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Steueroptimierung: CFOs fiebern Urteilsspruch entgegen

Öffnet sich die Zinsschranke bald? CFOs, deren Unternehmen stark von Fremdkapital abhängen, dürften darauf hoffen.
Thinkstock / Getty Images

Finanzchefs könnten schon bald neue Möglichkeiten bekommen, ihre Steuerlast zu drücken. Denn noch in diesem Jahr könnte die Zinsschranke kippen. Der Bundesfinanzhof (BFH) bezweifelt, dass die Zinsschranke in ihrer jetzigen Form verfassungskonform ist – und Steuerexperten halten es für gut möglich, dass das Bundesverfassungsgericht dieser Auffassung folgen wird. „Die Gründe des BFH sind sehr stichhaltig“, sagt Stefan Süß, Steuerexperte und Partner bei der Wirtschaftskanzlei Latham & Watkins. Eine Entscheidung könnte noch in diesem Jahr oder Anfang kommenden Jahres folgen.

Die Bundesregierung hatte die sogenannte Zinsschranke 2008 eingeführt, um zu verhindern, dass Unternehmen ihre Gewinne ins Ausland verlagern, die Zinsaufwendungen dann aber hierzulande geltend gemacht werden, um Steuern zu sparen. Der BFH bezweifelt allerdings, dass die Zinsschranke wirklich Missbrauch verhindert, die Vorschrift sei dafür nicht zielgenau formuliert. 

Große Unternehmen mit viel Fremdkapital könnten profitieren

Darüber hinaus widerspreche die Zinsschranke dem Prinzip, dass nach Leistungsfähigkeit besteuert wird. Denn die Höhe, bis zu der Zinsaufwendungen abgezogen werden können, orientiert sich am Ebitda: „Je geringer also das Ebitda ausfällt, umso weniger Zinsaufwand können Unternehmen steuerlich absetzen“, sagt Thomas Schänzle, Tax-Partner bei PwC. In der Wirtschaftskrise wirkte die Zinsschranke daher als Brandbeschleuniger: Unternehmen, denen es schlecht ging, wurden durch die Zinsschranke zusätzlich belastet.

Sollte die Regelung nun kippen, dürften die Unternehmen mit hohem Fremdfinanzierungsaufwand profitieren, die derzeit von der Zinsschranke betroffen sind. „Seit der Gesetzgeber die Freigrenze für uneingeschränkt abzugsfähigen Zinsaufwand von einer auf drei Millionen Euro pro Jahr erhöht hat, trifft die Zinsschranke insbesondere größere Unternehmen und weniger den typischen mittelständischen Betrieb“, so Schänzle.

Zinsschranke: CFOs müssen Steuerbescheide in Schwebe halten

Damit Unternehmen von einem möglichen Verbot der Zinsschranke profitieren können, raten Steuerexperten CFOs nun, die Steuerbescheide offen zu halten. Dafür müssen sie Einspruch erheben – um das gezahlte Geld am Ende wiederzubekommen. Auch eine Aussetzung des Vollzugs ist möglich – in diesem Fall müssten Unternehmen ihre Steuern zunächst gar nicht zahlen. Doch darauf zu wetten, birgt Risiken: Denn sollte das Bundesverfassungsgericht die Zinsschranke für verfassungskonform erklären – oder der Bundesregierung eine Frist für die Nachbesserung einräumen – müsste das Unternehmen zuzüglich zu den Steuern 6 Prozent Strafzinsen zahlen.

Kippt die Zinsschranke, droht auch das Aus für die Lizenzschranke

Einige Steuerexperten sehen den Antrag des Bundesfinanzhofs beim Verfassungsgericht sogar doppelt positiv für CFOs. Denn es ist weniger die unmittelbare Belastung durch die Zinsschranke entscheidend als die Signalwirkung, die von einer Verfassungswidrigkeit ausgehen würde, meint Süß, Steuerexperte von Latham & Watkins: „Vom Aufkommen her ist die Zinsschranke eher ein Floh.“ Schätzungen zufolge habe das Instrument jährlich gerade einmal 200 bis 300 Millionen Euro in die Kassen des Fiskus gespült – insbesondere im derzeitigen Niedrigzinsumfeld falle die Zinsschranke kaum ins Gewicht. „Viel wichtiger sind die Konsequenzen für die angedachte Lizenzschranke“, sagt Süß.

Bei der sogenannten Lizenzschranke will die Regierung die Grundidee der Zinsschranke auf Lizenzgebühren übertragen: Unternehmen sollen ihre Patente – also geistiges Eigentum – nicht an Tochterfirmen in Steueroasen verschieben können und die Lizenzgebühren dann hierzulande steuermindernd ansetzen können. „Wenn die Funktionsweise der Zinsschranke als verfassungswidrig eingestuft wird, dann könnte die Bundesregierung die Lizenzschranke nicht wie geplant einführen“, sagt der Steuerexperte Süß. Die Verschiebung von Intellectual Property ist aber ein zentrales Vehikel der aggressiven Steueroptimierung von Internetkonzernen wie Google, Apple und Co. die in den vergangenen Monaten für viel öffentliche Empörung gesorgt hatte. Der scheidende SAP-CFO Werner Brandt hatte gerade erst im Interview mit FINANCE vor einer potentiellen Wettbewerbsverzerrung durch unterschiedliche internationale Steuergesetzgebungen gewarnt.

Auch einige deutsche Großunternehmen, insbesondere die dezentral aufgestellten und technologieabhängigen Firmen, machen Lizenzgebühren in Deutschland steuerlich geltend, so Süß. „Dabei ist aber zu bedenken, dass dies häufig auch durch den Erwerb von Geschäftsbereichen begründet ist.“ Nichtsdestotrotz wäre für die CFOs dieser Unternehmen das vorläufige Aus der Lizenzschranke erst einmal ein Grund zur Freude.

desiree.backhaus[at]finance-magazin.de

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