Die Stärke des Euro oder die Schwäche der Fremdwährungen – je nachdem wie man es sehen will – machen CFOs europäischer Unternehmen aktuell zu schaffen. Entsprechende Äußerungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die jetzt veröffentlichten Quartalsberichte börsennotierter Gesellschaften. Auffallend oft wird der Umsatzanstieg im operativen Geschäft durch Währungseinflüsse zunichte gemacht. Ein typisches Beispiel lieferte der französische Industriegasespezialist Air Liquide ab: Ohne Währungseffekte setzte der Konzern im dritten Quartal rund 5 Prozent mehr um. Unter Berücksichtigung der Wechselkurseffekte kehrte sich das jedoch in ein Umsatzminus von 1 Prozent. Ähnliches berichtete der deutsche Konkurrent Linde. Die Wachstumsdynamik ging wegen schwächerer Fremdwährungen so stark zurück, dass der Konzern bei der Ergebnisprognose fürs Gesamtjahr zurückrudern musste.
Die Schwäche von US-Dollar, japanischem Yen und den Währungen der Schwellenländer bremsen Unternehmen der verschiedensten Branchen aus. Dabei trifft es nicht nur exportorientierte Konzerne. So musste etwa die Lufthansa wegen negativer Währungseffekte die Umsatzprognose für das laufende Jahr senken. Bereits im September hatte Adidas den Jahresausblick zurückgenommen – auch hier spielten Währungseffekte eine große Rolle. Und auch der Walldorfer Softwarehersteller SAP musste eingestehen, dass die Schwäche vor allem der asiatischen Währungen das Wachstum deutlich gebremst hat. Selbst beim Handelskonzern Metro schlugen Währungseffekte auf das Quartal durch.
CFOs auf dem falschen Fuß erwischt
„Vielleicht haben sich Industrieunternehmen im Sommer nicht ausreichend um Kursabsicherungen gekümmert", mutmaßt ein Ökonom zum starken Währungseinfluss. Angesichts der Eurokrise und der Spekulation auf eine Dollar-Stärke als Folge der erwarteten Beendigung der Geldschwemme durch die US-Notenbank habe man damals wohl zu sehr auf einen schwächeren Euro gesetzt. Gestützt wird das auch von harten Fakten. Bei der monatlich von der Commerzbank durchgeführten Währungsumfrage ist die Euro-Skepsis im Juni – also kurz nach der von Fed-Chef Ben Bernanke eröffneten Möglichkeit eines „Taperings“ – auf ein neues Allzeittief gesunken. Auf Sicht von sechs bzw. zwölf Monaten erwarteten damals 60 bzw. 70 Prozent der befragten Außenhändler schwächere Eurokurse im Austauschverhältnis zum US-Dollar.
Der Stimmungsumschwung war dabei weniger auf die Negativschlagzeilen aus der Eurozone zurückzuführen, sondern vielmehr auf die graduelle Normalisierung der US-Geldpolitik und die damit verbundenen Erwartungen einer mittelfristig anstehenden Dollar-Aufwertung. Seit auf der vielbeachteten Fed-Sitzung Anfang September nichts dergleichen geschah, verliert der US-Dollar den Boden unter den Füßen. Hinzu kommen die Kursverluste der Schwellenländerwährungen. Laut DZ Bank haben im dritten Quartal – neben dem japanischen Yen – der argentinische Peso, der brasilianische Real, die indische Rupie und die türkische Lira mit zweistelligen Prozentzahlen gegenüber dem Euro abgewertet. Der Einfluss der Rohstoffpreise, der bei den vergangenen Quartalsberichterstattungen noch eine größere Rolle gespielt hat, war dagegen dieses Mal nur eine Randnotiz.
FX-Risiko nicht komplett zu eliminieren
Die negativen Währungseinflüsse zeigen die begrenzte Wirksamkeit von Wechselkursabsicherungen, wenn es auf den Devisenmärkten rund geht. Zwar sichern sich fast alle Unternehmen gegen Kursschwankungen ab – sei es kurzfristig mit Hilfe von Derivaten oder langfristig über Natural Hedging, wo das möglich ist. Komplett eliminieren lässt sich das Fremdwährungsrisiko aus Bilanzen und Ergebnisrechnungen jedoch nicht. Auch, weil viele Unternehmen Hedgingstrategien verfolgen, bei denen zumindest ein Restexposure ungesichert bleibt. Sei es, um positive Wechselkursentwicklungen auszunutzen, oder sei es wegen Prognosefehlern bei den Fremdwährungsumsätzen. Der aktuellen Risk Management Survey der Bank of Amerika Merrill Lynch zufolge verfolgen 38 Prozent der befragten Unternehmen aktive Hedgingstrategien, bei denen das Timing und die Sicherungsquote in bestimmten Bandbreiten variabel sind.
Analysten erwarten, dass sich die Unternehmen künftig verstärkt auf volatile Wechselkurse einstellen müssen. „Bei den Schwellenländerwährungen wird es weiterhin größere Schwankungen geben, insbesondere bei Währungen aus Ländern, die stark von Rohstoffen abhängig sind“, erwarten etwa die Experten der Bank für Tirol und Vorarlberg. Richtungweisend dürfte der Fahrplan zum Tapering durch die US-Notenbank sein. Bei den Fed-Sitzungen in den kommenden Wochen und Monaten wird der Markt also genauestens hinhören, ob man mit einer Fortsetzung des Gelddruckens bis in den April 2014 hinein rechnen kann.