternehmen vergangenes Jahr in China auf ihr Geld warten. Laut einer Coface-Studie bleibt damit das Niveau der Zahlungsverzögerungen das dritte Jahr in Folge sehr hoch – und die Ausfallrisiken in China könnten laut den Autoren sogar noch weiter steigen. Mittel- und langfristig ist daher wohl mit einer steigenden Zahl an Insolvenzen von chinesischen Unternehmen zu rechnen.

Die gute Nachricht ist aber: Deutsche Unternehmen sind den finanziellen Risiken durch Zahlungsverzögerungen, aber auch durch die Insolvenzanfechtung, in China nicht schutzlos ausgeliefert. Aktuelle Auslegungsanweisungen des Obersten Volksgerichts in China haben die Gläubiger gestärkt.

So ist etwa die Zwangsvollstreckung eine aussichtsreiche Option, um ausstehende Zahlungen einzutreiben. Um erfolgreich zu sein, müssen deutsche Unternehmen ihren Zwangsvollstreckungsantrag aber möglichst schnell beim zuständigen Gericht in China einreichen. Alle Dokumente müssen zudem auf Chinesisch erstellt werden.

Gläubiger kann Zahlung trotz Insolvenzanfechtung behalten

Die Zwangsvollstreckung ist für deutsche Unternehmen auch von Vorteil, wenn ihr chinesischer Geschäftspartner einen Insolvenzantrag gestellt hat oder aber sie selbst gegen diesen einen Insolvenzantrag stellen. Denn die Zahlung, die das deutsche Unternehmen bis zu sechs Monate vor dem Insolvenzantrag durch die Zwangsvollstreckung erhalten hat, ist nach dem chinesischen Insolvenzrecht von der Insolvenzanfechtung ausgenommen.

Das ist eine wichtige Neuerung der Auslegungsanweisungen des Obersten Volksgerichts zum chinesischen Insolvenzrecht. Diese sind für alle chinesischen Gerichte bindend. Danach sind auch Zahlungen, die durch eine Klage oder ein Schiedsverfahren im letzten halben Jahr vor dem Insolvenzantrag erlangt wurden, nicht anfechtbar.

Zum Vergleich: Nach deutschem Recht kann ein Insolvenzverwalter Zahlungen aufgrund von Zwangsvollstreckungen aus den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag vergleichsweise einfach zurückfordern – und das teilweise sogar, wenn der Schuldner bei der Vollstreckung noch nicht einmal insolvenzreif war. Die Konsequenz: Der Gläubiger muss erhaltene Zahlungen erstatten und bleibt auf seinen Forderungen sitzen.

Ausnahme von der Ausnahme: Zahlung vor Fälligkeit

Deutsche Unternehmen sollten offene Forderungen in China daher möglichst schnell (schieds)gerichtlich durchsetzen und vollstrecken. Wichtig ist dabei, dass ausländische Gerichtsurteile in China nicht durchsetzbar sind – die Klage muss bei einem chinesischen Gericht eingereicht werden. Ausländische Schiedsgerichtsurteile hingegen sind in China vollstreckbar. Deutsche Unternehmen sollten daher in ihren Verträgen eine sogenannte Schiedsklausel festschreiben lassen.

Eine weitere Neuerung in den Auslegungsanweisungen betrifft Zahlungen, die noch nicht fällig sind oder waren. Solche Zahlungen sind jetzt von der Anfechtung ausgenommen, wenn die Forderung nach der Zahlung, aber noch vor der Annahme des Insolvenzantrags fällig wird. Die Ausnahme von der Insolvenzanfechtung gilt allerdings nicht, wenn die Zahlung innerhalb der letzten sechs Monate vor Antragsannahme erfolgte und zu diesem Zeitpunkt bereits ein Insolvenzgrund gegeben war.

Fakt ist: In China gibt es – trotz der neuen Ausnahme – bei Zahlung vor Fälligkeit mehr Anfechtungsmöglichkeiten als in Deutschland. In Deutschland können solche Zahlungen nur drei Monate vor dem Insolvenzantrag angefochten werden. Deutsche Unternehmen sollten daher bei Geschäften mit China lieber von Vornherein eine kürzere Fälligkeit vereinbaren, um auf der sicheren Seite zu sein.

Notwendigkeit für die Betriebsfortführung dokumentieren

Zahlungen sind nach den neuen Auslegungsanweisungen auch dann von der Anfechtung ausgenommen, wenn sie für eine Lieferung oder Leistung erfolgen, die für die Betriebsfortführung des chinesischen Schuldners notwendig waren. Deutsche Unternehmen sollten daher diesen Umstand von ihrem chinesischen Geschäftspartner dokumentieren lassen.

Denn im chinesischen Recht ist – anders als im deutschen – die Kenntnis von der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Geschäftspartners in keinem Anfechtungstatbestand notwendig. Deutsche Unternehmen müssen daher keine Bedenken haben, dass sie durch die Dokumentation zugeben, von der finanziellen Krise ihres Geschäftspartners gewusst zu haben.

 

redaktion[at]finance-magazin.de

Dr. Elske Fehl-Weileder ist Rechtsanwältin im Geschäftsbereich Internationale Insolvenzverwaltung bei Schultze & Braun. Die Fachanwältin für Insolvenzrecht ist Expertin für das chinesische Insolvenzrecht.