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Korruption am BER: Darum kappt Transparency die Bande

Der Bau des neuen Hauptstadtflughafen BER geht weiter – ohne die Unterstützung der Korruptionsbekämpfer von Transparency Deutschland.
Foto: Alexander Obst / Marion Schmieding, Flughafen Berlin Brandenburg GmbH

Der neue Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg (BER) kommt nicht aus den Negativ-Schlagzeilen heraus. Vor gut zwei Monaten wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Neuruppin erneut Ermittlungen wegen möglicher Korruption beim Bau des Flughafens aufgenommen hat – nur wenige Monate, nachdem der frühere BER-Technikchef Jochen Großmann wegen Bestechlichkeit und Betrugs in einem anderen Fall zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war.

Nun haben die Korruptionsbekämpfer von Transparency Deutschland die Geduld mit der Betreibergesellschaft Flughafen Berlin Brandenburg GmbH verloren. Transparency hatte vor zehn Jahren einen sogenannten Integritätspakt mit dem BER abgeschlossen, der vorsah, dass die Organisation der Gesellschaft Hilfestellung bei der Einhaltung von Compliance-Vorschriften leistet – besonders im Zusammenhang mit öffentlichen Vergaben.

Zeitdruck: Zu wenig ernsthafte Compliance-Bemühungen

Ähnliche Kooperationen hat Transparency auch schon bei anderen anderen großen Bauprojekten umgesetzt – aber im Fall BER hat die Organisation die Zusammenarbeit erstmals von sich aus beendet. Die offizielle Begründung: Die BER-Verantwortlichen hätten das Thema Korruptionsbekämpfung angesichts des immensen Zeitdrucks schleifen lassen. „In den ersten Jahren haben wir keinerlei Anzeichen dafür gesehen, dass etwas schief laufen könnte“, sagt Transparency-Deutschland-Vorstand Gisela Rüß, die die Zusammenarbeit betreut hat. „Die Compliance-Probleme kamen mit dem zunehmenden zeitlichen Druck ab 2012.“

Von diesem Zeitpunkt an habe sich bei Transparency der Verdacht erhärtet, dass es Unregelmäßigkeiten geben könnte. Dabei sei es aber nicht bloß um Fälle gegangen, bei denen der BER das Vergaberecht bei öffentlichen Ausschreibungen nicht eingehalten habe, sondern auch um erste Anzeichen für Schmiergeldforderungen – Verdachtsfälle, von denen sich einige mit der Verurteilung von Großmann auch als berechtigt erwiesen.

Vorwurf: BER soll Nährboden für Korruption geschaffen haben

Transparency wirft den BER-Verantwortlichen vor, aus den Vorfällen zu wenig Konsequenzen gezogen zu haben. „Wir haben damals empfohlen, die Systeme von einem externen Prüfer begutachten zu lassen. Ob in diesem Zusammenhang tatsächlich etwas passiert ist, wissen wir bis heute nicht“, sagt Rüß. Mit der chaotischen Zeitplanung wurde ab diesem Zeitpunkt der Nährboden für Korruptionsfälle bereitet – was einige Firmen schamlos ausgenutzt hätten, indem sie dem Flughafen Preisaufschläge abpressen wollten, sagt Rüß.

Der entscheidende Punkt ist aus Sicht von Transparency dabei nicht, dass es überhaupt zu einem Compliance-Versagen gekommen ist. Die Organisation bemängelt vielmehr, dass sie nicht über erste Anhaltspunkte informiert worden sei. Dass Mitte 2013 beim Unternehmen selbst anonyme Hinweise auf mögliche Schmiergeldzahlungen der Firma Imtech eingegangen seien, habe man erst im Frühjahr 2015 erfahren. Aus der Sicht von Transparency wäre es sinnvoll gewesen, die Staatsanwaltschaft schon 2013 einzuschalten.

Compliance-Instrumente sind vorhanden

Denn das Instrumentarium für die Aufklärung und auch die Vermeidung von Compliance-Verstößen hat der Flughafen eingerichtet: Seit geraumer Zeit existiert ein Hinweisgebersystem, seit dem vergangenen Herbst hat die Betreibergesellschaft zudem mit Elke Schäfer eine bekannte Wirtschaftsstrafrechtlerin als Compliance-Beauftragte eingestellt. Schäfer war zuvor mehrere Jahre lang als Ombudsfrau des BER für die Hinweisgeberstelle zuständig.
 
Der Flughafen hat die Transparency-Vorwürfe von sich gewiesen. In einer vom BER veröffentlichten Stellungnahme heißt es, der aktuelle Verdachtsfall sei „eine Altlast, die keinerlei Rückschlüsse auf das Unternehmen heute zulasse“. Zudem betont das Unternehmen, dass „die Integritätsverträge mit den Bauformen auch unabhängig von einer Beteiligung von Transparency“ fortgesetzt würden. Zu weiteren Details wollte sich der Flughafen auf Anfrage dieser Redaktion nicht äußern.

Zukunft ohne Compliance-Fälle?

Am generellen guten Willen der BER-Verantwortlichen möchte auch Transparency-Frau Rüß nicht offen zweifeln. „Ich bin davon überzeugt, dass der Flughafen ein echtes Interesse daran hat, in Zukunft Korruptionsfälle zu verhindern. Aber im Moment ist die Situation angesichts des immensen Zeitdrucks so schwierig, dass es schwer vorstellbar ist, dass die Fertigstellung ohne weitere Zwischenfälle gehändelt werden kann. Das Projekt ist ein solcher Hindernislauf, dass Korruption unter Umständen nur als Begleiterscheinung definiert werden könnte.“

sarah.nitsche[at]finance-magazin.de

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