Die Staatsanwaltschaft Mannheim ermittelt im Bilanzskandal um den Schwarzwälder Leuchtenhersteller Hess mittlerweile gegen acht Personen. Wie Sprecher Peter Lintz gegenüber FINANCE bestätigte, richten sich Verdachtsmomente nun auch gegen das Aufsichtsratsmitglied Jürgen G. Hess (Foto), der im Unternehmen allseits bei seinem zweiten Vornamen George genannt wird.
Ermittlungen gegen Whistleblower im Bilanzskandal
Darüber hinaus wird gegen die beiden Ex-CEO Christoph Hess und den früheren CFO Peter Ziegler ermittelt sowie gegen zwei aktive Mitarbeiter aus dem kaufmännischen Bereich. Es handelt sich wohl um Mitarbeiter der Finanzabteilung, die zwar den Anstoß zur Aufdeckung des Bilanzskandals gaben, was sie indes nicht von möglichen Vorwürfen entlastet. Zwei weitere Mitarbeiter des Konzerns sind Gegenstand der Ermittlungen. Bei einer könnte es sich um eine im Zuge des mutmaßlichen Systems von Briefkastenfirmen involvierte Geschäftsführerin in der Schweiz handeln.
Mitte März tagt wieder der Hess-Aufsichtsrat und muss dann die Ergebnisse der Bilanzsonderprüfung zur Kenntnis nehmen. Allen bisherigen Äußerungen des Konzerns zufolge ist mit einer Bestätigung der Vorwürfe zu rechnen. Interessant wird dann die Frage, ob der unter Verdacht stehende Aufsichtsrat Jürgen G. Hess in dem dreiköpfigen Gremium mitstimmen wird und mögliche Konsequenzen gegen seinen beschuldigten Sohn Christoph Hess mittragen wird. Denkbar wären beispielsweise Schadensersatzansprüche gegen handelnde Personen oder das Stellen einer Strafanzeige seitens Hess, sowie es etwa schon die Konsortialbank LBBW unternommen hat. Im Aufsichtsrat unter Vorsitz von Tim van Delden (Holland Private Equity) genügt die einfache Mehrheit zur Beschlussfindung. Drittes Aufsichtsratsmitglied ist der frühere Sparkassen-Banker Wolfgang Rombach. Sollten sich van Delden und Rombach einig sein, kann Hess Beschlüsse nicht verhindern.
Hess-Aufsichtsrat vor Zerreißprobe
Derweil entsteht ein Bild der Begleitumstände des mutmaßlichen Bilanzskandals. Bekanntlich verlor der Konzern bereits seit 2009 Jahr für Jahr Geld – ein Ergebnis mangelnder Kostendisziplin, die den Einstieg der Investoren (Holland Private Equity, IPO) und immer neuer Kredite erforderlich machte. Zudem waren Firmen- und Familieninteressen unter der alten Geschäftsführung eng verquickt. So soll ein privates Wohnhaus der Familie Hess auf Firmenkosten saniert worden sein, wie FINANCE erfuhr.
Hess selbst hatte im Zuge des Insolvenzantrags mitgeteilt, für das Unternehmen nachteilige Verträge gelöst zu haben. In der Berichterstattung im Handelsblatt erschien zuletzt recht einseitig Ex-CFO Peter Ziegler als Drahtzieher und Kopf eines Netzwerks aus Scheinfirmen, über die fingierte Umsätze ausgewiesen worden sein sollen. Mögliche Quelle ist ein Ziegler nicht wohlgesonnener Mitarbeiter der Finanzabteilung.
Hess-intern stehen viele Mitarbeiter indes zum Ex-CFO. Zwar scheint es deutlich, dass Ziegler und nicht der für Vertrieb zuständige Ex-CEO Christoph Hess der intellektuelle Kopf des Gebildes war, jedoch gilt die Solidarität der Mitarbeiter dem im Unternehmen seinerzeit präsenten CFO. Wiederholt äußern Hess-Mitarbeiter die bedauernde Einschätzung, dass der frühere CFO Ziegler mit seinen Manövern den aufwändigen Lebensstil von Christoph Hess finanzieren musste, der auf der IPO-Roadshow bisweilen mit dem Privatjet angereist sein soll.
M&A-Prozess macht offenbar Fortschritte
Klarheit über den Umfang möglicher Manipulationen wird erst das Ergebnis der Bilanzsonderprüfung bringen. Es ist für diese Woche angekündigt und wird sowohl von der Staatsanwaltschaft wie auch von möglichen Investoren aufmerksam verfolgt werden.
Hess kündigte die Intensivierung der laufenden Investorengespräche an. Auch ein Restrukturierungskonzept wurde verabschiedet, 50 Kündigungen wurden bereits vergangene Woche ausgesprochen.